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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Archiv für Juli, 2017

documenta 14 in Kassel (1): Der „Parthenon der Bücher“ von Marta Minujín

2017, Juli 6.

Von Erhard Metz

Eine kurze Präambel erscheint angebracht:

Die documenta 14 unter der künstlerischen Leitung von Adam Szymczyk, vormals Direktor der Kunsthalle Basel, findet bekanntlich zum ersten Mal in ihrer Geschichte neben Kassel an einem zweiten Ausstellungsort, in Athen, statt, wo sie bereits am 8. April 2017 eröffnet wurde; Kassel folgte am 10. Juni nach. Die größte Weltkunstschau ist dieses Jahr – sie steht entsprechend unter dem Motto „Von Athen lernen“ – eine sehr politische. Szymczyk rekurriert auf Athen als „Wiege der Demokratie“ (der plebiszitären?, der parlamentarisch-repräsentativen?, der „gelenkten“?) einerseits, als Inbegriff der Schuldenkrise innerhalb der EU und als ein Zentrum der Migration andererseits. Letzteres spiegelt sich in zahlreichen der ausgestellten Arbeiten wieder, was in Fachwelt, Presse und Öffentlichkeit ein geteiltes Echo fand. Rund 160 Künstlerinnen und Künstler – die meisten unter ihnen tragen noch keine „großen Namen“ und sind noch nicht Subjekte bzw. Objekte des internationalen Kunstbetriebs – hat Szymczyk eingeladen. Zu den Höhepunkten der Schau zählt sicherlich die Präsentation zahlreicher Werke aus dem EMST, dem National Museum of Contemporary Art in Athen, für die das Museum Fridericianum exklusiv geräumt wurde.

The Parthenon of Books (2017), Stahl, Bücher, Kunststoffolie, 19,5 × 29,5 × 65,5 m; in Auftrag gegeben von der documenta 14, mit Unterstützung des Ministeriums für Medien und Kultur von Argentinien

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Max Hollein in San Francisco

2017, Juli 4.

Museale Blaupause für die neue Welt

Seit Sommer 2016 ist Max Hollein Direktor der Fine Arts Museums of San Francisco, den nach seiner Auskunft „beliebtesten und größten Museen an der gesamten Westküste“. Das Legion of Honor ist ein eurozentrisches Museum mit klassischer Gemäldegalerie, während das de Young aus der Idee des Weltausstellungspavillons entstanden ist. Mehr als 1,5 Millionen Menschen besuchen die Museen jährlich, doch Max Hollein will sein Publikum auch jenseits der Häuser im digitalen Raum erreichen. Denn für ihn ist ein Museum mehr als ein Ort, den man besuchen kann. Durch Modernisierung will der Leiter des Fine Arts Museum of San Francisco und frühere Direktor des Frankfurter Städel, des Liebieghauses und der Schirn den Museen eine Stimme in der gesellschaftlichen Diskussion sichern. An einer der beiden neuen Wirkungsstätten, in der Legion of Honor, wird vom 28. Oktober 2017 bis zum 7. Januar 2018 das Frankfurter Forschungsprojekt und die erfolgreiche Schau „Bunte Götter“ aus dem Frankfurter Liebieghaus zu sehen sein.

Tatjana Kimmel hat sich in San Francisco umgesehen. Sie sprach mit Max Hollein. 

↑ Der frühere Städeldirektor Max Hollein an seinem neuen Wirkungsort in Kalifornien
↓ Er leitet dort das Fine Arts Museum of San Francisco;
 Fotos: Courtesy of the Fine Arts Museums of San Francisco

 ↑ Beide Museen sind in die Stadt und gleichzeitig in die Landschaft eingebettet: Das klassizistische Legion of Honor steht im Lincoln Park mit Blick auf die Pazifikküste und der Skulpturengarten des von Herzog & de Meuron entworfenen de Young geht direkt in den Golden Gate Park über. 

↓Vorderfront des Legion of honor ; beide Fotos: Courtesy of the Fine Arts Museums of San Francisco

Tatjana Kimmel: San Francisco gilt als die Stadt der Pioniere und liegt keine Autostunde vom Silicon Valley entfernt. Welche digitalen Strategien haben Sie in den Fine Arts Museums of San Francisco vorgefunden?

