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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Städelschule: Rundgang 2018 (6)

Haupthaus Dürerstraße: Zum Abschluß noch einmal Malerei, Skulptur, Objekt, Installation

Von Erhard Metz

Es ist erfreulich zu sehen, welches nach unserem Eindruck stetig weiter wachsendes Interesse die jährliche Rundgangveranstaltung der Hochschule für Bildende Künste – Städelschule – beim Publikum findet. Als Schmiede künstlerischer Kreativität sowie als Hort und Raum zur Entfaltung künstlerischer Gestaltungsfreiheit hat sie sich bekanntlich bereits seit langem einen hervorragenden internationalen Ruf erworben. Mit dieser Folge schließen wir unseren sehr persönlichen Rundgang mit einer weiteren „bunten“ Reihe von Arbeiten, sie sich sehen lassen können und dem Betrachter zum Verweilen und zum „Sich-darauf-einlassen“ auffordern – ohne Anspruch auf Vollständigkeit, dem wir in diesem Rahmen selbstverständlich nicht gerecht werden können.

Laura Schusinski, Galeria Kaufhof, acrylic, oil, plastic on canvas

Nicht ohne Ironie geht Laura Schusinski mit dem werblichen Auftritt der Galeria Kaufhof um – die Marketingleute des Unternehmens sollten es als Zeichen erfolgreicher Marktdurchdringung mit Schmunzeln registrieren.

Wegen ihres Detailreichtums zum längeren Verweilen fordert die sehr schöne Arbeit von Alyona Volkova auf: Viel Symbolträchtiges sehen wir dort, vor allem die uns immer wieder interessierende Muschel, Attribut der Aphrodite wie der römischen Venus, ihr Motiv setzt sich in einem der Handtäschchen fort, auch ein Zitat von van Goghs Sonnenblumen finden wir. Die Langlaufflinte dient – wirklich ganz friedlich? – als Flüsterrohr zwischen der Dame und ihrem fast spiegelbildlichen Alter ego. Über allem ein feiner Schleier, der uns an den frühen wie mittleren Gerhard Richter erinnert.

Alyona Volkova, Triumpf of Matter, Oil on Canvas

Hilda Stammarnäs malt einen zwiespältigen jungen Mann, machomäßig Stiefel und breitbeiniger Sitz, sensibel-melancholisch hingegen das auf die Rechte gestützte Gesicht. Sportsmann, offener Kamin, englischer Ledersessel – very british. Die linke Hand durch eine stählerne Prothese ersetzt, am rechten Bildrand kauert ein Tier nach Art des Anubis, des altägyptischen Gottes der Totenriten und Mumifizierung.

↑ Hilda Stammarnäs, Beneficiaries (2), Acrylic on canvas
↓ Claudia Lemke, To all the flowers, Oil on mdf

Zu all den Blumen – so müßte man den Titel des Bouquets von Claudia Lemke übersetzen. Eine schön mit weiteren Bildelementen auskomponierte, farbenfrohe Hommage an – ja, an wen? Nett das Vexierbild oder Trompe-l’œil oben links: blickt man hinein in eine Nische oder auf einen eckigen Wandvorsprung?

Sarah Ksieska, Alexa’s exit, graphite/chalk/ink on papertextile

Entgegen dem auch heute noch meistverwendeten Malgrund Leinwand malt Sarah Ksieska auf aus gesponnenen Papierstreifen gewebte Papiertextilie und erzielt, in Verbindung mit Malkreide und Maltinte, besondere Wirkungen. Das Motiv: ein Abschied? Auf der Treppe oben eine winkende Frau, eine angedeutete leere Sprechblase, in der Mitte eine nur als Umriß gezeichnete, auf der Treppe kauernde kahlköpfige Gestalt, im Vordergrund eine junge Frau in augenscheinlicher Trauer und Melancholie – das Ganze klassisch durchkomponiert.

