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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

KULTUR und POLITIK – ein Antagonismus?

Wider den Zentralismus in der Kulturpolitik. Ein Meinungsbeitrag

von Gunnar Schanno

Kultur und Politik scheint uns in seiner Kombination vertraut als Kulturpolitik. Sie steht im Kontext des Staatlichen. Der Doppelbegriff: ein Widerspruch in sich? Im Grundsätzlichen erfordert die Frage ein Ja zur Antwort. Wir sagten, dass Politik im bürgergesellschaftlichen Anspruch inhaltlich nicht Einflussfaktor für die Kultur sein darf. Paradox, wie es scheint, dass sich etwa Kunst als Teilausprägung der Kultur durchaus die Politik in Wort und Bild bis in geradezu zersetzende Kritik vornehmen darf. Schwer erträglich für meist östliche Potentaten, in deren Politikverständnis sich Kultur, also auch Kunst, letztlich der Politik unterzuordnen hat.

Kultur im Kontext des Staatlichen – Bundeskanzleramt in Berlin   Fotos: Petra Kammann

Politik und Staat sind in ihrem Funktionsverständnis zu trennen von Kultur. Wir nannten Religion und Kunst als deren mächtigste Ausprägungen. So widerspricht eben unserem demokratisch zivilgesellschaftlichen Verständnis jegliches Ansinnen zur Errichtung eines Gottesstaats, da, wo der religiöse zugleich auch als der politische Führer in Erscheinung tritt und als einer, der sich präsentiert im Sinne eines Landes, das seine Menschen einer Staatsreligion unterwirft. In diesem Sinne also nicht als Bürger, sondern als Untertanen. Als Erscheinungsform finden wir solcherart Gottes- oder Führerstaaten noch heute auf der weltpolitischen Bühne. Und auf der Ebene der Europäischen Union müsste Prinzip sein, dass ein Staat, der auch nur Gefahr läuft sich als Staat in religiöser Führerschaft zu definieren, bei aller sonstigen Freundschaft zu ihm, kein Platz in einer Union von Bürgergesellschaften eingeräumt werden kann.

Nicht minder widerspruchsvoll sähe also die Zivilgesellschaft einen künstlerisch besessenen Monomanen an der Staatsspitze, der die Gesellschaft nach künstlerischen Visionen gestalten wollte. In Staatsutopien entdecken wir immer wieder künstlerisch ritualisierte Gestaltungsformen, und seien es nur die weißgekleideten Menschen im Sonnenstaat des Tommaso Campanella der Renaissancezeit oder künstlerisch gestaltete Massenszenen zur höheren Ehre totalitärer Staaten und ihrer Führer.

Nach Regeln etwa der Europäischen Union sind Politik und Staat aber geleitet vom Instrumentellen, Utilitären, vom Sachlich-Emotionslosen. Die Steuerung des Staates gelingt über das Politische als Konzept, als Methode, als Theorie und Praxis, als Handlungsvorgabe nach sachlich zu begründenden Erwägungen und nach demokratischen Regeln. Für das öffentliche Leben sind beide, Staat und Politik, in unserem Verständnis demokratisch legitimierte Aktivatoren des Strukturierens, des Limitierens, wenn nötig des Reglementierens, des Novellierens nach Erkenntnislage auf der Höhe der Zeit, sind legitimiert den Zusammenhalt der gesellschaftlichen Teile zu sichern. Staat und Politik stehen in der Pflicht, für die Gesellschaft die zivilisatorisch gesicherten Voraussetzungen zu schaffen, dass sich repressionsfrei das Gemeinschaftliche bilden kann, wie es die Voraussetzung darstellt eben für jene unendlich vielfältigen kulturellen Ausprägungen in Religion und Kunst.

Politik als Richtungsgeber für den Staat im alltäglichsten Sinne begegnet uns auch als Instanz des Verwaltens und der staatlichen Bürokratie. Wie verträgt sich verwalterisch bestimmende Politik in Liaison mit dem Kulturell-Künstlerischen, wie dieses sich doch wesensgemäß ausdrückt im individuell Gestaltenden, im Entgrenzenden, im Metaphorischen, Emotionalen bis ins Anklagende, vielleicht gar besagt zersetzend Kritische? Kulturpolitik als Zwitter zwischen Kultur und Politik: ein Antagonismus?

Initiativen für das Deutsche Romantik-Museum in Frankfurt am Main 

Legitimation und Linderung erfahren der Widerspruch und jener gewisse Antagonismus wohl nur in demokratisch basierter Gewährleistung, auf dass das Politische in seinen Zugriffsmöglichkeiten begrenzt wird, dass das Politische nicht übergreift auf das Inhaltliche und Vielgestaltige von Religion und Kunst (sofern freilich Persönlichkeits- und Grundrechte nicht tangiert werden). Bleiben wir bei der Kunst, so gilt für die Politik das Prinzip, dass sie auf die Kunst als Panphänomen im Kosmos der Kultur nicht ausgreift auf das Inhaltliche, auf das Vielfältige, die Vielgestaltigkeit, ihre topographischen Eigentümlichkeiten, ihre gewissermaßen kleinteiligen, regionalen Erscheinungsformen bis in heimatliche Besonderheiten. Denken wir an Dialekt- oder Regionalsprachen von ethnischen Minderheiten in einem zentralistisch geführten Staat, für deren „Unisten“ solcherlei Sprachvielfalt störend ist wie sozusagen ein Dorn im Ohr.

