‚Kunst und Katholizismus in der niederländischen Republik‘ – Eine Internationale Tagung im Frankfurter Städel
Rubens versus Rembrandt? Kunst der nördlichen Niederlande des 17. und 18. Jahrhunderts
Ein Bericht von Hannelore Kaus-Schwoerer
Anlässlich der großen Ausstellung „Rubens. Kraft der Verwandlung“, die derzeit und noch bis zum 21. Mai 2018 im Frankfurter Städel Museum präsentiert wird, fand dort im Februar 2018 eine internationale Tagung statt. Unter einem thematischen und methodischen Zugang sollte dabei das Verhältnis von Kunst und Katholizismus in der niederländischen Republik untersucht werden.
Nicht zum ersten Mal war, außer für Wissenschaftler, die Tagung auch für Mitglieder des Städel Freundeskreises geöffnet, die dann auch reichlich, jedoch vor allem bei Vorträgen, die sich direkt auf Rubens und Rembrandt bezogen, von diesem exklusiven Angebot Gebrauch machten. Auf Einladung des Städel Museums und der Technischen Universität Dortmund versammelten sich Kunsthistorikerinnen und Kunsthistoriker zahlreicher europäischer Museen und Forschungseinrichtungen im Metzler Saal, um sich mit der katholischen Kunst der nördlichen Niederlande des 17. und 18. Jahrhunderts zu befassen.
Lange Zeit suchten wohl Kunsthistoriker nur nach Ausdrucksformen der Reformation in der religiösen Kunst dieser Zeit, wogegen der Katholizismus und die Kunst der Gegenreformation mehr im Interesse der heutigen Forschung stehen.
Mit „Kircheninterieurs als anspruchsvollem Genre der holländischen Malerei“ befasste sich die wissenschaftliche Mitarbeiterin des Städel Almut Pollmer-Schmidt, die gemeinsam mit dem Stellvertretenden Städeldirektor Jochen Sander und in Kooperation mit Esther Meier von der TU Dortmund die Tagung maßgeblich organisiert hatte. Sie beschrieb, wie die vor allem katholische Kirchen darstellenden, kunstvoll gestalteten Interieurs der holländischen Maler Bartholomäus van Bassen und Gerard Houckgeest ein besonderes räumliches Vorstellungsvermögen und architektonische Kenntnisse zum Verständnis voraussetzen und fragte danach, ob diese Bilder wie auch die anderer Kirchenmaler nur als Kunststücke oder auch als Objekte religiöser Bekenntnisse zu verstehen seien.
Peter Paul Rubens, Die mystische Vermählung der heiligen Katharina (Entwurf für das Hochaltarbild der Augustinerkirche in Antwerpen). Um 1628, Öl auf Eichenholz 64 cm x 49,2 cm Städel Museum, Frankfurt© Städel Museum – ARTOTHEK
Der Historiker Jaap Geraerts (University College London) beleuchtete, wie nach dem niederländischen Aufstand gegen die spanische Herrschaft Philipps II. und der Reformation die katholische Kirche in der niederländischen Republik ihrer Gebäude und ihres Personals beraubt worden war. Als Folge davon stellte der katholische Adel seine Schlösser und Häuser mit der Ausstattung von Kapellen und Gemäldesammlungen der katholischen Glaubensausübung zur Verfügung.
Dass bei Aufträgen für katholische Hauskirchen und Ordenskirchen nicht nur katholische Künstler beauftragt wurden, sondern des Öfteren neben der künstlerischen Qualität auch die Wohnortnähe oder persönliche Bekanntschaft zwischen Auftraggeber und Maler eine Rolle spielten, legte der Amsterdamer Kurator Robert Schillemans dar. So erhielten die Amsterdamer Maler Moyaert, Roosendael, Voorhout und Jan Weenix den Auftrag, die Amsterdamer Beginenhofkirche auszugestalten. Für Ordenskirchen dagegen wurden sowohl die katholischen Maler aus Flandern Cossiers, Quellinus und van Savoyen beauftragt als auch die Amsterdamer und flämischen Protestanten Jacob Backer, Jan van Neck und Jacob Jordaens. Letzterer sogar, obwohl er öffentlich zum Protestantismus konvertiert war.
Die Kunsthistorikerin Sarah Moran von der Utrechter Universität berichtete von der Unterdrückung der Beginenhöfe, nachdem der Calvinismus 1578 in den nördlichen Provinzen zur Staatsreligion geworden war. Zuvor seien die Beginen als fromme Frauen zwischen Ordensleben und Laientum vier Jahrhunderte lang Bestandteil des städtischen Lebens in den Niederlanden gewesen. Nur der Beginenhof in Amsterdam durfte weiter bestehen bleiben, musste aber den katholischen Gottesdienst nun hinter verschlossenen Türen abhalten. Hinter einer unauffälligen Häuserfassade verborgen wurde später eine „Versteckkirche“ gebaut. Diese wurde durch Kunstwerke und Altäre von Johannes Voorhout und Claes Moyaert für die religiösen Bedürfnisse wie die Identitätsbildung der katholischen Glaubensgemeinschaft in einem protestantischen Land ausgestaltet.
Prof. Dr. Nils Büttner (Staatliche Akademie der Bildenden Künste, Stuttgart), Foto: Nadine Bracht
In dem der Öffentlichkeit zugänglichen Abendvortrag von Nils Büttner, Kunstgeschichtsprofessor und Rubens-Spezialist, ging es dann um das Verhältnis von „Kunst und Katholizismus bei Rubens, Rembrandt und Vermeer“. Heutzutage verbreitet sei eine „schroffe Trennung zwischen flämisch katholischer und niederländisch protestantischer Kunst“, die jedoch zu Rubens‘ Zeit so nicht gegeben gewesen sei. Hierzulande wurde diese Trennung erst im 19. Jahrhundert vorgenommen, beeinflusst durch Hegel und Schiller in ihrer Rolle als Historiker, welche den Freiheitskampf der Niederländer erhöhend somit Einfluss auf die Geschichtsschreibung genommen hätten.
