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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Elke Büdenbender, die Gattin des Bundespräsidenten, zu Gast beim Diesterweg-Stipendium

Jubiläum: Fünf Generationen in zehn Jahren

Elke Büdenbender, Gattin des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier, besuchte das Diesterweg-Stipendium der Stiftung Polytechnische Gesellschaft im Haus der Volksarbeit in Frankfurt am Main. Das erste Familienbildungsstipendium feierte dort nämlich sein 10-jähriges Bestehen. Die First Lady informierte sich über das Konzept und seine Wirkungen und sie suchte das Gespräch mit Kindern, Jugendlichen und deren Eltern und Geschwistern auf sympathisch offene Weise.

Von Petra Kammann

First Lady Elke Büdenbender mit Prof. Roland Kaehlbrandt, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Polytechnische Gesellschaft

2008, vor zehn Jahren, ging es los mit dem Diesterweg-Stipendium der Stiftung Polytechnische Gesellschaft unter der Leitung des Vorstandsvorsitzenden Prof. Roland Kaehlbrandt. Der hatte damals das erste Bildungsstipendium der Stiftung für Familien in Deutschland auf den Weg gebracht. Es sollte gezielt Kindern, die noch eine Unterstützung in der  deutschen Sprache brauchen, beim Übergang vom 4. bis 5. Schuljahr und in die weiterführende Schule helfen, vorausgesetzt, sie bringen ein gutes Leistungspotenzial mit, wurden von der Schule empfohlen und die Eltern sind einverstanden mitzumachen.

Denn von der Unterstützung sollten nicht nur die Stipendiaten, sondern auch ihre Eltern und Geschwister profitieren. Das tun sie nun bereits in der fünften Generation, wovon man sich im Haus der Volksarbeit am vergangenen Samstag ein lebendiges Bild machen konnte. Gekommen waren die Stipendiaten mit Geschwistern und Eltern und auch Alumni aus den Herkunftsländern Äthiopien, Bangladesch, Marokko, Moldawien und Polen.

Die zur Zeit beurlaubte Verwaltungsrichterin Elke Büdenbender mischt sich unter die Kinder, die mit ihr im Stuhlkreis sitzen. In der Mitte liegen deren persönlich ausgewählte Gegenstände versammelt, über die sie etwas sagen werden. Welche Bedeutung das Diesterweg-Stipendium für sie gehabt hat?

Auf diese Art und Weise kommen sie bestens mit Elke Büdenbender ins Gespräch, die mit ihrem offenen Lächeln und ihrer Anteilnahme sich ganz direkt mit jedem einzelnen Kind so beschäftigt, so dass es keine Scheu hat, sich der elegant gekleideten First Lady gegenüber unvoreingenommen zu äußern und ihr auch Fragen nach ihrer Rolle als Bundespräsidentengattin oder als Richterin zu stellen.

Büdenbender zeigt sich dabei als ebenso so wissbegierig wie die Schüler.

Tahzeeb Rahaman kam mit ihrem Vater. Sie führt das Symbol der Brücke vor

Natalia Kobeszko aus Polen hat eine Kerze mitgebracht. Sie spricht über das Licht, das ihr einen Weg gezeigt hat. In der für Frankfurter Schüler so wichtigem Schullandheim „Wegscheide“ habe sie im Winter „Schlittenfahren“  und in Oberursel beim Seifenkistenrennen mitmachen und sogar eine eigene Seifenkiste bauen können, mit der sie anschließend auch gefahren sei. Das habe nicht nur Spaß gemacht, sondern auch das Vertrauen in ihre Fähigkeiten gestärkt.

Die 12-jährige Annalina Pitel wiederum, die inzwischen das Goethe-Gymnasium besucht, hat als Symbol einen Schlüssel gewählt. Es gebe viele Türen hier, manchmal wisse man nur nicht, welche man öffnen solle. Und dabei helfe auch ihr das Diesterweg-Stipendium, das herauszufinden. So wurde es ihr Traum, Klavier zu spielen. Sie bekam nicht nur ein Klavier zur Verfügung gestellt, ein Musiklehrer meldete sich ob ihrer Begeisterung und gibt seither der engagierten Schülerin freiwillig kostenlosen Klavierunterricht. Inzwischen spielt Annalina sogar auch noch Geige.

