Aufatmen im Künstlerhaus Atelierfrankfurt über Vertragsverlängerung
Wenn in Frankfurt am Main die Dezernentin für Kultur und Wissenschaft und der Dezernent für Bau und Immobilien kurzfristig „über Nacht“ zu einer gemeinsamen Pressekonferenz in den Magistratssaal einladen, steht Bedeutsames zu verkünden an: Der Standort und damit die Zukunft des größten Künstlerhauses Hessens namens Atelierfrankfurt ist für weitere zehn Jahre gesichert!
Von Erhard Metz
Atelierfrankfurt in wechselndem Licht: der beleuchtete Turm des Gebäudes in der Schwedlerstraße während der Luminale
„Veränderungen gehören zum Leben“ leitete Stadträtin Ina Hartwig ihr Statement ein. Bereits vor längerem wurde bekannt, dass der Eigentümer der Liegenschaft, der Immobilienunternehmer, Kunstsammler und langjährige Vorsitzende des Frankfurter Kunstvereins Michael Loulakis, das Gebäude in der Schwedlerstraße veräußern werde. Der Fünf-Jahres-Vertrag zwischen Loulakis und der Stadt Frankfurt über die Nutzung des Gebäudes läuft zum 30. Juni 2018 aus.
(v.l.n.r.) Kulturdezernentin Ina Hartwig, Dezernent für Bau und Immobilien, Reformprojekte, Bürgerservice und IT Jan Schneider, Roland Schmidt, Co-Geschäftsführer der Forte Capital Deutschland GmbH, Jörg Mugrauer, Vorstandsvorsitzender des Vereins Atelierfrankfurt e.V. und Corinna Bimboese, Direktorin des Atelierfrankfurt
In seiner Sitzung vor der Pressekonferenz stimmte nun der Magistrat der Vorlage von Stadträtin Ina Hartwig und Stadtrat Jan Schneider zu, auf der Grundlage des anstehenden Verkaufs der Liegenschaft von Michael Loulakis an die Frankfurter Forte Capital Deutschland GmbH das Objekt von dieser für weitere zehn Jahre anzumieten und dem Verein Atelierfrankfurt zur Verfügung zu stellen. Von einer Zustimmung auch der Stadtverordnetenversammlung kann ausgegangen werden.
„Das Atelierfrankfurt ist das kulturelle Herz des Ostends“, sagte eine sichtbar erleichterte Ina Hartwig. „Ich freue mich sehr, dass es uns in intensiven Verhandlungen gelungen ist, dieses kulturelle Zentrum für Frankfurt und seine Künstlerinnen und Künstler zu erhalten. Dieses Haus bietet den Kreativen die Möglichkeit, in einer immer teurer werdenden Stadt zu vertretbaren Preisen Räume anzumieten und verhindert damit die Abwanderung in andere Städte. Das Atelierfrankfurt trägt maßgeblich zur Kulturlandschaft unserer Stadt bei, sowohl nach innen, als auch nach außen“. Und Stadtrat Jan Schneider pflichtet bei: „Es ist erfreulich, dass mit dem Verkauf an ForteCap nun ein Ergebnis erzielt werden konnte, dass für das Atelierfrankfurt und die vielen Künstlerinnen und Künstler, für den Verkäufer Herrn Loulakis, den Käufer und auch für uns als Stadt ein alle Seiten zufriedenstellendes Ergebnis erzielt werden konnte“.
Auch Michael Loulakis, der in der Pressekonferenz selbst nicht anwesend sein konnte, lässt sich zitieren: „Nach dem geplanten Abschluss des Kaufvertrages freue ich mich, dass das Atelierfrankfurt mit Forte Capital einen professionellen und kunstaffinen Vermieter für die kommenden zehn Jahre gefunden hat“.
