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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Frankfurt auf Französisch: Märchenerzähler – Von Charles Perrault zu den Brüdern Grimm

Die diesjährige Frankfurter Buchmesse hat Frankreich zum Gastland. Das war der Anlass für das Hanauer Historische Museum, im Schloss Philippsruhe eine Kabinettausstellung zu einer besonderen deutsch-französischen Kunst- und Literaturbeziehung zu zeigen. Man präsentiert dort die Verbindung zwischen Charles Perrault und den Brüdern Grimm sowie zwischen dem Künstler Ludwig Emil Grimm und Gustave Doré. Diese besondere Ausstellung ist bis zum 28.1. 2018 zu sehen.

von Winfred Kaminski


Der Clou der Schau ist nicht zuletzt die Doppelung von Märchenautoren und Märchenillustratoren. Auf diese Weise wird die Überlieferung seit dem 17. Jahrhundert bis weit ins 19. Jahrhundert hinein nachvollziehbar. Voller Spannung erlaubt die Hanauer Ausstellung zu sehen und zu lesen, wie und was von Perrault zu Jacob und Wilhelm Grimm vermittelt worden ist.

Zudem können die Besucher in Augenschein nehmen, wie die romantisch-biedermeierlichen Motive des Malerbruders L.E. Grimm bei Gustave Doré viel deutlicher das Drastisch-Grausliche betonen, nicht die feinziselierten Blumenranken stehen bei ihm im Vordergrund, sondern Doré lässt seine Betrachter vor dem menschenfressenden Riesen erschauern.

Der Unterschied zwischen Perraults französischen, an den Pariser Hofadel adressierten Märchen „avec des moralitéz“ und den an die aufkommende bürgerliche Kleinfamilie der Grimms wird hier faßbar. Bis heute populär waren und sind die „contes de fées“ des einen, genauso wie die „Kinder- und Hausmärchen“ der anderen. Aber es zeigen sich auch interessante Spannungen zwischen den Märchen des späten 17. Jahrhunderts, die oftmals sarkastisch-ironisch daherkommen und mit den Verhaltenszumutungen der Oberschichten kokettieren, und denen des frühen 19, Jahrhunderts, die von den Grimms entsexualisiert, verchristlicht und verharmlost worden sind.

Historische Ausgabe von Charles Perraults „Geschichte der Märchen“

 

Daneben leistet die Hanauer Ausstellung einen anregenden Beitrag zur Aufdeckung der spezifischen Überlieferungswege der Märchen von Frankreich nach Deutschland. Hierzu findet sich in der Kabinettausstellung eine hilfreiche Nachzeichnung der Wege der Märchen. Es war die Vertreibung der protestantischen Hugenotten durch Ludwig XIV., die diesen Kulturtransfer erzwungen hatte. Einige hugenottische Familien siedelten sich in der Folge in Hanau an und dort war es dann Marie Hassenpflug (1788-1856), die hugenottische Vorfahren hatte, und die deren Überlieferungen auch an die Brüder Jacob und Wilhelm Grimm vermittelte. Deshalb darf es nicht verwundern, wenn es zahlreiche Übereinstimmungen zwischen den „Contes de fées“ und den „Kinder- und Hausmärchen“ gibt.

 

Der Malerbruder Ludwig Emil Grimm

Diese familiären Überlieferungswege genauestens nachzuzeichnen, ist ein großes Verdienst dieser Ausstellung. Sie bestätigt einmal mehr, was zuvor schon über eine andere Märchenbeiträgerin der Grimms nämlich Dorothea Viehmann – die „Viehmännin“ – herausgefunden worden ist. Diese war nämlich nicht die Bäuerin aus Niederzwehren bei Kassel, und auch nicht allein Handwerksgattin, sondern ebenfalls hugenottischer Herkunft. Ihr Geburtsname war Pierson. Und auch die zahlreichen von ihr berichteten Märchen hatten französischen Ursprung.

Illustration von Gustave Doré “ Der gestiefelte Kater“

Nachdem über viele Jahrzehnte hinweg die „Kinder- und Hausmärchen“ als typisch deutsch vorgestellt worden sind, kann seit den jüngsten Forschungen dies nicht länger aufrechterhalten werden. Überdies hatten Jacob und Wilhelm Grimm selbst nie einen Zweifel daran gelassen, daß ihre Märchen ihnen zwar mündlich mitgeteilt worden waren, aber genauso oft legten sie darüber Zeugnis ab, welche literarischen Vorlagen sie benutzt hatten, um daraus „ihre“ Märchen zu formen. Beiden Wissenschaftlern war ohnehin bewusst, dass ihre Geschichten europäische und internationale Wurzeln hatten und nicht einfach nur einer Nationalliteratur zuzuschlagen wären.

Die Kabinettausstellung im Schloß Philippsruhe ist ein Augenschmaus, dank der Kunst eines Ludwig Emil Grimm und Gustave Dorés, und sie ist ein philologisches Erlebnis dank der klaren Überlieferungskritik von Charles Perrault zu Jacob und Wilhelm Grimm.

Die Hanauer Kabinettausstellung ist noch bis zum 28.1. 2018 (Di-So 11-18Uhr) zugänglich im Schloß Philipssruhe in der Bel Etage im nördlichen Corps de Logis, wo man übrigens auch einen Blick auf die Malerei von Moritz Oppenheim werfen kann.

Die Abbildungen wurden vom Historischen Museum Schloss Philippsruhe in Hanau zur Verfügung gestellt.

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