home

FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

50 Jahre „ 2001: A Space Odyssey“ von Stanley Kubrick im Deutschen Filmmuseum

2001 – Die philosophische Erzählung – ein filmtechnisches Meisterwerk

Film-Plakat 2001 – David „Dave“ Bowman im Star-Gate Tunnel , Foto: Renate Feyerbacher

Im April 1968 kam „2001: A Space Odyssey“ von Stanley Kubrick in die amerikanischen Kinos. Im September lief er in deutschen Kinos. Das war vor 50 Jahren – Anlass für das Deutsche Filmmuseum in Frankfurt, mit einer Ausstellung und Begleitveranstaltungen bis zum 23. September an den Film, seine Entstehung und Realisation zu erinnern. Zu sehen sind dort Exponate aus internationalen Sammlungen und dem Stanley Kubrick-Archiv der University of the Arts London.

von Renate Feyerbacher

Bereits vor 14 Jahren hatte sich das Deutsche Filmmuseum in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Architekturmuseum (DAM) dem Gesamtwerk des Filmregisseurs gewidmet. Seither tourt diese Ausstellung durch die Welt..

Um die Exponate der Ausstellung zu verstehen, empfiehlt es sich, den Film zu kennen. Als interessierter Non-Science-Ficton-Fan habe ich den Besuch des Films vor 50 Jahren verpasst. Nun war ich drin und stellte mit Erstaunen fest, dass es sich dabei um eine poetisch-philosophische Erzählung mit einer Weitsicht auf die Zukunft im All, um eine Geschichte des Universums und um eine Geschichte der Menschheit handelt. Außerdem landeten immerhin ein Jahr nach der Filmpremiere, am 21. Juli 1969, die ersten Menschen auf dem Mond.

Stanley Kubrick (1928-1999) entwickelte auf Anraten seiner Produktionsfirma zusammen mit Arthur C. Clarke (1917-2008) das Drehbuch für den Film. Der in England geborene, später in Sri Lanka lebende Physiker und Science-Fiction-Schriftsteller galt als Visionär für neue Techniken. Seine 1948 geschriebene Kurzgeschichte „The Sentinel“ (Wächter / Wachtposten) diente dabei als Grundlage. Kubrick wollte weitere Motive von Clarke-Essays einbauen und schließlich wurde eine neue Geschichte geschrieben.

Clarke brachte Kubrick mit zwei NASA-Mitarbeitern in Kontakt, die fortan die Produktion zu speziellen Aspekten berieten. In zehn Monaten hatten sie das Drehbuch fertig, aus dem Clarke später einen Roman ersann. Kubrick und Clarke erhielten 1969 den Oscar für das Beste Drehbuch. Der Film wurde in weiteren Kategorien für den Oscar nominiert. Den einzigen persönlichen Oscar in seiner Karriere erhielt Kubrick aber für die visuellen Spezialeffekte in „2001: A Space Odyssey“. Damals heiss diskutiert, heute ein Kultfilm.

Stanley Kubrick und seine Familie, Foto: Renate Feyerbacher

Der in New York geborene Kubrick zog mit seiner Familie, Ehefrau Christiane Kubrick, die er 1957 geheiratet hatte, deren Tochter Katharina aus erster Ehe und den Töchtern Anya und Vivian nach London. Kubrick hatte seine zweite Frau, die Malerin und Schauspielerin Susanne Christiane Harlan (*1932), bei den Dreharbeiten in Deutschland zu seinem Anti-Kriegsfilm „Paths of Glory“ („ Wege zum Ruhm“), in dem sie eine Minirolle hatte, kennengelernt.

Und das, obwohl ihr Onkel Veit Harlan (1899- 1964), der einst Nazi-Propagandafilme wie den antisemitischem „Jud Süß“ und „Kolberg“, einen Historienfilm, der in der letzten Phase des Zweiten Weltkriegs dazu aufrief durchzuhalten, gedreht hatte. Über 40 Jahre waren der jüdisch-stämmige Stanley Kubrick und die aus der Familie Harlan stammende Christiane verheiratet. Sie hatte die Schauspielerei aufgegeben und sich maßgeblich als Malerin an Kubricks Projekten beteiligt.