Zufrieden über die erreichte Einigung aller Betroffenen: Ina Hartwig und Jan Schneider, Foto: Petra Kammann
Forte, ein in der Frankfurter Kaiserhofstraße ansässiges Investment- und Asset Managementunternehmen mit dem Schwerpunkt auf Wohn- und Büroimmobilien in Deutschland, investiert gemeinsam mit privaten und institutionellen Partnern in geeignete attraktive Liegenschaften. Eigentümer sind die Geschäftsführer Roland Schmidt und Johannes Sommer. Beide kunst- und kulturfreundlichen Manager studierten – bemerkenswerter Weise ebenso wie der in Frankfurt noch allseits geschätzte große Museumsdirektor und Ausstellungsmacher Max Hollein – an der Wirtschaftsuniversität Wien. „Ich selbst komme aus Wien und aus einer Familie“, sagt Roland Schmidt, auch Mitglied des Vorstandes der Deutschen Gesellschaft für das Budapest Festivalorchester, „die dort auch mit der kulturellen Nutzung von Gebäuden zu tun hatte. Wir sehen auch bei Forte Capital die kulturelle Weiterentwicklung der Stadt als zentral an.“
Roland Schmidt, Co-Geschäftsführer der Forte Capital Deutschland GmbH
„Wir sind überglücklich, dass wir unser einzigartiges Projekt in der Schwedlerstraße fortsetzen und durch spannende, neue Projekte erweitern können. Eine Planungssicherheit von zehn Jahren ist für einen Off-Space wie das Atelierfrankfurt ein Geschenk. Ich freue mich für die 220 Künstler und Kreativen im Haus, die sich nun entspannt ihren Projekten widmen können und nicht mehr um ein Dach über dem Kopf bangen müssen“, stimmen der Vorstandsvorsitzende des Vereins Jörg Mugrauer und Atelierfrankfurt-Direktorin Corinna Bimboese überein.
↑ Bereits das „alte“ Atelierfrankfurt in der Hohenstaufenstraße fiel der umsichgreifenden Gentrifizierung zum Opfer
↓ Bleibt für weitere zehn Jahre die Heimstatt des Atelierfrankfurt: das Gebäude in der Schwedlerstraße
Im Falle des zweiten großen Künstlerhauses der Stadt, dem „basis“ als Produktions- und Ausstellungsplattform, hatte sich die Stadt mit dem damaligen Planungs- und Baudezernent Olaf Cunitz und dem Kulturdezernenten Professor Felix Semmelroth für einen anderen Weg entschieden: Im Januar 2016 erwarb sie vom Land Hessen für 4,7 Millionen Euro das 1907 errichtete, heute unter Denkmalschutz stehende ehemalige Hotel und jetzige Atelierhaus in der Gutleutstraße, um es an den Verein basis e.V. für weitere zehn Jahre vermieten zu können. Zu einem vergleichbaren Schritt sah sich die Stadt jetzt nicht in der Lage. „Die Stadt hätte sich an dieser Stelle keinen Gefallen damit getan“, betonte Baudezernent Jan Schneider, „die Immobilie selbst zu erwerben, da sie nicht in das Portfolio der Stadt passt und daher nicht zielführend bewirtschaftet würde.“ Vielmehr sei man zu der Erkenntnis gelangt, dass die jetzt mit Loulakis und der Forte Capital gefundene Lösung besser geeignet sei, das Atelierfrankfurt weiter am Standort zu erhalten.
Das Atelierhaus „basis“ in der Gutleutstraße
Wer im vergangenen Jahr und erst recht in den letzten Monaten durch das Atelierhaus ging, dem konnte eine gedrückte Stimmung, eine Sorge um die auch existentielle Zukunft nicht verborgen bleiben. Die Künstlerinnen und Künstler blickten auf den Termin Ende Juni 2018 mit einigem Bangen. Dennoch bewog ein gewisser Grundoptimismus, unterstützt von Atelierchefin Corinna Bimboese und ihren Mitarbeiterinnen, die meisten der Kunstschaffenden, auf ein gutes Ende zu hoffen und dem Standort die Treue zu bewahren. Nun wird ein befreites Aufatmen überall in den Fluren und Ateliers vernehmbar sein. Zehn Jahre bedeuten eine gute Zeitspanne, in der man sich gelassener auf ein „Danach“ vorbereiten kann. Denn eines scheint sicher: Nach zehn Jahren wird die Liegenschaft, ein „Filetstück“ im eine rasante Entwicklung vollziehenden Frankfurter Ostend, wohl unausweichlich einer anderen Verwertung zugeführt werden.
Eingang zum Gebäude des Atelierfrankfurt
Mit einer gewissen weiteren Steigerung ihrer Ateliermieten werden die Kunstschaffenden natürlich rechnen müssen; gleichwohl wird der Mietzins auch künftig weit unter dem für ein Gebäude in dieser Lage üblichen liegen. Die Stadt wird weiterhin bis zu 30 der insgesamt 130 Ateliers aus dem Kulturetat subventionieren. Derzeit fördert sie Atelierfrankfurt mit jährlich 357.000 Euro.
Linker (oben) und rechter Treppenturm des Gebäudes während der diesjährigen Luminale
Fotos bzw. Fotomontagen der Treppentürme: Erhard Metz
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