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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Katrin Ströbel: „A woman’s place“ in der Galerie Heike Strelow

Von Erhard Metz

„A women’s place is in the revolution“ – so lautet der Titel einer Sammlung von Aufrufen, herausgegeben von Natasha Sorell in der Sheffield Marxist Society in Ansehung des „International Working Women’s Day“ – gleichlautend der Überschrift eines in der „Prawda“ veröffentlichten Manifestes von Lenin vom 4. März 1921. Nun zieht beileibe nicht gleich der Marxismus in die Galerie Heike Strelow ein, Gott bewahr‘ uns, wenn sich Katrin Ströbel in ihrer aktuellen Ausstellung auf die ersten Worte der Kampfschrift bezieht. Aber um Frauen geht es der in Stuttgart, Marseille und Rabat lebenden Künstlerin schon – genauer gesagt um das Bild, die Rolle und den Platz der Frau in der Gesellschaft, um die „Beziehungen“ zwischen dem weiblichen Körper und dem öffentlichen Raum, um die Position von Frauen in der Welt der Kunst (im Künstlergespräch erinnert sie an die Diskussion z.B. um Sexismus an Kunstakademien), nicht zuletzt um die Stellung der Frau in der Kolonialgeschichte. Aus Reisen durch Afrika und Amerika, durch Frankreich, Marokko, Nigeria, Senegal, Südafrika, die USA und Peru bezog sie ihre künstlerischen Inspirationen.

↑ Body politics I, 14,4 x 20,5, 2016, Drawing, Collage on paper;
↓ Villa, 2017, Collage, 30 x 16,5 cm
Fotos: Erhard Metz

Wie „Body politics“ und „Villa“ deutlich machen, stehen im Vordergrund der aktuellen Ausstellung Themen der Verhüllung – und damit der Bekleidung – , des Verbergens – und damit eines „Geborgenseins im Verborgensein“ – , der Entblößung und des Schutzes vor Blicken in der Öffentlichkeit wie auch der eigene Blick als Frau nach innen. So gerät das Bild des unbekleideten weiblichen Körpers vor der Kulisse von Frauen in einer vielleicht revolutionär-emanzipatorischen Versammlung in der Collage zum Röntgenblick. Die bodenlange Haarpracht einer europäischen Frau verhüllt den Körper einer nichteuropäischen und erinnert an die Debatten um das Tragen der Burka hier und in anderen Kulturkreisen. „Indem sie sowohl Kritik als auch Ironie benutzt, hinterfragen ihre Werke auch den Standpunkt der Künstlerin selbst, die als weiße privilegierte Frau in nicht-europäischen Ländern arbeitet und koloniale und historische Erzählungen mit aktuellen Debatten über die Immigrationspolitik in Deutschland verbindet“, schreibt Adela Demetja, Mitarbeiterin der Galerie.

Die Künstlerin in der Vernissage mit ihrer Arbeit „Shelter“, 2017, Mantel (Acryl auf Leinen), ca. 200 x 280 cm; Foto: Erhard Metz

Im Kontext von Verhüllung und Schutz stehen sowohl der gemalte Mantel als auch der mit Zeichnungen bedeckte Paravent: Hinter den scheinbar gleichförmigen Fassaden von seelenlos erscheinenden Hochhaussiedlungen – wir denken an die Banlieues etwa von Paris oder Marseille – verbergen sich kleine Heimaten, menschliche Schicksale und individuelles Leben der Bewohner – kleines Glück ebenso wie Leid, Not und Elend. Wohl dringt ein wenig vom Innen in das Außen – in der unterschiedlichen „Möblierung“ der Balkone. Ein Blick aus dem Öffentlichen ins Innere gewähren die Fenster nicht. Individualität und Persönliches werden erkennbar in dem Kleid, das die Künstlerin lässig, fast schon ein wenig neckisch-provozierend über den Paravent wirft. Überhaupt der Paravent – diese kleine, Fantasien freisetzende, verbergende wie provozierende Begrenzung in Boudoirs und allerlei Etablissements: Entkleidet sich hinter ihm eine Frau, erwartet vor ihm jemand den Blick auf die Blöße? Hinter dem Schirm trägt das Kleid ein Bild – ein Mann schaut verstohlen-voyeuristisch aus ihm, seinerseits umhüllt mit einem seiner Bestimmung nach vor Blicken schützenden Vorhang, aus dem Fenster. Ein virtuoses Spiel mit Bildern, Symbolen und Deutungsmöglichkeiten.

↑↓ Belsunce/Saint-Saens, 2017, Paravent, Tusche, Acrylfarbe, Kleid, 4-C Druck auf Baumwollstoff, ca. 175 x 200 x 5 cm; Fotos: Erhard Metz

Der Ausstellungsdramaturgie folgend führt der Parcours den Besucher in den hinteren Teil der Galerieräume, gewissermaßen in das Chambre séparée, an einer Reihe unter anderem symbolhaltiger erotischer Darstellungen vorbei zum Hauptwerk der Künstlerin, einem nostalgisch anmutenden, dreiteiligen klappbaren Spiegel.

Chourotism, 2016, Aquarell, Materialdruck (Kohl), 70 x 50 cm; pages de gloire, Collage, Zeichnung, 2015, 49,4 x 34,8 cm; Arabic Love Story, 2016, Collage, Materialdruck; Foto: Galerie Heike Strelow (Ksenija Jovisevic / Michaela Schwarzer)

↑↓ Reversion, 2015/2016, Zeichnung auf klappbarem Spiegel, 142 x 92 x 14 cm; Fotos: Erhard Metz

Kein Selbstporträt der Künstlerin und wiederum doch wohl eines, natürlich nicht im fotografisch abbildenden, sondern im übertragenen Sinn. Selbstbespiegelung, Selbsterforschung, aus der Sicht einer Frau, die eigene Person wie deren symbolisches Abbild befragend, hinterfragend. Neben dem Spiegelbild wiederum, kaum wahrnehmbar, ein weiteres Gesicht. Eine auf den ersten Blick sperrige Arbeit, die sich bei genauerem Hinsehen in einer ungeahnten Bedeutungstiefe entfaltet, zumal der Betrachter in all dem selbst sein eigenes Spiegelbild wahrnimmt.

Katrin Ströbel, 1975 in Pforzheim geboren, studierte an der Staatlichen Akademie der bildenden Künste in Stuttgart Freie Kunst und Intermediales Gestalten sowie Literaturwissenschaft an der Universität Stuttgart. Ihr Studium schloß sie mit der Promotion zum PhD am kunstwissenschaftlichen Institut der Universität Marburg ab. Seit 2013 lehrt sie als Professorin für Zeichnung an der École Nationale Supérieure d´Art „Villa Arson“ in Nizza.

Abgebildete Werke © Katrin Ströbel

Katrin Ströbel, A Woman´s Place, Galerie Heike Strelow, bis 2. September 2017

 

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