Die 13-jährige Najiba Rahman aus Bangladesh wiederum, die heute die 7. Klasse des Schiller-Gymnasiums besucht, hat eine kleine schwarze Vase mitgebracht, auf der für sie die vielen verschiedenen Farben des Lebens, der Kulturen und Länder noch stärker leuchten und zum Ausdruck kommen. Da sie und ihre Mutter zu Hause vor allem bengalisch sprachen, hatte sie sich anfangs sehr allein gefühlt, weil sie im Gegensatz zu den anderen Schülern noch viele Fehler in Deutsch gemacht habe. Da habe ihr das Diesterweg-Stipendium einen „Weg vorgelebt, an dem sie sich festhalten konnte“. Und sie habe zum ersten Mal dort, als gemeinsam gekocht wurde, die für sie so fremdartige Lasagne gegessen.

Die 12-jährige, Najiba Rahman, ebenfalls aus Bangladesh, zeigte das Foto einer für sie symbolischen Brücke, die man ihr gebaut habe. Da sie in ihrem muslimischen Land keine Musik kannte, war sie begeistert, dass sie mithilfe ihrer Patin hier erst einmal Flötespielen und Singen gelernt und dabei ihre Stimme gespürt habe. Inzwischen hat man die Schüchterne zur Klassensprecherin gewählt, worauf sie mächtig stolz ist.

Kaan Kutbay aus der ersten Generation der Diesterweg-Stipendiaten, dessen Eltern aus der Türkei kamen, berichtet, dass er der erste in der Familie war, der Abitur gemacht hat und er nun die Absicht habe, Grundschullehrer zu werden. Er möchte zurückgeben, was er „geschenkt bekommen hat“. Er hilft heute den Jüngeren. Im Gespräch mit ihm erfährt Frau Büdenbender, dass es in der Stiftung auch die Möglichkeit gibt, als Stadtteilbotschafter zu bewerben. StadtteilBotschafter sind Jugendliche von 17-25, die sich mit ihrer eigenen, gemeinnützigen Idee bei der Stiftung als StadtteilBotschafter bewerben können, um dieses Projekt dann mit Unterstützung der Stiftung in ihrem Stadtteil umzusetzen.

Fototermin mit Präsidentengattin zur Erinnerung

Durchgängig war die Erfahrung der Kinder und Jugendlichen wie auch der Alumni, dass sie beim Diesterweg-Stipendium immer Antwort auf ihre Fragen und Hilfe in kritischen Situationen und bei Schul- und Sprachschwierigkeiten bekommen. Die Stiftung versucht, den Diesterweg-Kindern Paten und Patinnen beiseite zu stellen, an die sich die Kinder wenden können und die die sprachliche Entwicklung des Kindes als Vorbild begleiten. Außerdem, so die einhellige Meinung, empfehle es sich auch später, den Kontakt zur Stiftung zu halten.

Da haben außerdem die Eltern die Möglichkeit, an den entsprechend organisierten Elternabenden Kontakt untereinander zu bekommen und sich gegenseitig zu helfen. Denn sie müssen meist nicht nur mühsam die deutsche Sprache erlernen, sondern mit ihren Kindern auch die Orientierung im hiesigen Bildungssystem oder im Alltag Administratives durchschauen. Als Mutter einer Tochter pflichtete die Präsidentinnengattin den Eltern darin bei, dass es selbst für Deutsche auch nicht immer leicht sei.

Als die Kinder sie nach ihren weiblichen Vorbildern fragten, nannte sie keine Namen von Prominenten oder historischen Gestalten, sondern fing bei ihren eigenen Familienmitgliedern an: „Meine Oma, Mutter und die Schwester meiner Mutter waren meine Vorbilder, weil sie zwar traditionell, aber sehr selbstbewusst gelebt haben.“ Weiter sei sie von Frauen, die in Kriegsgebieten ihre Familien zusammenhielten, sehr beeindruckt.

