Frankfurts „neue“ Altstadt für das Publikum eröffnet
Neuer Eingang des Frankfurter Kunstvereins zur Gasse „Hinter dem Lämmchen“
Von Erhard Metz
Oberbürgermeister Peter Feldmann eröffnet die „neue“ Frankfurter Altstadt
Dem vom 28. bis 30. September 2018 geplanten großen Altstadtfest wollte man nicht allzu weit vorgreifen – und doch fand die Eröffnung der „neuen“ Frankfurter Altstadt für das Publikum, wenn auch ohne einen förmlichen Festakt, bereits jetzt am 9. Mai statt. „Mit der Altstadt geben wir der Stadt ein Stück Herz und Seele zurück“, sagte Oberbürgermeister Peter Feldmann am Pult auf dem beginnenden historischen Krönungsweg bei strahlendem Sonnenschein und fast hochsommerlichen Temperaturen. „Die Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt können sich nun das neue Quartier aneignen, ein Stück Frankfurter Geschichte erleben. Neben Stadtreparatur ist es mit der neuen Altstadt gelungen, wesentliche Momente der Frankfurter Stadtgeschichte in die heutige Zeit zu transportieren. Die Stadt wird so ein lebendiges Viertel gewinnen, das vor allem für die Frankfurterinnen und Frankfurter Anziehungspunkt sein wird.“
(v.l.) Ex-Planungsdezernent und Stadtältester Edwin Schwarz, Oberbürgermeister Peter Feldmann, Planungsdezernent Mike Josef, Kunstvereinsdirektorin Franziska Nori und Michael F. Guntersdorf, Geschäftsführer der städtischen DomRömer GmbH
Gegen 13 Uhr begann der Abriss der Bauzäune, und binnen Stunden füllte sich das „Quartier DomRömer“, wie wohl die offizielle Bezeichnung lautet, mit einem neugierigen und staunenden Publikum: für diejenigen, die nicht an einer der bisherigen Baustellenführungen teilgenommen haben, ein Aha-Erlebnis, für viele, wie wir beobachten konnten, zugleich ein sichtlich bewegender Moment. Keine Medien im Rhein-Main-Gebiet und deutschlandweit darüber hinaus, die in diesen Tagen nicht das neue Viertel in umfangreichen Sonderbeilagen, Bild- und Filmdokumentationen präsentiert haben – deshalb können wir an dieser Stelle auf einen weiteren Bilderbogen verzichten. Zitieren wir Michael Guntersdorf, den Geschäftsführer der städtischen DomRömer GmbH: „Wir haben sehr lange auf diesen Moment hingearbeitet. Mein Dank geht an alle, die uns auf diesem Weg konstruktiv begleitet haben. Die Altstadt ist ein Viertel für die Bürgerinnen und Bürger. Die Vielfalt der alten und neuen Gebäude, das handwerkliche Detail und die neu entstandenen Blickachsen haben bereits in den vergangenen Monaten viele Frankfurter begeistert. Wir freuen uns auf die vielen Menschen, die in den kommenden Tagen und Wochen ‚ihre‘ Altstadt wieder in Besitz nehmen. Frankfurt verfügt über eine reichhaltige Geschichte, die hier, an dieser Stelle, begonnen hat. Der Archäologische Garten mit den Funden aus der Römer- und Karolingerzeit, die unterschiedlichen Bau- und Architekturstile, die man an den Häusern ablesen kann – all das fügt sich in der Altstadt zu einem erlebbaren Stück Geschichte zusammen.“
Beschränken wir uns auf das wohl größte Juwel unter den rekonstruierten Häusern:
Das rekonstruierte Haus „Goldene Waage“ von 1619 gegenüber dem Dom, aufgenommen Ende Oktober 2017 noch ohne die vergoldeten Ausschmückungen, die erst vor wenigen Tagen fertiggestellt und montiert wurden
Waage und Wasserspeier am Haus „Goldene Waage“; links Dom, Mitte Stadthaus
Ja, es ist das wahre Herz der Stadt, das in einem – für manche auch durchaus schmerzhaften – Kompromiss aus 15 Rekonstruktionen und 20 der Gestaltungssatzung unterliegenden Neubauten in Gässchen und versteckten Höfchen wiedererstanden ist und nach dem Einzug der Bewohner und dem endgültigen Ausbau der über 20 Ladenschäfte, gastronomischen und anderen Einrichtungen mit Leben gefüllt sein wird. Wir konnten im vergangenen Jahr das Geschehen im Quartier bereits in Baustellenführungen beobachten und zu unserem Urteil gelangen, dass ein Mehr an Rekonstruktionen oder zumindest an Einfühlungsvermögen bei den Neubauten wünschenswert gewesen wäre. Mit dieser Einschätzung widersprechen wir Professor Christoph Mäckler, Vorsitzender des Gestaltungsbeirats der DomRömer GmbH, der ein Mehr an Neubauten befürwortet hätte. Und wir können uns in der Grundsatzdebatte um Rekonstruktionen, die auch künftig geführt werden wird, nur dem Urteil von Matthias Alexander, Ressortchef der FAZ Rhein-Main-Zeitung, in der Ausgabe vom 9. Mai 2018 anschließen: „Dem Elend der heutigen Architektur hält die neue Frankfurter Altstadt einen Spiegel vor“. Als beklagenswert empfinden wir es, dass die aus unserer Sicht insoweit am wenigsten gelungenen Neubauten ausgerechnet am historischen „Krönungsweg“, der geschichtlich für Frankfurt am Main und vielleicht auch für Deutschland bedeutendsten Meile, stehen: die Neubauten „Am Markt“ 32, 34 und 36. Wollte man der benachbarten, aus der Perspektive des Krönungswegs wenig gefälligen Schirn-Rotunde eine brückebauende architektonisch-modernistische Referenz erweisen?