Anklänge an Malerei weist die ohnehin auf einem Keilrahmen als Sockel stehende eigenwillige Skulptur von Niclas Riepshoff auf: Ihr Morphsuite, ein enganliegenden Ganzkörperanzug also, besteht aus gefärbter und bemalter Leinwand. Mit dem fantasievollen Kostüm könnte man auf Faschingsparties allerhand Aufsehen erregen oder auf einsamer Straße Begegnenden Furcht und Schrecken einjagen. Oder ist es gar der helmbeflügelte Götterbote Hermes, der Schutzgott – da haben aber wir jetzt mal bei wikipedia nachgeguckt – unter anderem der, na sowas, Kunsthändler! Ja, man lernt doch täglich dazu.

Niclas Riepshoff, The Interlocutor, Dyed and painted canvas, Fiberfilling, Morphsuit on mannequin, Strecher frame, Plinth

Rasoul Ashtary, Lucifer (Plaster, sleeping bag, pine, PVC, ink, metal, Panellus stipticus, cooling fan, adapter

Eine bitter anzuschauende Installation zeigt uns Rundgangpreisträger 2018 Rasoul Ashtary. Lucifer nennt er sie, Träger des Lichts bedeutet dieser Name in der römischen Mythologie. Gerade in der kalten Jahreszeit erinnert uns die Arbeit an schlimme Bilder von Obdachlosen in Straßenecken und -winkeln. Politische Kunst also? Den Panellus stipticus – zu Deutsch „Herber“ oder „Bitterscharfer Zwergknäueling“, ein ungenießbarer Pilz – wo können wir ihn vermuten? Zu allem Elend gesellt sich noch ein kühlender Lüfter. Eine Arbeit, die den Betrachter schon packt.

Destruktion, Dekonstruktion beherrscht eine Installation von Bob van der Wal, eine an Seilen von der Decke hängende zerstörte Telefonzelle der Telekom mit der in ein Glas eingekratzten Jahreszahl 1999. Dekonstruktion, Deformation als Symbol, als notwendige Vorstufe für Transformation, für Übergang in ein Anderes. Dazu die zur Jahrtausendwende führende Zahl. Die Arbeit öffnet Raum für vielfältige Assoziationen – ein Diskussionsbeitrag?

↑ Bob van der Wal, Untitled (implodet phone booth, Safety glass, cello-tape, telekom telefonzelle, string)
↓ Felix Amerbacher, Accattone, shoe, can, wire, glasses

Wir schließen mit einer kleinen installativen Skulptur von Felix Amerbacher. Accatone betitelt er sie, übersetzt: Stadtstreicher, Tramp. Die Materialien sind poveri, einfach, banal: Ein zerlumpter Schuh, eine verrostete Dose, eine Sonnenbrille. In deren Gläsern spiegelt sich – ob er es will oder nicht, unentrinnbar – der Betrachter. Hinzu kommt: Das Ganze erinnert nun einmal an das Kruzifix.

Abschied vom diesjährigen Rundgang zu nehmen heißt zugleich Vorfreude zu entwickeln auf die nach Semesterschluß zu erwartende nächste Absolventenausstellung der Städelschule, die – wie es die Glocken von den Türmen der entsprechenden Kulturszene bereits vernehmbar läuten – nicht mehr wie erstmals seit dem Jahr 2009 im Museum für Moderne Kunst MMK, sondern im Städel Museum selbst stattfinden wird – eine sich anbahnende Kooperation der beide den Namen Johann Friedrich Städels tragenden Kunstinstitutionen, die unter der Ägide von Max Hollein, so der Anschein, noch vermieden worden war.

Bei allem nicht vergessen werden darf die zweite, ebenfalls renommierte Kunstakademie im Rhein-Main-Gebiet, die Hochschule für Gestaltung (HfG) in Offenbach mit den beiden Fachbereichen Kunst (Bühnenbild, Kommunikationsdesign, Kunst, Medien) und Design (Produktgestaltung, Gestaltungselemente, Technologie). Deren traditioneller Rundgang findet vom 6. bis 8. Juli 2018 wiederum in den Räumen der Akademie statt.

Fotos: Erhard Metz

→ Städelschule: Rundgang 2018 (1)
→ Städelschule: Rundgang 2018 (2)
→ Städelschule: Rundgang 2018 (3)
→ Städelschule: Rundgang 2018 (4)
→ Städelschule: Rundgang 2018 (5)

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