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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Wie soll Frankfurt aussehen?

Podien zum Städtebau in der Mainmetropole

Von Uwe Kammann

„Welche Architektur trifft des Menschen Kern?“ – Eine schöne Frage, sicher auch eine zeitlose. Das Kuratorium Kulturelles Frankfurt, eine Tochter der Polytechnischen Gesellschaft, fächerte sie in ihrer Einladung zu einem Streitgespräch auf. Welche Gestaltung für Gebäude und Stadtquartiere sei nachhaltig, welcher architektonische und städtebauliche Entwurf werde auch Jahrzehnte nach der Realisierung noch geschätzt werden?

Jeder versteht etwas Anderes unter dem Leben in der Stadt…

Für Christoph Mäckler, in Frankfurt als Architekt an zentralen Stellen mit exponierten Bauten vertreten, so mit der neuen Randbebauung am Opernplatz und mit dem entstehenden Bau des Romantik-Museums, ist die Grundfrage leicht zu beantworten. Sprich: Notwendig sei eine konsequente Besinnung auf die europäische Stadt. Was für ihn bedeutet: eine Stadt mit klaren Unterscheidungen zwischen Innen und Außen, mit deutlich definierten öffentlichen Räumen, deren Innenwände die Außenwände der die Straßen und Plätze säumenden Bauten bilden, mit Höfen, in denen vielfältige Nutzungen möglich sind, mit sichtbarer und erlebbarer Trennung der privaten und öffentlichen Bereiche.

Architekt Christoph Mäckler in der Diskussion

Voller Leidenschaft demonstrierte er an Beispielen von gründerzeitlichen Vierteln, so in Dresden und München, welche räumlichen Vorteile das dort dominierende Prinzip der Blockrandbebauung biete, wie die miteinander korrespondierenden Fassaden eine Aufenthaltsqualität schüfen, die im heutigen Städtebau in der Regel völlig fehle. Gegenbeispiele als Beleg für eine eben so triste Gegenwart führte er dem Publikum im Vortragssaal der Frankfurter Sparkasse mit deutlicher Abscheu vor, so vom Frankfurter Riedberg: Einzelhäuser, nach der Formel: quadratisch, praktisch, gut … und damit eben gar nicht gut, weil solcherart gebaute Viertel „keinerlei Fassung, keinerlei Gestalt“ hätten, weil dazwischen nur „grüne Resträume“ lägen. Wo, so Mäcklers aus diesem Befund abgeleitete Grundfrage, „ist eigentlich der Gestaltungswille der kommunalen Behörden“?

Für diesen städtischen Part war an diesem Abend Dieter von Lükpe zuständig, der als – seit drei Jahren pensionierter – Leiter des Planungsamtes über zwei Jahrzehnte prägend für die Stadt war. Für ihn ist die Qualität einer Stadt in vielem das Ergebnis von Prozessen, von Funktionen, von Beziehungen, die nicht auf den ersten Blick ersichtlich sind. Für ihn, so machte er auf dem Podium deutlich, ist ein ablesbarer, klar gestalteter, an gemeinsamen Prinzipien und Gestaltungslinien ausgerichteter Stadtraum weniger wichtig als das sich in sozialen Bezügen erweisende Zusammenleben, das sich eben auch in einem Viertel wie dem Riedberg erweise.

Die Anforderungen, die Wünsche der Bewohner seien vielfältig, nicht selten konträr, Kompromisse deshalb notwendig. Und, nicht zuletzt: Planungen seien das eine, die Bedingungen des Marktes und die Möglichkeiten der Steuerung seien das andere. Beim Riedberg beispielsweise hätten die Investoren (die ohnehin gegen eine wünschenswerte Mischnutzung große Vorbehalte hätten) anfangs lange gezögert; dies sei einer der Gründe, warum in der ersten Stufe keine großstädtische Struktur entstanden sei. Vielleicht, fügte er hinzu, gebe es inzwischen „ein gewisses Umdenken“. Grundsätzlich gelte: „Man kann nicht alles per ordre de mufti vorschreiben.“

Quadratisch, praktisch, gut … und unverbunden: die Häuserblocks am Riedberg. Foto: Petra Kammann

Christoph Mäckler ist eine solche Relativierung von Einwänden und Kritik an dem, was er als städtebaulichen und gestalterischen Offenbarungseid sieht, viel zu passiv, zu defensiv. Mit gleichsam heiligem Zorn geißelte er das auf dem „Rundschau“-Eck entstehende Gebäude als „Kiste aus Glas und Blech“, die keinerlei Rücksicht auf die Umgebung nehme. Das sei nicht in erster Linie die Schuld der Fachjury (von Lüpke nahm sie in Schutz: es gebe immer unterschiedliche Blickwinkel), sondern das Ergebnis einer falschen Ausschreibung: „Die Stadt muss sagen, was sie will, sie muss klare Vorgaben machen“. Und wieder sein Plädoyer, unbedingt über die Gestaltung der öffentlichen Straßen- und Platzräume zu reden, schlicht: auch über Schönheit.