Bei allem wird es entscheidend darauf ankommen, das Areal, sagen wir es drastisch, bratwurst-, fritten- und brezelbudenfrei zu halten, ebenso von der „to-go-Pappbecher“-Unkultur und den Auswüchsen des Tourismus zu verschonen und Sorge zu tragen, dass keine „Rüdesheimer Drosselgasse“ und auch kein lärmender Wildwuchs entsteht, wie er seit langem in Alt-Sachsenhausen zu beklagen ist.
Auch Petra Roth, die ehemalige Oberbürgermeisterin Frankfurts, wohnte der Eröffnung bei – an ihrem Geburtstag! Das Publikum bedachte sie mit herzlichem Glückwunschapplaus.
Der Oberbürgermeister tête-à-tête im Gespräch mit seiner Amtsvorgängerin Petra Roth …
… und der Direktorin des Frankfurter Kunstvereins, Franziska Nori
Franziska Nori, Ex-Oberbürgermeisterin Petra Roth, Oberbürgermeister Peter Feldmann, Planungsdezernent Mike Josef und Professor Christoph Mäckler, Vorsitzender des Gestaltungsbeirats der DomRömer GmbH
Ein zweites Ereignis galt es an diesem denkwürdigen 9. Mai 2018 zu feiern: die Eröffnung des neuen Eingangs des Frankfurter Kunstvereins zur Gasse „Hinter dem Lämmchen“. Die Zeremonie wurde in die Altstadt-Eröffnung integriert, Franziska Nori, Direktorin des Kunstvereins, schilderte humorvoll die „Leidenszeit“ von Ausstellern wie Besuchern und nicht zuletzt des Personals beim Abriss des unmittelbar benachbarten Betonklotzes namens „Technisches Rathaus“, bei den anschließenden Rammarbeiten und dem Aufbau des Altstadtquartiers, und gab ihrer Freude Ausdruck über die geglückte neue Verbindung von Altstadt und dem denkmalgeschützten Anbau des Kunstvereins an das historische „Steinerne Haus“ aus dem 15. Jahrhundert. Franziska Nori: „Das neue DomRömer-Areal ist eine Chance für Frankfurt. Uns war es wichtig, dass wir als traditionsreiche bürgerliche Kulturinstitution mit dieser einschneidenden urbanistischen Veränderung mitwachsen und eine neue Schnittstelle zwischen Altstadt und Gegenwartskunst bilden. Die Öffnung des Gebäudes ist ein logischer Schritt.“
↑ Sensibel eingefügt in den Anbau des Frankfurter Kunstvereins: Der neue Eingang zur Gasse „Hinter dem Lämmchen“
↓ Oberbürgermeister Peter Feldmann, Luminita Sabau, Vorstandsvorsitzende des Frankfurter Kunstvereins, Franziska Nori und Planungsdezernent Mike Josef
Wirkliche Kultur und Tradition der alten Freien Reichsstadt Frankfurt spiegelt sich nicht in den Hochhausschluchten des heutigen Bankenviertels, sondern in diesem wahren Herzen der Stadt, in unmittelbarer Umgebung umschlossen vom Kaiserdom mit dem Dommuseum, von Römer und Paulskirche, vom Historischen Garten, dem Historischen Museum, dem Museum für Moderne Kunst und der Schirn Kunsthalle, vom „Leinwandhaus“ mit seinem heutigen caricatura-Museum, von den Kulturstätten Haus am Dom und Evangelische Akademie und natürlich vom bereits 1829 gegründeten Frankfurter Kunstverein, einem der ältesten, größten und renommiertesten Kunstvereine Deutschlands.
Dazu gehört: Auch im Dom-Römer-Quartier wird es „Stolpersteine“ geben: ein erster wurde in der Gasse „Hinter dem Lämmchen gesetzt“.
Der erste „Stolperstein“ in der Frankfurter „neuen“ Altstadt mit der Inschrift: „Hier wohnte Jakob Hess, Jg. 1916, eingewiesen 1934 Heilanstalt Kalmenhof, ermordet Aug. 1939“
Fotos: Erhard Metz