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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Die Bilderwelt der Miriam Brandl – an einem unscheinbaren Ort in Offenbach

Ein eigenes Universum in der „Rebell(i)schen Studiobühne“

Miriam Brandl

Text: Uwe Kammann / Fotos: Petra Kammann

Offenbach – für viele Frankfurter früher nur das belächelte oder bespottete OF – ist ‚in’. Es tut sich viel in der Stadt, vor allem die Verwandlung des früheren Industriehafens in ein attraktives Wohngebiet beweist augenfällig: Die Stadt ist jung, zieht ein ganz neues Publikum an.

Das Architekturmuseum adelte OF als exemplarische „arrival city“, als Ort, der in seiner gemischten Struktur Neuankömmlinge aufnehmen kann („Making Heimat“, so der programmatische Titel des deutschen Pavillons 2016 bei der Architekturbiennale Venedig), der sich grundsätzlich offen zeigt für vielfältige Kultur und Kulturen. Und die Hochschule für Gestaltung genießt als hoher Ort der Kunst und des Designs weit über Deutschland hinaus einen hervorragenden Ruf – zahlreiche Auszeichnungen sind der Beleg, zuletzt die höchste Anerkennung bei der letzten Kunst-Biennale in Venedig für den von Anne Imhof gestalteten Pavillon.

Volker Rebell in Offenbach öffnet seine Räume auch für Ausstellungen 

Doch sind es nicht nur die ‚großen’ Orte und Namen, welche die Attraktivität des Ortes ausmachen. Interessantes, Bewegendes, Aufrüttelndes findet sich auch abseits der bekannteren Hotspots, wie so etwas heute oft benannt wird. Nehmen wir eine der großen Ein- und Ausfallstraßen, die Biebererstraße.

Unscheinbar neben einem Schlüsseldienst findet sich eine Einfahrt, an der Nummer 145 A. Fast nichts deutet darauf hin, dass sich hier ein rühriger Kunstort befindet. Kenner der Szene aber wissen sehr wohl: die Rebell(i)sche Studiobühne hat einiges zu bieten. Volker Rebell betreibt dieses Unikum in Offenbach seit zwei Jahren an dieser Stelle – hier, wo früher der Betrieb des Vaters angesiedelt war, eine Werkzeugfabrik, deren hochspezialisierte Erzeugnisse noch heute in den ausgelegten umfangreichen Katalogen zu besichtigen sind.

Volker Rebell, Jahrgang 1947, verweigerte sich nicht ganz dem Wunsch, den Betrieb zu übernehmen, doch die Zeit neben dem Ingenieursstudium gehörten der Kunst (inklusive Straßentheater und Kabarett) und der Musik, speziell der Rockmusik der 60er Jahre. Mit professionellen Wegen, so als Radiomoderator beim Hessischen Rundfunk (Volkers Kramladen, hr3-Rebell waren legendäre Sendungen, immer angereichert mit einer breiten Themanwahl, bis hin zu selbstverfassten Kurzgeschichten.)

„Traum oder Wirklichkeit“ von Miriam Brandl

Jetzt, wo die alten Fabrikräume im Hinterhof ganz umgemodelt sind und dabei auch zwei Bühnenräumen Platz bieten, werden die Kunstambitionen in Ausstellungen deutlich. Dominierend in diesem Sommer: Bilder aus den letzten zehn Jahren der Schaffensperiode von Miriam Brandl.

Eines der Motive von Miriam Brandl Menschen, die versuchen, einen Platz zu finden

Ein künstlerisches Schaffen der 1942 in Königsberg geborenen Brandl, das schon sehr früh einsetzte, denn bereits mit 17 Jahren erhielt sie einen Studienplatz an der Städelschen Kunstakademie – ohne allerdings ihre Ambitionen. sofort zu verwirklichen. So dass ganz andere berufliche Stationen folgten: Buchhändlerin, Verlagsherstellerin, Lektorin, weiter dann noch Studien in Medizin, Psycholgoie, Pädagogik, dann die Ausbildung zur Psychotherapeutin und der Aufbau einer eigenen psycholgoischen Praxis in Frankfurt.

Doch der alte Traum ruhte nicht, Studien an der Sommerakademie in Salzburg und der Kunstakademie in Bad Reichenhall vertieften die künstlerischen Fähigkeiten. Einzel- und Gruppenausstellungen seit Mitte der 90er Jahre bewiesen eindrucksvoll die ganz eigene Entwicklung.