Die weithin gelobte kulturelle Vielfalt in der Bundesrepublik verdankt sich nicht zuletzt ihren in die Geschichte ihrer Bundesländer reichenden regional und föderal geprägten Entstehungsformen. Das Reizvolle daran: auch Kunst aus dem Regionalen ist immer universell. Es ist also eine Vielfalt und Bereicherung aus dem Regionalen, aus dem Heimatlichen, aus dem Landschaftlichen. Selbst der ökonomisch nutzbare Erfinderreichtum der Deutschen mag aus solcher Quellenvielfalt seine Wurzeln haben. Förderung erfährt Kultur im weitesten Sinne in der Zuwendung seitens der Kommunen, und in Verantwortungsgemeinschaft auch über Ressourcen aus Land oder Bund. So setzt etwa die „KulturRegion FrankfurtRheinMain mit fast fünfzig Kommunen nicht auf Vereinheitlichung, sondern auf Synergien in der kulturellen Vielfalt. Kulturpolitik ist somit konkretisierter Beweis der Bedeutung und Notwendigkeit, dass die Kultur unter Schutz und Schirm der Politik steht und dass ihr zusätzlich eine zur Entfaltung gewährte Förderung in all ihrer Vielfältigkeit zuteilwird.

Deutsche Kulturpolitik ist also in dieser Weise nicht eine von fern gesteuerte Maßgabenregelung, nicht Vereinheitlichung, nicht anonymisiert allein aus einer Hauptstadtzentrale, sondern steht in gegenseitiger Ergänzung aus vielerlei Quellen des Fördernden ganz vor Ort. Ein Bundeskultusministerium, wie es verschiedentlich von politisch-ideologischer Seite für erforderlich gehalten wird, sähe das vielleicht im Laufe seines Wirkens hinderlich im zentralen Wollen und Ausgestalten eigener Machtkompetenzen. Wir kennen den Trend von zentralistisch geführten Verwaltungsapparaten, die in ihrer Eigenständigkeit und Selbstrechtfertigung den Rahmen von Kompetenz, Einfluss und Macht systemdynamisch und selbstgenerierend zur Ausdehnung bringen. Anstoß zu Diskussionen um Schaffung eines Bundesministeriums für Kultur lösen in der Regel Fragen der Vereinheitlichung schulischer Vorgaben aus, für die freilich im Sinne der Chancengleichheit im Ausbildungsgang beste Begründungen bundesweit vereinheitlichter Regelungen angebracht sind.

Im gegenwärtigen Kompetenzrahmen hält sich rangbedingt die Begehrlichkeit eines Kulturstaatsministers in der Funktion eines oder einer „Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien“ und angesiedelt im Bundeskanzleramt als Bundesbehörde seit 1998, zu ausgreifender bundeseinheitlicher Kulturpolitik in Grenzen. Zu Recht gehört zur staatsministeriellen Aufgabe, übergeordnet und überregional Deutschland in seiner Gesamterscheinung als Kulturnation zu präsentieren, wie dies etwa auf der diesjährigen Frankfurter Buchmesse im Rahmen der Freundschaft zum Gastland Frankreich geschah. Ein solches Staatsministeramt derzeit mit knapp 300 Mitarbeitern und Aufgabenfeldern wie „Kultur und Recht, Förderung, Kulturgutschutz, Geschichte und Erinnerung“ bewahrt also in sympathischer Weise vor kulturpolitisch zentralisierenden Tendenzen.

Museumgarten am Haus der Geschichte in Bonn – Der Garten der Kultur ist vielfältig

Verwaltete Kultur im eigenständigen Ministerium auf Bundesebene aber: wäre sie wohl wie die Aufforderung, Kultur in Zentralregistern und -Einrichtungen zu lenken, ihre Ausgaben und Förderungen über, sagen wir pointiert, bundesweiten Zentraleinkauf ihrer Requisiten für alle Bühnen kostenbewusst zu führen, ihr die künstlerisch Tätigen, die „Kulturschaffenden“ einheitlichen Ausbildungsregeln, Gehaltsklassen, Tarifgruppen zu unterziehen, im Kostengünstigen allein den Segen für die Kultur zu propagieren? Auf unsere heutige Lage bezogen, ginge es ja nur um ein Wehret-den-Anfängen. Wir wissen auch, wie Zentralismus das Engagement des Bürgers lähmt, auch seinen künstlerischen Impetus, wie sehr aber die Dimension im Überschaubaren zu Identifikation, Spontanität, Involvement, zu Begeisterung, zum Engagement führt. So liegen also die Quellen und Freiräume für das föderative deutsche Erfolgsmodell eigenständig belassener kultureller Vielfalt im Kommunalen, im Regionalen, im genius loci, in Vielfalt verteilt über die Weiten von Stadt und Land der sechzehn Bundesländer.

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