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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Goncourt-Preisträger Eric Vuillard liest in der Romanfabrik

Für seine Erzählung L’Ordre du jour hat Éric Vuillard im vergangenen Jahr den wichtigsten französischen Literaturpreis, den Prix Goncourt, erhalten. In deutscher Übersetzung erschien sein Werk jetzt bei Matthes & Seitz unter dem Titel Die Tagesordnung. Es ist eine politisch-historisch grundierte Erzählung des 1968 in Lyon geborenen Autors. Zwei historische Momente stehen im Mittelpunkt der Erzählung, zum einen das Geheimtreffen Adolf Hitlers vom 23. Februar 1933 mit den wichtigsten deutschen Industriellen zur Finanzierung des bevorstehenden Wahlkampfs vom März 1933, zum anderen der Anschluss Österreichs im Jahr 1938.

Eric Vuillard mit seiner Übersetzerin Nicolas Denis, Foto: Petra Kammann

20. Februar 1933: Auf Einladung des Reichstagspräsidenten Hermann Göring finden sich 24 hochrangige Vertreter der Industrie zu einem Treffen mit Adolf Hitler ein, um über mögliche Unterstützungen für die nationalsozialistische Politik zu beraten: Krupp, Opel, BASF, Bayer, Siemens, Allianz – kaum ein Name von Rang und Würden fehlt an den glamourösen runden Tischen der Vermählung von Geld und Politik. So beginnt der Lauf einer Geschichte, die Vuillard fünf Jahre später in die Annexion Österreichs münden lässt. Bild- und wortgewaltig führt er den Leser in die Hinterzimmer der Macht, wo in erschreckender Beiläufigkeit Geschichte geschrieben wird.

Dabei erzählt er eine andere Geschichte als die uns bekannte, er zeigt den Panzerstau an der deutschen Grenze zu Österreich, er entlarvt Schuschniggs kleinliches Festhalten an der Macht, Hitlers abgründige Unberechenbarkeit und Chamberlains gleichgültige Schwäche. Mit der ihm eigenen virtuosen Eindringlichkeit und satirischem Biss seziert Vuillard die Mechanismen des Aufstiegs der Nationalsozialisten und macht deutlich: Die Deals, die an den runden Tischen der Welt geschlossen werden, sind faul, unser Verständnis von Geschichte beruht auf Propagandabildern. In »Die Tagesordnung« zerlegt Éric Vuillard diese Bilder und fügt sie virtuos neu zusammen

Vuillard zeichnet die Kleinlichkeiten und Unentschlossenheiten der Individuen nach, deckt die Willfährigkeit und Selbstbezogenheit der Akteure auf.

»Vuillard zeigt, wozu Literatur in ihren großen Momenten fähig ist: blitzhafte Verwandlung träger, alter, viel zu oft erzählter Geschichte in schockierende Neuigkeit« schrieb Volker Weidermann in Der Spiegel

 

Lesung und Gespräch am Mittwoch, 25. April um 20.00 UHR mit dem Autor in der Romanfabrik Hanauer Landstraße 186, 60314 Frankfurt am Main Moderation: Dr. Michael Hohmann. Deutscher Sprecher: Stéphane Bittoun (Regisseur und Schauspieler), Eintritt: 4,- € für DFG-Mitglieder der DFG; 7,- € für Freunde der DFG (Zahlung an der Abendkasse)

In Zusammenarbeit mit dem IFRA / Institut Français und der Deutsch-Französischen Gesellschaft Frankfurt.

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