„Wildlife“: Fotoarbeiten von Sandra Mann in der Stadtgalerie Bad Soden
Kooperation mit den ZONTA Clubs Bad Soden-Kronberg und Frankfurt II Rhein-Main
Von Erhard Metz
Es erscheint unüblich, einer Ausstellung sozusagen postum eine Betrachtung zu widmen. Dass wir es dennoch tun und obendrein eine fast schon unziemliche Verspätung in Kauf nehmen, mag einer Rechtfertigung bedürfen, die wir hier gerne liefern: Es sind natürlich das Œuvre der Künstlerin Sandra Mann zum einen, zum anderen ihr Engagement für eine lebenswerte Umwelt (und damit Welt schlechthin) sowie ihre Unterstützung der weltweiten ZONTA-Philosophie. Ziel von ZONTA – als Nicht-Regierungsorganisation (NGO) mit seit ihrer Gründung im Jahr 1945 konsultativem Status bei der UNO – ist es, Kontakte zwischen Frauen verschiedener Nationen und generell die internationale Verständigung zu fördern sowie die staatsbürgerlichen, sozialen und kulturellen Aufgaben zu stärken und sich für deren Erfüllung einzusetzen.
Finissage mit (v.l.): Silke Wolter, Präsidentin ZONTA Club Bad Soden-Kronberg, Sandra Mann und Kerstin Walter, Preis ZONTA Art Contemporary, ZONTA Club Frankfurt II Rhein-Main; Foto: Tom Kauth
Sandra Mann ist eine vielseitige Künstlerin, ihr „Portfolio“ (eigentlich verabscheuen wir dieses auch im Kunstbetrieb immer häufiger anzutreffende Wort) umfaßt Fotografie, Installation, Skulptur und Video – wobei erstere wohl zumindest derzeit im Vordergrund steht. Ihr widmete sich denn auch die inzwischen beendete Bad Sodener Ausstellung. Für alle, die sie versäumt haben, halten wir ein Wort des Bedauerns bereit – aber zugleich einen Trost: die Eröffnung ihrer nächsten Ausstellung – gemeinsam mit Werken von Barbara Klemm und Felicitas von Lutzau – in der Kanzlei Reed Smith im Frankfurter Opernturm findet bereits am 13. Juni 2018 statt. Man sollte sich diesen Termin vormerken.
↑ Büchsenlicht (Valentina Stanojev & Panzer, Maintal, Germany), 2013
↓ Waldblut (Darmstadt-Eberstadt, Germany), 2009
Sandra Manns Fotografien – von denen wir hier nur ein kleines Spektrum wiedergeben – mögen manchem etwas zu evident, zu plakativ erscheinen. Dem widersprechen wir: Die künstlerische Intention, die Aussage, die der Betrachter dem Bildgeschehen in seiner Auseinandersetzung mit ihm entnehmen kann, ist in einen kunstvoll vermittelnden Gestaltungsprozeß eingebunden, den zu ergründen und zu erschließen es eben keineswegs nur des einfachen Hinschauens bedarf. Und ein Weiteres und Wichtiges: Sandra Manns fotografische Arbeiten sind von einer Sinnlichkeit, die uns zu öffnen vermag und die wir an anderen Kunstorten nicht selten einigermaßen schmerzlich vermissen.
„Büchsenlicht“ zum Beispiel ist eine auf das Sorgsamste durchkomponierte Arbeit: die vermeintliche Jägerin und der (Künstlerinnen-)Hund, der Pelzmantel der Schützin und das Fell des Tieres, die Brutalität des Zielens und der unschuldig-unwissende Blick des Hundes, das in winterlicher Landschaft erstarrte, unwirtlich anmutende Umfeld – all dies bewirkt im Betrachtenden mannigfache Assoziationen, vor allem aber eine Öffnung seiner Gefühlswelt. Es ist, wie die meisten Arbeiten der Künstlerin, ein arrangiertes, „gestelltes“ Motiv, und doch ist die Szene beklemmend, richtet sich die tödlich wirkende oder schwere Verletzungen bewirkende Waffe doch auf ein Leben außerhalb des Bildausschnitts – ein Leben, das wir nicht sehen und nicht kennen können, für das wir jedoch Empathie empfinden.
Ähnlich „Waldblut“: Diesen Wald, im Jahr 2009 aufgenommen, kann der Betrachter längst nicht mehr erleben. Die mit roter Farbe markierten Bäume „bluteten“, denn sie waren zum Fällen bestimmt. Wir nehmen an im Rahmen der Holzwirtschaft.
Jessica & Seerosen (Buchschlag, Germany), 2014
Keine Spur von Plagiat, sondern eine Hommage an Claude Monet, an das alle Sinne öffnende Zauberwort Giverny: eine bittere allerdings. Wer nimmt sich die Zeit, die Arbeit genauer zu betrachten, wer erträgt dann das langsam zur Gewißheit werdende Erkannte? Denn nicht Seerosen schwimmen im Teich, sondern weiße Plastikbecher. Mehr zu dieser Arbeit braucht angesichts der weltweiten Verschmutzung von Gewässern und Meeren nicht mehr gesagt zu werden.
