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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

FRANKFURT LIEST EIN BUCH – Anna Seghers, Das siebte Kreuz

Ein Buch wird in Szene gesetzt

Schauspieler und Regisseur Martin Wuttke liest Anna Seghers© HR/Ben Knabe 

Bereits zum neunten Mal findet vom 16. bis 29. April 2018 Frankfurt liest ein Buch in der Mainmetropole und Umgebung statt. Weit über 100 Veranstaltungen in Frankfurt, Mainz und der Rhein-Main-Region laden dazu ein, sich mit dem Roman zu beschäftigen: an Originalschauplätzen, in Cafés, Buchhandlungen, bei literarischen Exkursionen und Stadtspaziergängen, Ausstellungen und vielen verschiedenen Aufführungen. Im Mittelpunkt des zweiwöchigen Frankfurter Lesefestivals steht dabei der eindrucksvolle Roman der in Mainz geborenen und ins mexikanische Exil geflohenen widerständigen Autorin Anna Seghers Das siebte Kreuz. Helfen, selbst wenn man das eigene Leben riskiert, auch darum geht es in Anna Seghers‘ berühmtem Roman „Das siebte Kreuz“.

Das Buch

Sieben Gefangene sind aus dem KZ Westhofen entflohen. Das ist ein Schlag ins Gesicht ihrer Unterdrücker, die sich unerbittlich an ihre Fersen heften und ein Exempel an ihnen statuieren wollen. Unter Aufbietung all ihrer Kräfte greifen die Flüchtigen nach der Freiheit. Aber nur einer von ihnen kann entkommen.
Anna Seghers hat den Verfolgten der Nazi-Zeit ein Denkmal gesetzt. Das Buch ist eine der mutigsten Geschichten gegen das Hitler-Regime und bis heute spannender Lese- und gewichtiger Lehrstoff in einem.

Der Roman Das siebte Kreuz, der zuerst 1942 in englischer Sprache, kurz darauf im mexikanischen Exilverlag El Libro Libre in deutscher Sprache erschien, machte die Autorin weltberühmt. Er wurde zu einem Bestseller. Der Stoff wurde 1942 in einer Comic-Fassung und in der Verfilmung des österreichischen Emigranten Fred Zinnemann 1944 in den USA populär, noch bevor der Roman seine Leser in Deutschland erreichte. Von allen Werken von Anna Seghers ist er unumstritten das bekannteste.

Sie habe mit dieser Fluchtgeschichte, sagte Anna Seghers, die Struktur des ganzen Volkes aufrollen wollen. Aus der Perspektive des sozialen Romans schafft sie die bedeutendste analytische Darstellung der nationalsozialistisch formierten Gesellschaft. Der Roman zerlegt die Motive der funktionierenden Mitmacher, der kalkulierenden Karrieristen, der eingeschüchterten früheren Oppositionellen, der Funktionsträger des Regimes und derjenigen, die dem Flüchtling helfen.

Anna Seghers, Foto: ©Aufbau Verlag

Die Autorin

Anna Seghers, 1900 als Netty Reiling in Mainz geboren, als Jüdin und Kommunistin in Nazideutschland doppelt gefährdet, schrieb Das siebte Kreuz 1938/39 im französischen Exil. 1941 musste sie Europa verlassen: Mit ihrer Familie entkam sie auf einem Dampfer von Marseille ins mexikanische Exil.

Ihr Roman einer Flucht aus einem Todeslager der Nazis avancierte im Jahr darauf in den USA sofort zum Bestseller. In deutscher Sprache wurde Das siebte Kreuz zunächst im mexikanischen Exilverlag El Libro Libre publiziert. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg konnte der Roman auch in ihrem Heimatland erscheinen, im erst kurz zuvor gegründeten Aufbau-Verlag in Ost-Berlin. Das Buch war auch hier ein großer Erfolg.

