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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

„Die Lustige Witwe“ Operette von Franz Lehár in der Oper Frankfurt

Scheinbare Leichtigkeit der Beziehung, die nicht leicht ist

Die Operette „Die lustige Witwe“ hatte am 13. Mai eine grandiose Premiere in der Oper Frankfurt. Das Publikum feierte frenetisch das gesamte Team.

von Renate Feyerbacher
Fotos: Monika Rittershaus / Oper Frankfurt

Claus Guth nach „Oper extra“ am 29. 4. 2018, Foto: Renate Feyerbacher

Ausgerechnet Hitlers Lieblings-Operette „Die lustige Witwe“, inszeniert von Claus Guth, weltweit bekannt für seine außergewöhnlichen Operninszenierungen, für Pelleas et Mélisande und Daphne, ausgezeichnet mit dem FAUST-Theaterpreis in der Oper Frankfurt? Bei Oper extra erzählt der gebürtige Frankfurter, dass er sich vor Jahren, 2007, am Gärtnerplatztheater in München, mit der Gattung Operette beschäftigt hat und sich dafür ins Archiv des Theaters vergrub. Es entstand ein kritisches Potpourri unter dem Motto „In mir klingt ein Lied“. „Jetzt hat mich die Operette zurück.“Für Claus Guth steht die Musik und der Tanz an erster Stelle, dann kommt erst der Text, der hier einen beachtlichen Anteil hat. Als Choreograph hat Guth wieder Ramses Sigl engagiert, mit dem er schon lange zusammenarbeitet und in Frankfurt Der Rosenkavalier erarbeitete. Diesmal konnte Sigl sich mit seinen pfiffigen Tänzerinnen und Tänzern austoben. Die Sängerinnen Marlis Petersen als Hanna Glawari und Elizabeth Reiter als Valencienne, forderte er so stark, als wären sie Musicalstars. Dabei hatte Marlis Petersen, die den Regisseur gut kennt, zunächst angenommen, bei ihm würde nicht getanzt. „Aber da lag ich völlig falsch.“ Nun gut, es wird wild getanzt und das sogar höchst professionell. „Der Tanz enthüllt die Wahrheit“, so sieht es Claus Guth, denn im Tanz kommen sich Hanna und Danilo näher und ‚kommunizieren‘ miteinander.

Nun hört sich das alles sehr heiter an. Ist es auch teilweise, aber Guth hat sich etwas Trickreiches ausgedacht und bleibt so sich und seiner Linie treu. Zwei Jahre nach 1905, der Uraufführung von „Die Lustige Witwe“ von Franz Lehár (1870 – 1948), wurde die Operette das erste Mal verfilmt. Ihm folgten später Filme von Erich von Strohheim und Ernst Lubitsch, die damals in Hollywood waren. Ein Medien-Hype hatte begonnen.

Claus Guth erinnert sich an die Filme und fingiert auf der Bühne Dreharbeiten für einen Film, das ist die oberflächliche Seite, und die ernste Seite, das ist ein privates Beziehungsdrama.

v.l.n.r.: Statist der Oper Frankfurt (Kameramann), Marlis Petersen (Hanna), Klaus Haderer (Njegus) und Barnaby Rea (Zeta), Foto: Monika Rittershaus / Oper Frankfurt

Was war geschehen, was geschieht? Hanna Glawari und Graf Danilo Danilowitsch waren einmal in Pontevedro (Montenegro war gemeint) ein Paar. Danilos Onkel droht mit Enterbung, wenn er die nicht standesgemäße Pächterstochter heiratet. Daraufhin lässt der Graf Hanna sitzen. Sie heiratet den Hofbankier Glawari, der verstarb und sie zur steinreichen Witwe macht.

Paris ist der Ort, wo sich Hanna und Danilo, der nun Botschafts-Attaché in der pontevedrinischen Botschaft ist, wieder treffen. Der Botschafter Baron Mirko Zeta ist stimmlich stark und darstellerisch witzig. Barnaby Rea will verhindern, dass Hanna das viele Geld außer Landes bringt, es würde den Staatsbankrott von Pontevedro bedeuten.

Marlis Petersen als Hanna und das Ensemble, Foto: Monika Rittershaus / Oper Frankfurt

Er drängt Danilo, der eine zweite Heimat im Grisetten-Lokal „Maxim“ fand, Hanna zu heiraten. Der aber ist daher nur bereit, einen Kandidaten zu suchen. Auf dem Fest, das Hanna Glawari gibt, geht es heimatlich zu. Sie selbst singt das Lied von der Waldfee Vilja, das weltweit zum Operettenhit wurde.

Im 3. Akt, zum Abschluss des Festes, hat Hanna einen Auftritt der „Maxim“-Grisetten organisiert, an dem auch Valencienne beteiligt ist. Als Zeta erfährt, dass seine Frau Valencienne – sie ist Camille de Rosillon zugetan–  mit diesem allein im Pavillon war, daraufhin will er die Scheidung und bietet sich Hanna zum Ehemann an. Aber Valencienne ist eine anständige Frau und widersteht den Verführungsversuchen von Rosillon. (Lied: „Ich bin eine anständige Frau und nehm diese Ehe genau..“) .

Martin Mitterrutzner (Camille) und Elizabeth Reiter (Valencienne), Foto: Monika Rittershaus / Oper Frankfurt

Hanna weist Zeta, der auf die Millionen spekuliert, darauf hin, dass sie bei einer Wiederverheiratung ihre Millionen verlieren wird. Ein Grund für Danilo, Hanna seine Liebe zu erklären, da er nicht mehr im Verdacht steht, es auf ihr Geld abgesehen zu haben. Ein Trick von Hanna, um seine Liebeserklärung zu hören, denn ihre Millionen verliert sie zwar, jedoch, um sie an ihren neuen Ehemann abzutreten.