Die Eltern zeigten sich in der Runde dankbar für jede Art der Unterstützung, die sie durch das Diesterweg-Stipendium erhielten, denn sie investierten gerne in die Zukunft ihrer Kinder, denen sie oft selbst nicht helfen können, auch mit ihrer eigenen Zeit. Durch die Begegnungen können wissbegierige und interessierte Schüler und ihre Familienmitglieder außerdem auch ein Interesse für die Situation anderer Familien aus anderen Ländern entwickeln und eigene Themen einbringen.

Darüber hinaus besuchen die Familien gemeinsam Bildungsorte in Frankfurt und Umgebung. In ihren Beiträgen klang es überzeugend, dass die Eltern als Bildungsbegleiter ihrer Kinder hier ermutigt und gestärkt werden. Denn parallel zu den Kinderakademien finden auch Elternakademien statt, in denen sie weitere Bildungsanreize bekommen.

Seither wurden insgesamt 624 Personen – 150 Kinder aus 37 verschiedenen Herkunftsländern – in Frankfurt in das Diesterweg-Stipendium aufgenommen. Es umfasst Kinderakademien zu Sprache und Literatur sowie zu naturwissenschaftlichen und kulturellen Themen. Dank des Einsatzes weiterer Stiftungen, Vereine und Einrichtungen hat das Stipendium außerdem mittlerweile den Weg in zehn deutsche Städte gefunden, Frankfurt inklusive.

Bei heiterster Stimmung überreichten die Kinder der Präsidentengattin schließlich ein hübsches selbstgemachtes Geburtstagsgeschenk mit einem handgestrickten Teddy und einem Fotorahmen mit Fotos von ihr selbst: „Eine kleine Weltreise zum Geburtstag“. Sie versprach, das Geschenk am nächsten Tag, an dem sie tatsächlich Geburtstag hatte, zu öffnen.

Gruppenbild mit der Präsidentengattin

Bevor es dann zur gedeckten Tafel ging, das von der Volksküche vorbereitet wurde, stellte Petra Kammann Frau Büdenbender noch ein paar Fragen zur Wirkung der Präsentation der Kinder auf sie.

← Elke Büdenbender vor der Diesterweg-Büste 

Petra Kammann: Welcher Beitrag hat Sie heute am meisten beeindruckt?

Elke Büdenbender: Was ich ganz großartig finde – das haben mir die Beispiele her gezeigt –, dass in allen Kindern so ein Potenzial steckt und dass es vor allem darauf ankommt, diesen Schatz zu heben. Und was für wunderbare Erfolgsgeschichten daraus geworden sind, wie sich die Kinder entwickelt haben und wie selbstbewusst sie geworden sind! Als besonders empfand ich auch, mit den Eltern zu sprechen. Da die Kinder ja keine Einzelkämpfer sind, ist es ungeheuer wichtig, die Eltern in das Umfeld mit einzubeziehen. So kann man herausfinden, woher sie kommen, welche Fragen sie beschäftigen, welche Rolle die Geschwister spielen, so dass keiner das Gefühl hat, er würde benachteiligt.

Haben Sie inzwischen Erfahrungen mit ähnlichen Gruppen auch in Berlin gemacht?

Tatsächlich gibt es auch das Diesterweg-Stipendium in Berlin-Spandau, wie ich erfahren habe. In Berlin Seiten sich auch etliche ehrenamtliche Organisationen für Kinder ein. Aber für mich persönlich war es das erste Mal zu erleben, dass eben nicht ausschließlich die Kinder gefördert werden, sondern dass auch die Eltern und die Geschwister mitgenommen werden. Die Kinder müssen erst mal nichts aufgeben und können sich so organisch entwickeln und müssen sich nicht wegen ihrer Herkunft schämen. Das finde ich sehr gut. Und ich denke, das ist ein sehr erfolgsversprechender Weg, weil man die Kinder nicht aus ihrer Umgebung nimmt.

Glauben Sie, dass das auch ein Weg sein könnte, sinnvoll der Flüchtlingskrise zu begegnen?