Anna Seghers selbst kehrte 1947 nach Berlin zurück. Sie wollte zu einem offenen Neuanfang beitragen, doch stattdessen waren Frontenbildungen in Politik und Kultur zwischen Ost und West die Realität.

Ihr Engagement stand für sie nie zur Debatte, sie setzte auf Geduld und Zeit. So war und blieb sie trotz grundsätzlichem Bejahen der neuen politischen Kräfte eine wichtige Stimme der Mäßigung gegen Reglementierung von Literatur und Kunst und vertraute darauf, dass ihre literarischen Texte für sie sprechen würden, wo sie es selbst unter den gegebenen Umständen nicht vermochte. Anna Seghers starb 1983 in Berlin.

»Ich habe große Sehnsucht nach einer besonderen Art von Welt, in der man arbeiten und atmen und sich manchmal wie verrückt freuen kann«, war und blieb ihr Credo.

Marcel Reich-Ranicki betonte in seinem Urteil über Das siebte Kreuz u.a. den Aspekt des Ringes um Freiheit»dieses große literarische Kunstwerk, ist ein Roman gegen die Diktatur schlechthin.« 

Live-Veranstaltungen und Empfehlungen zum Nachlesen und Nachhören:

Zu einem der Höhepunkte des Frankfurter Lesefestivals in diesem Jahr gehören die Lesung des Romans mit dem Schauspieler Martin Wuttke im Radio, wo hr2-kultur zwischen dem 16. April und 11. Mai,  jeweils von Montag bis Freitag um 9.30 Uhr (Wdh.: 15 Uhr) den von Martin Wuttke gelesen Seghers-Text sendet. Außerdem findet eine öffentliche Veranstaltung mit Martin Wuttke am 23. April um 19.30 Uhr in der Deutschen Nationalbibliothek statt. Neben der Lesung ausgewählter Passagen aus „Das siebte Kreuz“ sprechen Wuttke, Sylvia Asmus vom Deutschen Exilarchiv der Deutschen Nationalbibliothek und Hans-Willi Ohl von der Anna-Seghers-Gesellschaft über die Entstehungs-und Wirkungsgeschichte des Romans. Moderiert wird die Veranstaltung von Ruthard Stäblein. Die Aufzeichnung der Veranstaltung ist am Sonntag, 29. April, um 12.04 Uhr (Wdh. am Samstag, 5. Mai, 18.04 Uhr) in hr2-kultur zu hören.

Authentisch wird ein Gespräch am Dienstag, 24. April, um 12.05 Uhr (Wdh.: 23.04 Uhr) mit Anna Seghers‘ Sohn Pierre Radvanyi im Radio sein, wo er im „hr2-Doppelkopf“ über Anna Seghers̕ Leben, ihre Schreibgewohnheiten und ihre unkonventionelle Art berichtet. Der 1926 geborene Sohn der Schriftstellerin ist ein bekannter französischer Physiker, der 2005 Erinnerungen an seine Mutter veröffentlichte, zu deren Freundeskreis unter anderem Bertolt Brecht, Helene Weigel und Pablo Neruda zählten.

Beim Audio Verlag ist Das siebte Kreuz als ungekürzte Lesung auf elf CDs in einer Koproduktion von hr2- kultur und SWR2 erschienen. Auch hier liest der Schauspieler und Regisseur Martin Wuttke.

Die Neuausgabe von Das siebte Kreuz (Aufbau Verlag 2015) bietet Anna Seghers’ berühmtesten Roman in einer auf Grundlage der Werkausgabe neu durchgesehenen Textfassung und wurde von Thomas von Steinaecker mit einem Nachwort versehen.

Auch die Comic-Version von 1942, die erstmals auf Deutsch und in Buchform vorliegt, hat Thomas von Steinaecker um ein Nachwort erweitert. Sie enthält neben Texten aus dem Roman die Originalillustrationen von William Sharp.

 

Das vollständige Programm des Lesefestivals ist unter www.frankfurt-liest-ein-buch.de einsehbar.

 

 

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