Eine ähnliche Kontroverse hatte es schon im Frühjahr gegeben, als Mäckler mit dem jetzigen stellvertretendem Leiter des Stadtplanungsamtes, Markus Radermacher, auf einem stadtpolitischen Symposium (veranstaltet von der Stiftung Urban Future Forum) im Architekturmuseum über die Möglichkeiten von Vorgaben und klaren Leitlinien bei der Stadtplanung stritt. Auch dort hatte er, mit derselben Passion wie jetzt, für das Idealbild der europäischen Stadt mit ihren klar ablesbaren öffentlichen Räumen gefochten. Ausgehend von der Grundklage: „Wir haben es verlernt, Städte zu bauen.“

v.l.n.r.: Vittorio Magnago Lampugnani, Christoph Mäckler, Jens Jakob Happ (Moderator), Markus Radermacher bei einer Diskussion im DAM

Ganz ähnlich argumentierte dort der frühere Leiter des Architekturmuseums, Vittorio Magnago Lampugnani, der inzwischen als Architekt und Städteplaner ein neues Quartier in der Schweiz realisiert hat, das die Grundprinzipien der Blockrandbebauung aufnimmt, allerdings bei größeren Einheiten: eine kleinere Parzellierung, als Basis auch von den beiden Frankfurter Stadtplanern gewünscht, scheitert in der Regel an ökonomischen Zwängen. Wichtig war für Lampugnani bei diesem Symposion auch die Forderung nach einer klaren Struktur der Häuser, nach einheitlichen und erkennbaren Typen, nach „harmonischen Achitekturen“, die miteinander korrespondierten statt visuelles Chaos zu schaffen.

Mit Hinweis auf die „wunderbare Einheitlichkeit“ des Pariser Stadtbildes plädierte er für Straßenräume und Plätze, die Identität erlaubten und förderten. Zu den Forderungen gehörte auch das Streben nach „angemessener Dichte“ und einer vielfältigen Nutzungsmischung, vor allem über eine öffentliche, „sich im Alltag selbst tragende Nutzung der Erdgeschosse“.

Auch stark kritisiert: das neue Europaviertel 

Markus Radermacher stimmte den von Mäckler und Lampugnani unterstrichenen Wünschen und den gezeichneten Leitlinien im Grundsatz zu, unterstrich dann aber das große Aber: basierend auf den deutlich ökonomisch ausgerichteten Interessen der privaten Entwickler, auch auf den Eigeninteressen der eine Wiederwahl anstrebenden Politiker – und die stießen bei vielen Vorhaben häufig auf heftigsten Widerstand von Bürgern, die gegen Bauen in der Nachbarschaft und in der Regel gegen planerisch wünschenswerte Verdichtung seien.

„Planer“, so Radermacher damals, „stehen nicht alleine da“, sie unterlägen in ihrer Arbeit unausweichlich auch den „gesellschaftlichen Entwicklungen“, mit all ihren Widersprüchen, unterschiedlichen Interessen, in sich verqueren Bezügen und sozialen Bezügen und Befindlichkeiten. Angesichts auch vieler zeitgebundener Moden sei eines tröstlich: „Man muss den Städtebau nicht neu erfinden.“ Und, ähnlich wie Dieter von Lüpke in der Herbstdiskussion, warnte er vor „Selbstüberschätzung“ der Planer, alles regulieren zu wollen, und verteidigte die Bürgerbeteiligung als notwendig (Mäckler dagegen: „Wir sind die Fachleute, wir müssen die Bürger nicht fragen“).

Planungsdezernent Mike Josef im Gespräch mit einer Bürgerin

Dass Bürgerwünsche eine deutliche Neigung erkennen lassen – Grün, Grün, Kaltluftschneisen, Grün –, das belegte mehr als deutlich die Endvorstellung der Pläne für ein als „Innovationsquartier“ bezeichnetes Neubauviertel am Günthersburgpark Ende September. Nachdenklich beobachteten im großen Saal des Stadtplanungsamtes Markus Radermacher und Mike Josef – seit Juli letzten Jahres neuer Frankfurter Planungsdezernent – die Präsentationen der im Finale beteiligten sechs Architekten.

