9. Festival der jungen Talente im Frankfurter Kunstverein
Von Erhard Metz
Wen gerade einmal wieder ein gewisser Überdruss am etablierten Kunstbetrieb mit mancherlei „more of the same“ zu packen droht, der ist in den nächsten Tagen im Frankfurter Kunstverein auf das Beste aufgehoben: Das diesjährige „Festival der jungen Talente“ wird ihm dort – leider nach der Eröffnung am heutigen Donnerstag Abend nur vom 4. bis zum 6. Mai 2018 – ein künstlerisch experimentierendes Feuerwerk abbrennen, das Freunde jungen und aktuellen Kunstgeschehens sich keinesfalls entgehen lassen sollten.
Das bereits 9. Festival dieser Art – im Jahr 2000 vom Verein für Kunstförderung Rhein-Main e.V. gegründet – gastiert heuer nach 2016 zum zweiten Mal im Frankfurter Kunstverein und damit in einem institutionellen Rahmen. Mitwirkende sind inzwischen die Hochschule für Gestaltung (HfG) Offenbach, die Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt (HfMDK), die Hessische Theaterakademie, das Institut für Angewandte Theaterwissenschaft an der Justus-Liebig-Universität Gießen, die Hochschule für Bildende Künste Städelschule, die Studiengänge Dramaturgie und Curatorial Studies an der Goethe Universität Frankfurt sowie erstmalig die Kunsthochschule Mainz.
Pressekonferenz am 2. Mai 2018 mit (v.l.) Professor Heiner Blum, HfG Offenbach, Mitglied des Beirats, Julia Cloot, Stellvertretende Geschäftsführerin des Kulturfonds Frankfurt RheinMain, Franziska Nori, Direktorin des Frankfurter Kunstvereins, und Grete Steiner, Vorsitzende des Vereins für Kunstförderung Rhein-Main, Offenbach
Im Festival geht es wesentlich um interdisziplinäre und medienübergreifende Kooperationen junger Künstlerinnen und Künstler, namentlich von Studierenden der beteiligten Institutionen. Im Vordergrund stehen deshalb weniger Objekte wie Malerei oder Bildhauerei, sondern experimentelles und forscherisches Arbeiten beispielsweise in Gestalt von Videoproduktionen sowie künstlerischen Aktionen kommunikativer, performativer und partizipativer Art zu Themen um Utopien wie auch Dystopien. Dieser Institutionen und Hochschulen übergreifende Ansatz des Vereins für Kunstförderung Rhein-Main dürfte in dieser Form einzigartig sein. 45 Vorschläge wurden zum diesjährigen Festival eingereicht, aus denen ein Beirat um Franziska Nori mit je einem Vertreter der beteiligten Einrichtungen 26 zum Teil ortspezifisch erarbeitete Positionen auswählte, die auf drei Präsentationsebenen im Haus des Kunstvereins vorgestellt werden. Insgesamt werden 125 Kunstschaffende an der Ausstellung beteiligt sein.
If I had you, Tee Ly, Clara Imhoff, Maria Poursanido, HfG Offenbach, HfMDK Frankfurt
In dem Video „If I had you“ sehen wir Inszenierungen von süßlich-kitschigen Schönheitsidealen im Bereich der sogenannten Sozialen Medien in der Form von Manga und Anime – gleichsam ein „Produktsortiment der Schönheits- und Unterhaltungsindustrie“.
„Noise again“ ist eine opulent gestaltete, den Betrachter in Anspannung wie Irritationen versetzende Rauminstallation betitelt – „ein bewegtes Zerfließen in camouflierenden Oberflächen, das sich auf unsere wiederzugewinnende Kontrolle über die von uns im Netz zirkulierenden Bilder bezieht“ – wiederum eine Anspielung auf die überhand nehmenden und sich durchaus bedrohlich entwickelnden Auswirkungen der „Social Media“ auf unseren Alltag.
Noise again, Künstler_innen Kollektiv BOF (Berlin Offenbacher Freundschaft), HfG Offenbach, HfMDK Frankfurt
Eine dritte Arbeit unter den 26 allesamt beachtlichen Positionen sei noch kurz vorgestellt: „Via Brigitta“. In ironischem Bezug auf den benachbarten, ab 9. Mai 2018 für die Allgemeinheit zugänglichen historischen Krönungsweg durch die „neue Altstadt“ und die erste urkundliche Erwähnung („Franconofurd“) der Stadt Frankfurt im Jahr 794 fiktioniert die Künstlergruppe die vierte Ehefrau des Frankenkönigs und späteren Kaisers Karls des Großen, Fastrada, zur Kunstfigur Brigitta Fastrada, die ihrem Mann die an der Mainfurt gelegene Siedlung als Ort der damaligen Synode gewiesen haben soll. Entsprechend werden Führungen entlang des Krönungswegs veranstaltet, bei denen die Besucher auf mitgeführten Leitern über den während der Ausstellung noch aufstehenden Bauzaun blicken können: „Konstruktion von Wirklichkeit und Fiktion und ihre Bedeutung für die Stadtentwicklung“.
Via Brigitta, Johann Karl, Simon Zeller, Lisa Voigt, Kathrin Baumgartner, Institut für Angewandte Theaterwissenschaft, Curatorial Studies an der Goethe Universität Frankfurt, HfG Offenbach
Vorbildlich die ausführlichen Statements zu einem jeden der 26 Ausstellungsprojekte, die den Besuchern zum Mitnehmen zur Verfügung stehen und aus denen wir auszugsweise zitierten. Das Veranstaltungsprogramm einschließlich aller Aktionen und der Lesungen ist unter der Website 2018.festivaljungertalente verfügbar.
Mit einem der üblichen Rundgänge durch diese vor Ideen und Überraschungen nur so sprudelnde Schau ist es bei weitem nicht getan. Zeit sollte ein Besucher der Austellung mitbringen – einen ganzen oder zwei halbe Tage sollte er schon einkalkulieren. Angesichts des erheblichen Aufbau- und Installationsaufwands, den die angehenden Künstlerinnen und Künstler leisteten, erscheint die Präsentationsdauer von lediglich drei Tagen – wenn auch einschließlich der „Nacht der Museen“ am 5. Mai – doch allzu knapp bemessen.
Festival der jungen Talente 2018, Frankfurter Kunstverein, Eröffnung am 3. Mai um 20 Uhr, Ausstellungsdauer bis 6. Mai 2018.
Ausstellungsansichten der noch im Aufbau befindlichen Schau; Fotos: Erhard Metz