Ein Zweites fällt uns an Sandra Manns Werk auf: ihre kritisch-ironische Auseinandersetzung mit dem Künstlersein, mit der – auch eigenen – künstlerischen Existenz. Diese Auseinandersetzung bricht sich in sehr vielen Arbeiten immer wieder eine durchaus bestimmende Bahn. Ihre künstlerischen Mittel dazu sind so einfach wie wirksam: „echte“ Künstlerkolleginnen und -kollegen stehen ihr Modell.
Nehmen wir den Städelschüler (von Hermann Nitsch) und heutigen Chef des Kunstvereins Familie Montez, Mirek Macke. Er hatte seinerzeit von einer Künstlerexistenz Abstand genommen, weil er sich nicht sein eigenes Grab graben wollte. Sandra Mann erinnert mit ihrer Fotografie an die überlieferte Anekdote.
↑ Die Künstlerin und Mirek Macke vor: „Mirek Macke gräbt sich sein eigenes Grab“ (Enkheim, Germany), 2013
↓ Die Künstlerin und Jos Diegel vor: „Written on Bourgeois Body / Jos Diegel & Shirin“ (Offenbach-Bürgel, Germany), 2015
Fotos: Erhard Metz
Oder nehmen wir den multimedialen HfG-Absolventen Jos Diegel, dort Schüler von Adam Jankowski (Malerei), Rotraut Pape (Film), Burghart Schmidt (Philosophie/Ästhetik), Christian Janecke (Kunstgeschichte) und Manfred Stumpf (Visuelle Kunst). Es ist eine sehr schöne und hintergründige – und natürlich wieder sinnliche – Arbeit: Der Betrachter erkennt im Spiegel, den die Künstlerkollegin nahezu deckungsgleich vor sich hält, den unbekleideten Oberkörper des Künstlers. Realität, Fake? Oder ist ein tatsächlich materiell auskömmliches Künstlerdasein ein Fake?
Und last not least: Wer hat sie nicht erkannt im „Büchsenlicht“: die Städelschülerin (von Jörg Immendorff und Peter Angerman) Valentina Stanojev?
Kommen wir zurück auf ZONTA: Der für den Ausstellungsort – die Stadtgalerie Bad Soden im historischen Badhaus im Alten Kurpark – sozusagen gebietszuständige Club Bad Soden-Kronberg richtete die Finissage mit einem Angebot an Kaffee, Kuchen und Drucksachen und der bei ZONTA-Veranstaltungen stets anzutreffenden Spendenbox bei herrlichstem Frühlingswetter aus. Der ZONTA Club Frankfurt II Rhein-Main assistierte als Stifter des Kunstpreises ZONTA Art Contemporary (ZAC), der im Herbst dieses Jahres zeitgleich zur Frankfurter Buchmesse zum sechsten Mal vergeben wird. Die Entscheidung über die aktuelle Preisträgerin – 2012 war es übrigens Anne Imhof, mit der als Kuratorin des Deutschen Pavillons wirkenden neuen MMK-Direktorin Susanne Pfeffer Gewinnerin des „Goldenen Löwen“ der Kunstbiennale Venedig 2017 – wird im Sommer fallen. Die Vorschlagende Jury ist in diesem Jahr mit Isa Bickmann (Kunsthistorikerin), Corinna Bimboese (Direktorin AtelierFrankfurt), Robert Bock (Kunsthalle 1A), Professor Philippe Pirotte (Rektor Städelschule, angefragt) und Professor Manfred Stumpf (Hochschule für Gestaltung HfG Offenbach) besetzt. Die Preisentscheidung treffen als Auswählende Jury Katharina Dohm (Kuratorin Schirn Kunsthalle), Michael Hierholzer (Kulturressort FAZ Rhein-Main-Zeitung), Beate Kemfert (Stiftungsvorstand Opelvillen Rüsselsheim), Mario Kramer (Sammlungsleiter MMK Frankfurt) und Silke Schuster-Müller (Kunstexpertin der Deka). FeuilletonFrankfurt wird wie stets berichten.
Finissage: Die Künstlerin mit Brita Momberger-Metz, ZONTA Club Frankfurt II Rhein-Main, und Erhard Metz; Foto: Tom Kauth
Am 13. Juni 2018, 18 Uhr, findet die Vernissage der Gruppenausstellung mit Arbeiten („Wildlife“) von Sandra Mann, Barbara Klemm und Felicitas von Lutzau in der Anwaltskanzlei Reed Smith, Opernturm Frankfurt, Bockenheimer Landstraße 2-4 statt.
Abgebildete Werke von Sandra Mann © VG Bild-Kunst, Bonn
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