Auf der Bühne wird gefilmt. Es geht turbulent zu. Der Kameramann schleppt sein schweres Gerät hin und her. Der Filmregisseur, gespielt vom Schauspieler Klaus Haderer, der auch den skurill-listigen Kanzlisten der Botschaft namens Njegus mimt, tobt oft herrlich verrückt, dann aber auch wieder einfühlsam. Wenn das Scheinwerferlicht und die Kamera aus sind, werden die Spannungen, die Sehnsüchte, die Verzweiflung von Hanna und Danilo offenkundig. Diese Szenen sind tiefenpsychologisch ausgeleuchtet. Die süße Liebesgeschichte, die durch die falschen Gefühle beim Drehen zu dick aufgetragen werden, wird umgekrempelt. Die gebrochenen Charaktere verbreiten Melancholie, zeigen aber auch Momente des Geschlechterkampfes. Hanna ist eine starke Persönlichkeit, die mit geschickten Tricks arbeitet, um Danilo doch noch für sich zu gewinnen…

Eine sehr komplizierte Inszenierung, die sicher Knochenarbeit für alle Beteiligten war. „Wir müssen es so hinkriegen, dass Sie, das Publikum, sagen ‚locker‘“, meint Marlis Petersen bei Oper extra. In der Tat, es wirkt locker und ist doch nachdenklich. Vor allem der Schluss irritiert: Guth lässt Hanna nach dem Duett „Lippen schweigen“ allein in ihre Theatergarderobe gehen, wo sie sitzt und nachsinnt.

Die Ideen für das Bühnenbild und die Kostüme kommen von Christian Schmidt, der regelmäßig mit dem Regisseur zusammenarbeitet. Die Theatergarderoben von Hanna und Danilo liegen nebeneinander. Beide halten sich oft gleichzeitig in ihnen auf. Spiegel an Spiegel, nur durch die Wand getrennt, sitzen sie einander gegenüber, ohne es zu ahnen. Dann dreht sich die Bühne und der Saal der Botschaft – dort finden die Feste statt – wird zum Spielort, und wieder dreht sich die Bühne, um das Geschehen im Pavillon, wo sich Valencienne und Camille de Rosillon trafen, zu zeigen. Andere Szenen spielen zwischen den Kulissen und immer wieder spielt das fokussierte Licht, eingestreut von Olaf Winter, eine wichtige Rolle. Ein maßgeschneidertes Bühnenbild.

Marlis Petersen (Hanna) und Iurii Samoilov (Danilo) sowie Ensemble, Foto: Monika Rittershaus / Oper Frankfurt

„Lehárs Musik ist heiß von dieser offenen, verbrühenden Sinnlichkeit; ist wie erfüllt von geschlechtlicher Wollust“, schrieb 1906 der österreichisch-ungarische Schriftsteller und Autor des Buches „Bambi . Eine Lebensgeschichte aus dem Walde“, Felix Salten. Kein Wunder, dass kurz vor dem Zweiten Weltkrieg in der brodelnden Zeit die Lieder zu Schlagern wurden.

Die in Hildesheim geborene Joana Mallwitz, die mit Ihren 32 Jahren bereits eine beachtliche Karriere aufweist, konnte dafür als Dirigentin gewonnen werden. Sehr einfühlsam, aber lebendig leitet sie das Frankfurter Opern- und Museumsorchester. Der Gedanke, es mit einer Operette zu tun zu haben, liegt dabei eher fern. Sehr präzise sind die Einsätze für die Sängerinnen und Sänger. Das Aufgebot – selbst in den kleinsten Rollen – ist ein exzellentes. Allen voran Hanna und Danilo. Von Kopf bis Fuß ist die brillante Marlis Petersen als Hanna Glawari eine ausgezeichnete Sängerdarstellerin, sie hat eben auch eine Tanzausbildung. Die schon dreimal als Sängerin des Jahres ausgezeichnete Künstlerin ist in der Regel eher dramatischen Opernpartien als auch der Neuen Musik und Liederabenden verpflichtet, und das weltweit. In Iurii Samoilov hat sie in dieser Inszenierung einen ebenbürtigen Partner gefunden. Der gebürtige Ukrainer war zunächst im Opernstudio und hat jetzt einen festen Platz im Ensemble der Oper Frankfurt gedunden. Der wohlklingende Bariton ist auch ein quirliger Schauspieler.

Iurii Samoilov nach der Premiere am 13. 5. 2018, Foto: Renate Feyerbacher

Für Elizabeth Reiter war der Abend eine Sternstunde. Sie sprang für die erkrankte Kateryna Kasper ein und entwickelte sich in den noch anstehenden Proben als stimmlich und tänzerisch gekonnt-spritzige Valencienne. Wie sie als Grisette tanzte, war einmalig. Martin Mitterrutzner gefiel als Camille de Risillon und den Chor hatte Tilman Michael abermals erstklassig eingestimmt.

Bei dieser Premiere waren eine Reihe von Leuten im Publikum zu sehen, die sonst die Oper eher nicht besuchen und es schien, als fehlten Opernliebhaber, die häufig Operetten-’Verachter‘ sind. Aber der Abend ist so gelungen, dass auch sie auf ihre Kosten kommen können, nicht zuletzt dank der famosen Inszenierung und der herausragenden Interpreten.

Weitere Vorstellungen: am 20., 27. Mai, am  3., 13., 16., 20. und 27. Juni 2018.

 

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