Wenn man Integration will, dann muss man immer das gesamte Umfeld mit in den Blick nehmen. Und wenn Kindern mit ihren Eltern kommen, dann müssen eben alle in diese Initiative zur Bildung aufgenommen werden. Es kommt natürlich immer drauf an, welche Art von Schutz sie erhalten können und ob sie überhaupt Schutz erhalten können. Ich habe eben lange Verfahren am Gericht erlebt, wo man nicht zusprechen konnte. Und das ist natürlich für Kinder ganz furchtbar. Wenn wir jetzt über die Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien speziell sprechen, dann sollte man auf alle Fälle die Familien mit berücksichtigen. Dabei geht es jetzt nicht um einen Nachzug von Familien, sondern um die Familien, die jetzt schon hier sind. Wenn man die Erfolgsversprechenden integrieren will, muss man alle einbeziehen. Sonst kann es nicht gelingen.

Glauben Sie, das Diesterweg-Stipendium könnte auch so eine Art Modellfall sein?

Ich würde auf jeden Fall allen raten, sich das Diesterweg-Stipendium, das es ja jetzt in verschiedenen Städten gibt, sehr genau anzuschauen. Was ich heute hier gezeigt bekommen habe, ist jedenfalls sehr erfolgreich und offensichtlich auch erfolgversprechend.

Haben Sie als Frau des Bundespräsidenten inzwischen auch schon Erfahrungen mit den Nationen gemacht, die heute hier vertreten waren, etwa während Ihrer Reisen?

Wir waren vor allem im europäischen Ausland unterwegs. Und da treffen wir eigentlich immer Kinder und Jugendliche. Aber Familien – oder eine annähernd vergleichbare Situation wie heute – haben wir bisher noch nicht angetroffen. Wenn wir in die verschiedenen Bundesländer fahren, dann kommen wir immer mit vielen Jugendlichen aus ganz unterschiedlichen Zusammenhängen zusammen, was sehr interessant und auch lehrreich ist. Dabei kann man enorm viel über andere Lebensbereiche lernen. Außerdem bin ich wirklich erstaunt, wie viele Menschen sich hier bei uns dafür auch ehrenamtlich engagieren. Ich selbst hätte das neben meinen Fulltimejob gar nicht geschafft. Das hat mich schon sehr beeindruckt.

Glauben Sie, dass sich durch Ihre neue Erfahrungen Ihre Sicht auf Ihren Beruf, nämlich Richterin zu sein, für den Sie sich vorübergehend haben beurlauben lassen, ausgelöst durch Ihre neue Position, für die Sie im Übrigen ja nicht bezahlt werden, nochmal verändern wird?

(Lacht) Das wusste ich ja vorher schon. Und ein Bundespräsident verdient ja auch nicht so schlecht. Aber ich bin auch nicht ganz unerfahren in diesen Richterberuf eingestiegen. Ich hatte schon vorher als 16-Jährige erst einmal  eine Ausbildung begonnen und habe dann später erst mein Abitur gemacht. D.h. da brachte ich schon ein bisschen Lebenserfahrung mit.

Es ist natürlich immer so, dass man später Menschen noch mal von einer ganz anderen Seite kennenlernt. Aber da ich in unseren Verfahren auch ganz viel Schulrecht gemacht habe, habe ich viele Schüler kennengelernt und auch die Eltern. Und schließlich bin ich ja selbst auch Mutter.

Das hat man an der Art und Weise gemerkt, wie sie so selbstverständlich und natürlich mit den Schülern gesprochen haben.

Warum sollte das nicht gelingen? Eigentlich hat doch jeder seine eigenen Erfahrungen, sei es als Schüler, als Lehrer, mit Geschwistern, als Elternteil von Schülern, oder als Tante, als Onkel. Das ist das Leben. Das hat für mich immer einen großen Reiz in meiner Tätigkeit ausgemacht, so nah an den Menschen zu sein. Manchmal, wenn ich so einen jungen Menschen vor mir hatte, dann dachte ich:  jetzt würde ich vielleicht auch gerne mal mit der Mutter reden…

 

Alle Fotos: Petra Kammann

 

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