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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Schöne Grüße – Künstlerpostkarten

Ein ungewöhnliches Kunstwerk in kleinem Format

Wie sehr die von bedeutenden Künstlern des 20. und 21. Jahrhunderts gestalteten Postkarten als Medium in der Kunst des gesamten 20. Jahrhunderts eine eigene Rolle spielte, zeigt eine kleine und feine Galerie-Ausstellung. Von den jugendstilhaften Designs der Jahrhundertwende über den Ausdruck der individuellen Künstlerpersönlichkeit der Klassischen Moderne bis hin zu den konzeptuellen Ansätzen der Nachkriegszeit bildet sich in der Künstlerpostkarte die Entwicklung der Kunstgeschichte der Moderne ab.

Liegender weiblicher Akt mit Hund 1. 1911,  Tusche und Farbkreide auf Blanko-Postkarte © Fotograf, Achim Kukulies, Düsseldorf

 Wenn wir die Zeilen lesen: »Ihre liebenswürdige Karte hat mich sehr erfreut. In der Stilleben-Ausstellung bei Commeter sind 3 Arbeiten von mir. Wenn Sie sie sehen bin ich begierig zu hören wie sie Ihnen gefallen. Frdl. Gruss Ihr EL Kirchner / Besten Gruss E Heckel«, so klingt das heute kaum anders als eine per Handy verschickte What’s App-Mail, mit der man etwas gerade Gesehenes blitzschnell an Freunde verschickt. Da hat jedoch oft das Handy das Foto gemacht.

Hier hingegen ist der Verfasser dieser Zeilen kein Geringerer als der Künstler Ernst Ludwig Kirchner (1880-1938), Gründungsmitglied der Künstlergruppe Brücke, der damit seiner Hamburger Sammlerin Käthe Bleichröder eine künstlerische Message übermittelte.

Die Vorderseite der Postkarte nämlich war von seinem Ateliergenossen Erich Heckel mit dem Motiv eines „Liegenden weiblichen Aktes mit Hund“ gestaltet worden und wirkt heute wie eine kleine Kostbarkeit, strahlt sie doch die Aura des authentisch und einzigartig Gemalten ebenso aus wie ein gemaltes Bild. Und sie gibt zudem auch Einblick in den Alltag einer Künstlergruppe. Kein Wunder daher, dass auch Karten an den ehemaligen Direktor der Düsseldorfer Akademie Walter Kaesbach geschrieben wurden, der ein bekannter Förderer der Expressionisten war.

Oskar Schlemmer, Ohne Titel (Engelskopf im Profil), ca. 1930, Farbkreide und Bleistift auf Blanko-Postkarte

Es war zu Beginn des Jahrhunderts also durchaus üblich, dass die jungen Künstler der „Brücke“-Generation gerne Grüße als kleine Zeichnungen per Postkarte verschickten, um Entwürfe und Ideen von aktuellen Werken auf den Weg zu bringen, oder um den Kontakt zwischen Freunden und Sammlern nicht abbrechen zu lassen.

Man muss sich vorstellen, dass die Post damals mehrfach am Tag ausgetragen und eine Karte halb so teuer im Porto war wie ein Brief und damit für oft armen Künstler sehr günstig, zumal man nicht auch noch  aufwendig einen kompletten Brief verfassen musste. Da mag vielleicht so manch kühn dahingeworfener freizügiger Akt dem austragenden Postboten die Schamesröte ins Gesicht getrieben haben. Das bremste jedoch die experimentierfreudigen Künstler wohl kaum.

Gleich ob Akte, Porträts, Landschaften, Großstadtvergnügungen wie Varieté, Zirkus oder Theater, die von der schnellen Kommunikation befeuerten Pioniere dieser „Kunst“-gattung, die jungen Expressionisten, malten ihr gesamtes Themenspektrum auf die kleine Rückseite einer Blanko-Postkarte. Und so manches Postkartenmotiv diente später als Ideenskizze für ein bedeutendes größeres Gemälde.

Ganz anders nutzten die Künstler ab den 60er Jahre des letzten Jahrhunderts dieses Massenmedium, um Kunst und Alltag miteinander zu verbinden, als Multiple wie etwa Joseph Beuys, der seine Materialsprache auf das kleine Format übertrug und eine Filz-Postkarte mit sofortigem Wiedererkennungswert produzierte. Er wollte auf diese Weise ein größeres Publikum erreichen und es zugleich mit seinem künstlerischen Konzept vertraut machen.

Anders wiederum der japanische Künstler On Kawara, der sich intensiv mit den Thema Zeit auseinandersetzte, mit An- und Abwesenheit, mit Information und mit dem Thema Körper. Da kam ihm die Postkarte  als Medium für seine „I GOT UP“- Serie als Dokumentation seiner Selbstvergewisserung nur zu Pass. Er bestätigt seine Existenz täglich, indem er Datum die Uhrzeit seines Aufstehens auf der Postkarte dokumentiert. Während des Schreibens wird die Information dabei schon zur Geschichte. Die Zeit, der Ort und das Ich als Konstante bleiben – allein die Postkarte wird Erinnerung.

Karl Schmidt-Rottluff, Gärtner, 1922 Aquarell, Tusche und Bleistift auf Karton

Die Ausstellung „Schöne Grüße. Künstlerpostkarten“ in der renommierten Düsseldorfer Galerie Ludorff mit ihren ca. 35 Exponaten diverser Künstler des 20. Jahrhunderts wie Joseph Beuys, Sam Francis, Klaus Fußmann, Erich Heckel, Horst Janssen, Hermann Hesse, On Kawara, Imi Knoebel, Oskar Kokoschka, Otto Mueller, Ernst Wilhelm Nay, Dieter Roth, Oskar Schlemmer sowie Karl Schmidt-Rottluff hat dank der jeweiligen individuellen Künstlerhandschrift einen hohen Charme und sie zeigt zudem ein Stück Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts in kleinstem Format.

Petra Kammann

Die Schau wurde vom 14. April 2018  bis zum 9. Juni 2018 verlängert und ist in der Galerie Ludorff in Düsseldorf  zu sehen. Zur Ausstellung ist ein umfangreicher Katalog mit einem Text von Janina Dahlmann erschienen.

Bildnachweis: Die Abbildungen wurden von Galerie Ludorff zur Verfügung gestellt.

 

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