Miriam Brandl, Triptychon 1

An den Wänden des Rebell(i)schen Clubs breitet sich eine Bilderwelt aus, die einen ganzen Kosmos ausdrückt. Ein Kosmos, der in vielem überzeitlich wirkt, in einzelen Phasen jedoch auch alltagsnah ist, bis hin zu Elementen unserer städtischen Umwelt. Immer versuchen die Menschen, darin einen Platz zu finden, zu behaupten. Oft unter unwirtlichen, hin und wieder auch unwirklichen Bedingungen.

Es sind archaische Landschaften zu sehen, verdichtet zu elementaren Elementen, oft großflächig und klar begrenzt, selten in einer besonderen Form belebt. Menschen werden zu einem Teil dieser oft zeitlosen Orte, sie suchen sich einzufügen, suchen Beziehungen zueinander, ohne hier Gewissheit zu erlangen – was sich in der Offenheit, auch in einer zweifelnden Unsicherheit auf den Betrachter überträgt. Manche Szenen erinnern an biblische Urbilder, an Mythen, ohne dass sie sich in ihren Anspielungen genau zuordnen ließen.

Immer wieder auffällig in den Bildern von Miriam Brandl: das Motiv des Bergens, des Schützens, die Gesten des Umfassens, des Stützens, vor allem von Kinderleibern. Ein Kind selbst wiederum birgt in einer kalten Stadtlandschaft eine Puppe, ohne dass diese Geste eine sichere Zukunft versprechen könnte. Denn in der Regel wirken die Schützenden selbst wiederum wie verloren, ohne eine feste Orientierung – das Bergende ist untrennbar mit dem Entbergen selbst verbunden.

Es sind existentielle Situationen, man sieht Grundbefindlichkeiten, die sich nicht einfach auflösen lassen. Nicht umsonst hat die Künstlerin auch zweimal die Form eines großflächigen Triptychons gewählt, um existentielle Grunderfahrungen zu gestalten, die eine ganz eigene Farbenwelt umfassen, von Sand über Blau, Violett bis zu einem starken Gelb. Eben: ein Kosmos aus Imaginationswellen.

Archaische Landschaften wie Island inspirieren Miriam Brandl

Aber es gibt auch Momente großer Sinnlichkeit in diesen Werken, mit Anklängen an exotische Welten, an Fernen, die sich nicht sofort benennen lassen, die jedoch als Möglichkeiten, vielleicht nur als Wunschperspektiven aufscheinen. Auch wildes Vulkanisches gehört zu dieser Welt, ebenso sind klare Beziehungen zu Naturlandschaften zu erkennen, in konkreten Annäherungen speziell an wilde Meeres- und Himmelswelten des von Brandl oft bereisten Island.

Dies sind dann in der Annäherung Bewegungen des staunenden Fast-Vertrautseins, sind – bei aller (Ur-)Gewalt dieser Natur – Fixierungen auf ein Heim-, vielleicht auch nur ein vorläufiges Ankommen in dieser Großkonstellation, die doch, aller Anstrengung zum Trotz, immer wieder auch Fremdheit in sich trägt, eine einfache Bedeutung verweigert, und sei sie auch nur oberflächlich behauptet. Immer wieder wird klar: Diese Bilder sind im wahrsten Sinne vielschichtig, sie heben in sich viele Ebenen auf, verweisen – trotz der oft elementaren Farben und Formen – auf immer neue Aspekte von inneren Landschaften, deren Empfindungsreichtum nach äußeren Korrespondenzen sucht.

„Traum oder Wirklichkeit“, so hat die Künstlerin ihre Ausstellung überschrieben. Klar wird: Hier lässt sich nichts in der einen oder anderen Richtung entscheiden, das „oder“ kann sogleich ein „und“ sein, es geht um Übergänge, um Überschneidungen, um ständiges Aufblättern neuer Schichten der Existenz, um ein Ausloten, dessen Ergebnisse im nächsten Moment schon wieder entgleiten. Nichts lässt sich hier in eine Formel fassen, auch nicht jene des Irrealen oder des Surrealen.

Offenbach an der Bieberer Straße, nahe einer großen Kreuzung, eine Bilderwelt an einem so alltäglichen wie an einem äußerlich unscheinbaren Ort – es lohnt sich, dort ein ganz besonderes Universum zu entdecken.

 

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