Nicht so leicht, Ordnung in die unterschiedlichen Bedürfnisse zu bekommen…

Viel war von Oasen und Grünplanung die Rede, so, als ob die Büros all die Pinnkarten gelesen und beherzigt hätten, welche engagierte Bürger an die Tafeln zu den jeweiligen Vorschlägen geheftet hatten. Dominierend in der Generallinie: das Zurückweisen von Bauen schlechthin. Der von einer Bürgerinitiative platzierte Sarg setzte das Ausrufezeichen dieser Ablehnung, die schon Josefs Amtsvorgänger Olaf von Cunitz stark zugesetzt hatte. Dringend benötigte Wohnungen ja, sicher. Aber ebenso sicher – und das ist in vielen Großstädten die Grundstimmung –: Nicht bei uns.

All den Protestlern dürfte deshalb die Entscheidung der Jury missfallen haben, die eine relativ klassische Bebauung für die geplanten 1500 Wohnungen ausgewählt hat. Was Mike Josef wiederum begrüßte, weil sich der Enwurf dadurch auszeichne, „dass das Nordend mit seiner charakteristischen Blockrandstruktur ‚weitergebaut’“ werde. Natürlich musste er hinzufügen, dass auch vorhandene Bäume erhalten blieben. Alles andere wäre heute für Stadtplaner tödlich.

Bemerkenswert am Auftritt des neuen Dezernenten ist seine erkennbare Offenheit, auch seine Fähigkeit zum distanzierten Sehen und zur kritischen Neubewertung. Bester Beleg war die Diskussion (wieder organisiert vom Kuratorium Kulturelles Frankfurt) zu einem Megaprojekt im zentralen Areal der Deutschen Bank zwischen Neuer Mainzer Straße, Junghofstraße und Rossmarkt, gleich gegenüber der Freitreppe der Commerzbank.

Hier soll auf engstem Raum ein Ensemble von vier Türmen entstehen, verbunden durch einen geöffneten Sockel, der im Innern eine Platzkomposition umschließt. An einer Ecke des Areals wächst bereits ein anderer Riese, der so genannte Omniturm von Bjarke Ingels Group (BIG), in die Höhe. Das alles ist also Verdichtung pur, schmackhaft gemacht durch die Zauberformel Durchmischung – sprich: zu Büros und Läden/Gastronomie kommen auch Wohnungen, ein kleinerer Teil davon über Förderprogramme etwas erschwinglicher als der Luxusbereich.

Der Omniturm von BIG (Bjarne Engels Group) im Modell, Foto: Petra Kammann 

Im Speziellen, bezogen auf dieses 1,2-Milliarden-Vorhaben, zeigte sich Josef zuversichtlich, dass hier ein vielversprechender Weg eingeschlagen werde, um ein früher monofunktionales Gebiet zu beleben und ihm ganz neue Möglichkeiten einzuhauchen. Offensichtlich herausgefordert durch eine Reihe von kritischen Einwendungen des früheren Berliner Senatsbaudirektors Hans Stimmann – höchst einflussreich gerade in der Hoch-Phase des Wiederaufbaus in Berlin nach der Wende – gestand Josef angesichts der per Erfahrung gewonnenen Anschauung: Vieles habe ihm zu denken gegeben, er sei „überhaupt nicht zufrieden mit den Ergebnissen von Wettbewerben“. Die Stadt müsse viel deutlicher sagen, was geschehen solle: „So hecheln wir hinterher“. „Wir müssen“, so sagte er weiter, „Städtebau ernst nehmen. Wann, wenn nicht jetzt“.

Zuvor hatte er ein in manchen Augen sicher sehr düsteres Bild von den realen Entwicklungsmöglichkeiten der Stadt gezeichnet – eben vor dem Hintergrund, dass das gegenwärtige rasante Wachstum ein Einwohnerplus von 100.000 bis 2030 heraufbeschwören könnte. Angesichts der Tatsache, dass „völlig klar bislang zu wenig Wohngebiete für den Neubau ausgewiesen wurden“ und es „keinen offenen Markt“ gebe, versuche die Stadt nun, „mit neuen Quartieren gegenzusteuern“. Die ersten Ergebnisse, so Josef, seien aufgrund der Planungs- und Beteiligungsschritte „erst in zehn bis fünfzehn Jahren zu erwarten“.

Auf die Diskussion zum Projekt Four und die Stadtentwicklung werden wir zurückkommen.

Zur Lektüre und Anschauung unter dem Stichwort Stadtplanung empfohlen:

→ 25 Jahre Stadtentwicklung
→ Frankfurt am Main 2030 – Integriertes Stadtentwicklungskonzept

Fotos (soweit nicht anders angegeben): Uwe Kammann

 

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