Ab Dezember 1965 wurde 2001 südlich von London in den MGM-Studios in Shepperton gedreht. Katharina, Stanley Kubricks Stieftochter,  war bei den Dreharbeiten 14 Jahre alt und oft am Set. Heute hat sie mit ihrem Onkel, Jan Harlan (*1937), dem Bruder ihrer Mutter, Produzent, Regisseur, Hochschuldozent, der 30 Jahre mit Kubrick zusammen arbeitete, die Nachlassverwaltung von Kubricks Werk inne. Beide haben die Kuratoren der jetzigen Ausstellung 2001 im Deutschen Filmmuseum unterstützt, Hans-Peter Reichmann, ein ausgewiesener Kubrick-Kenner, und Tim Heptner. Die Kubrick-Schau, die nun durch die Welt tourt, hat Reichmann mit der inzwischen 86 Jahre alten Kubrick-Witwe 2004 erstellt.

Jan Harlan und Katharina Kubrick; Foto: Renate Feyerbacher

Die Musik spielt eine wichtige Rolle in dem Film, gesprochen wird dagegen wenig. Die Leinwand ist schwarz und György Ligetis (1923-2006) Komposition Atmosphères ist drei Minuten lang zu hören. Ein solches Logo und weitere Angaben der Produktionsfirma, dann der Blick in die afrikanische Savanne mit einer Affenhorde. „Aufbruch der Menschheit“ heißt diese Sequenz.

Kubrick hatte den Pantomimen Dan Richter als Chefchoreographen engagiert, der mit Tänzern, Jockeys und Pantomimen Monate lang die Affen-„Horde“ trainierte, nachdem sie auch im Zoo die Bewegungsabläufe der Menschenaffen studiert hatten. Nur die kleinen Affen sind reell. Richter selbst übernahm die Rolle des Moonwatchers, des ersten Menschenaffen, der gelernt hatte, einen Artgenossen mit einem Knochen als Werkzeug zu erschlagen. Ein Monolith, der herunter schwebt und den die Affen bestaunen und fürchten, spielt bis zum Ende des Films eine entscheidende Rolle. Dann schleudert Moonwatcher den großen Knochen in die Luft; fliegend überbrückt er einen Zeitsprung von drei Millionen Jahren und trifft auf den schwebenden Satelliten.

Modell der Zentrifuge; Foto: Renate Feyerbacher

Sechs Raumschiffe bewegen sich im Film

Das Raumschiff Discovery ist zum Jupiter unterwegs bemannt unter anderem mit David alias „Dave“ Bowman. Die Zentrifuge, ein 30 Tonnen schweres Riesenrad mit einem Durchmesser von 12 Metern, dient als Aufenthaltszone für die Astronauten. Mit verschiedenen Details sollte der Innenraum perfekt wirken.

Raumschiff und Entwürfe, Foto: Renate Feyerbacher

Die Schilderung der Dreharbeiten ist geradezu abenteuerlich. Die Bodenplatten waren herausnehmbar und die Kameras konnten unten eingerichtet werden. Filmsequenzen in der rotierenden Zentrifuge wurden von einer von unten ins Set eingesteckten, schwebend montierten Kamera aufgenommen werden. Da kein Platz für Regisseur und Kameramänner vorhanden war, überwachte Kubrick diese Aufnahmen mittels einer externen Videokamera. Discovery – nach Kubricks Vorbild – nannte die NASA 1985 ihr neues Raumschiff.

Viele Texte, Gespräche, fünf Multimediaterminals, Videos, wichtige Filmausschnitte auf großer Leinwand klären in der Schau über die Produktionsgeschichte, die technischen Feinheiten durch eine Vielzahl von Zeichnungen auf. Außerdem sind die Nachbildung der Raumfahrtanzüge der Astronauten Bowman und Poole, die sie tragen, wenn sie die Discovery verlassen, zu sehen. Großartig sind die Entwürfe für die futuristischen Kostüme des Modeschöpfers Sir Hardy Amies, der auch für die Queen arbeitete. Filmplakate und Fotos ergänzen die Schau.