Rubens, der überzeugter und praktizierender Katholik war, stand oft nachts um 4 Uhr auf, um in die Kirche zu gehen, lebte und arbeitete im Zentrum des Katholizismus Antwerpen und wurde nach katholischem Ritus mit der Lesung von mehr als 60 Messen beerdigt. Er malte mehr als 12 christliche Triptychen, wovon zum Beispiel die ‚Kreuzaufrichtung‘ und die ‚Kreuzabnahme‘ für die Kathedrale von Antwerpen als Inkarnation katholischen Glaubens zeugen. Rubens‘ Bilder wurden „zum visuellen Ausdruck der Gegenreformation“. Jedoch hatte er auch protestantische Kunden, deren Bildvorstellungen er in vielen Aufträgen nachkam, und war in den nördlichen protestantischen Niederlanden sehr beliebt. Selbst in protestantischen Kirchen Norddeutschlands finden sich noch heute Gemälde von Peter Paul Rubens.
Stellvertretender Städeldirektor Prof. Dr. Jochen Sander vor Peter Paul Rubens, Ecce homo (um 1612) aus der St. Petersburger Eremitage, Foto: Petra Kammann
Und Rembrandt, der zumeist als Vertreter protestantischer Kunst gesehen wird, entstammte zwar einer protestantischen Familie, die aber hatte ursprünglich katholische Wurzeln und Verwandte des Malers gingen ihrem katholischen Glauben ungebrochen nach. Und auch Rembrandt bediente viele Aufträge katholischer Kunden.
Der Katholik Jan Vermeer van Delft, dessen Bilder („Dienstmagd mit Milchkrug“, u.a.m.) zu „Ikonen holländischer Identität stilisiert wurden“, arbeitete zwar in einem katholischen Umfeld, hatte aber auch protestantische Auftraggeber.
Hierzu fügte sich gut der Vortrag Gregor J.M. Webers, des Direktors des Rijksmuseums Amsterdam, an, der zum Thema „Der katholische Vermeer“ vortrug. Vermeer hatte zwar in eine katholische Familie eingeheiratet, jedoch ist nicht bekannt, ob er selbst zum katholischen Glauben konvertiert war.
Insgesamt bot diese Tagung, die hier nur in einzelnen Aspekten dargestellt werden konnte, vertiefte Einblicke und eine Vorstellung des Spannungsfeldes zwischen Katholizismus und Reformation, in dem die Künstler zur Zeit Peter Paul Rubens in den Niederlanden arbeiteten.
Zur Autorin:
Hannelore Kaus-Schwoerer hat Germanistik, Kunstgeschichte und Kunstpädagogik an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt und der Hochschule für Bildende Künste Kassel studiert und schreibt Artikel über Kunst, Literatur, Kultur und Gesellschaft für verschiedene Medien.
Infos über weitere Veranstaltungen zur Rubens-Ausstellung:
Rubens und die Kraft der Verwandlung im Zeitalter der Alchemie
Donnerstag, 12. April 2018, 19.00 Uhr, Städel Museum, Metzler-Saal
Peter Paul Rubens hatte einen genauen – und sehr eigenwilligen – Begriff von Alchemie. Sie war für ihn die große Kunst der Verwandlung. Er galt als Musterbeispiel des pictor doctus, des gelehrten Malers. Dieses Wissen zeigt sich in seinen Gemälden und manifestiert sich in seinen unveröffentlichten, theoretischen Schriften. Dieser spirituell aufgeladenen Transmutationskunst an ihrem wichtigsten Wirkungsort Antwerpen wird Berit Wagner vom Kunstgeschichtlichen Institut der Goethe-Universität Frankfurt in ihrem Vortrag nachgehen.
Dr. Berit Wagner ist Assistentin am Lehrstuhl der Städel-Kooperationsprofessur am Kunstgeschichtlichen Institut der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Wissenschaftliche Schwerpunkte ihrer Forschungs- und Lehrtätigkeit sind Kunsttransfer sowie Kunsthandel in Spätmittelalter und Früher Neuzeit und naturmagische Bildkonzepte in der Kunst der Frühen Neuzeit in Italien, Deutschland und den Niederlanden.
RUBENS UND DER WEG ZUM REICHTUM
Donnerstag, 17. Mai 2018, 19.00 Uhr, Städel Museum, Metzler-Saal
Ein brotloser Künstler war Rubens keineswegs. Seine reiche malerische Hinterlassenschaft und sein Wohlstand galten seit Beginn des bürgerlichen Zeitalters als sichtbarer Beleg seines unermüdlichen Fleißes und ließen den Barockmaler zum Tugendvorbild des aufstrebenden Bürgertums avancieren. Hartnäckig hält sich bis heute die falsche Vorstellung, dass Rubens sich dem bürgerlichen Wertekanon verpflichtet gefühlt habe – davon war er weit entfernt. Er lebte in einer höfischen Gesellschaft und nach deren Gepflogenheiten. Ausgehend von Quellen und Dokumenten zeigt der Vortrag von Nils Büttner von der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart den Maler im Kontext seiner Zeit und seines sozialen Umfeldes.
Professor Dr. Nils Büttner ist Inhaber des Lehrstuhls für Mittlere und Neuere Kunstgeschichte an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart. Schwerpunkte seiner wissenschaftlichen Arbeit sind die deutsche und niederländische Kunst- und Kulturgeschichte der Frühen Neuzeit sowie die Geschichte von Graphik und Buchillustration.