 Ausstieg aus der Kapsel, Foto: Renate Feyerbacher

Das Raumschiff wird von HAL 9000, dem vermeintlich unfehlbaren Bordcomputer gesteuert. Natürlich ist er, da von Menschen konstruiert, nicht unfehlbar. Durch ein rotes Kameraauge, das mit sanfter Stimme spricht, ist er präsent. Nur HAL weiß, dass nach Spuren des Monolithen gesucht wird. Bowman erreicht Jupiter. HAL 9000 versagt und tötet.

HAL 9000, Foto:Renate Feyerbacher

Die komplette, zehn Minuten dauernde Stargate-Sequenz ist nachzuerleben. Dann ein visueller Höhepunkt des Films: der Flug Bowmans durch das Star Gate, einem Tunnel durch Zeit und Raum. 205 Einstellungen, fast die Hälfte des ganzen Films, entstanden durch Spezial- und Trickeffekte. Mehr als 100 Mitarbeiter haben zwei Jahre lang daran gearbeitet und über die Hälfte des horrenden Gesamtbudgets gingen dafür drauf.

David Bowman wird furchtbar durchgeschüttelt, an Überleben ist nicht zu denken. Dennoch landet er schließlich in einem Raum im Stil Louis XVI. Sterbend liegt er auf dem Bett und in der letzten Einstellung schwebt ein Bowman ähnlicher Fötus in der Fruchtblase durchs All, untermalt von Richard Strauss‘ Musik „Also sprach Zarathustra“. „Wiedergeburt“ heißt dieser vierte Teil des technisch-filmischen Meisterwerks, das irritiert und zum intensiven Nachdenken anregt.

Stanley Kubrick am Set, 2001: A Space Odyssey, ©Warner Bros. Entertainment Inc.

Mit seinem Science-Fiction-Film 2001: Odyssee im Weltraum hat Kubrick ein Stück Zukunft vorweggenommen und viel in Bewegung gesetzt: Die beiden Astronauten arbeiten mit Tablet-Computern, die dem iPad von Apple, das es damals noch nicht gab, ähneln. Es gibt auf einer Raumstation bereits ein Sprachsteuerungssystem, Vorbild für die heutigen Sprachsysteme Siri und Alexa. Zu Beginn von „2001″ unterhält sich der Raumfahrtfunktionär mit seiner kleinen Tochter per Video, inzwischen ist Skype ein gängiges Kommunikationsmittel. HAL9000, der die Menschen in den Tod treibt, ist eine Maschine – künstliche Intelligenz. Nicht zuletzt sind die Pop-Musik, die Mode oder Videospiele von diesen visionären Vorstellungen beeinflusst. So schafft die Ausstellung es, selbst Science-Fiction-Muffel wie mich zu begeistern.

ZUSATZINFOS

Der Monat August ist vielen Kubrick-Filmen gewidmet. „2001: A Space of Odyssey“ läuft am 16. 17. und 18. August. Die Karten sind sehr schnell ausverkauft. Gezeigt werden u.a. Filme, die von Kubrick beeinflusst wurden und immer wieder gibt es Vorträge.

Ein Höhepunkt des Rahmenprogramms ist die Präsentation des Films 2001 mit Live-Filmmusik in der Alten Oper Frankfurt, die am am 23. September vom hr-Sinfonieorchester unter Leitung von Frank Strobel gespielt wird. Auf dem Programm stehen Ligeti, Johann Strauss‘ Walzer an der „Schönen blauen Donau“, mit dem das Raumschiff durchs All gleitet und Richard Strauss „Also sprach Zarathustra“. Danach gibt es Gelegenheit, mit Jan Harlan, Frank Strobel und Hans-Peter Reichmann an der Bar zu diskutieren.

 

 

Comments are closed.