Max Hollein: Es war per se keine eindeutige digitale Strategie der Museen vorhanden, deshalb habe ich sie justiert und klarer definiert. Denn es ist wichtig, dass wir taktisch und zielorientiert vorgehen, da es im Moment keinen Bereich gibt, der sich so schnell verändert und so rasch immer neue Möglichkeiten bietet. Wir wollen digitale Mittel für Distributions- und Skalierungsplattformen einsetzen und mit dem Publikum auch außerhalb des Museums kommunizieren. Es geht darum, einen großen Museumskomplex innerhalb eines kulturellem Raumes zu gestalten, der sich rasant verändert und dessen Aktivitäten aktuell große globale Auswirkungen haben. Andere Regionen der Welt entwickeln sich ähnlich und ich sehe daher unsere Strategie als eine Case Study dafür, wie sich ein Museum in einem solchen Kontext behaupten kann, wie es davon profitieren kann und welche Stimme es in der gesellschaftlichen Diskussion hat. Das ist es, was mich an dieser Aufgabe besonders reizt. Weiterlesen

Peace: Auf Friedenssuche in der Schirn

2017, Juli 3.

Der Taiwanesische Künstler Lee Mingwei

„PEACE“  – Die derzeitige Sammelausstel­lung in der Schirn versteht sich als Impuls, darüber nach­zu­den­ken, was Frie­den für uns heute sein kann.  12 internationale Künstler haben zu dieser Fragestellung ihr ästhetisches Statement – größtenteils Installationen – abgegeben, darunter der französische Schriftsteller Michel Houellebecq und die Künstler Jan de Cock, Minerva Cuevas, Ed Fornieles,  Surasi Kusolwong, Isabel Lewis, Katja Novitskova, Heather Phillipson, Agnieszka Polska, Timur Si-Qin, Ulay und auch der taiwanesische Künstler Lee Mingwei mit seinem seit 1998 laufenden Work in Progress: „The Letter Writing Project“. Der englische Begriff  „Peace“ wird in dieser Gruppenausstellung dabei sehr weit gefasst. Für die einen kann er die kritische Auseinandersetzung mit der globalisierten Konsumgesellschaft und ihren ökologischen und sozialen Verwerfungen bedeuten, für die anderen wiederum die Suche nach dem inneren Frieden in der Beschäftigung mit ganz privaten Dingen wie zum Beispiel Houellebecq mit seinem Hund. Daneben finden beglei­tend Live-Events wie etwa Vortra­̈ge, Lesun­gen, Poetry-Perfor­man­ces sowie Tanz- und Musik­ver­an­stal­tun­gen statt. Aber auch das Publikum ist gefordert. Die Kommentare zum Thema Frieden werden im digitalen Auftritt der Schirn weitergeschrieben. Die Ausstellung ist bis zum 24. September zu sehen.

Von Petra Kammann

Lee Mingwei in der Schirn, Foto: Petra Kammann

Mehr und mehr öffnet sich die Kunst weltweit für Formen, in denen die Besucher einbezogen werden, in denen das Werk erst in dem Moment entsteht, in dem Zuschauer ihm begegnen. In den Projek­ten des in Taiwan gebo­re­nen Küns­tlers Lee Ming­wei (*1964)  geht es um intime Begeg­nun­gen zwischen Menschen. Dabei spie­len Austausch und das Geschenk eine tragende Rolle. Was das mit Frieden zu tun hat? Aggression, Frustration und schließlich Unfrieden geschieht häufig aus einer Kränkung heraus, die einen zunächst einmal in Stockstarre versetzt und einen Abbruch der Kommunikation und der sich zusammenballenden Aggression nach sich zieht. Mit wem aber würde ich gerne wieder Frieden schließen? Und wie lassen sich dabei Hemmschwellen überwinden? Weiterlesen

Französische Lithografien des 19. Jahrhunderts im Städel Museum

2017, Juli 2.

Erlesene Raritäten der Graphischen Sammlung

Von Hans-Bernd Heier

Mit der Erfindung des völlig neuen Steindruckverfahrens brach kurz vor 1800 eine neue Epoche der Vervielfältigung von Bildern an. Die gestalterischen Möglichkeiten waren im Vergleich zu den älteren Techniken wesentlich größer, das Drucken wurde schneller und die Auflagenzahlen erhöhten sich. Erste künstlerisch bedeutende Lithografien entstanden in den 1820er Jahren vor allem in Frankreich. Die Vielfalt der französischen Lithografie in dieser Epoche ist bis zum 10. September 2017 in der Graphischen Sammlung des Städel Museums zu sehen.

Francisco de Goya „El famoso Americano, Mariano Ceballos“, 1825, Städel Museum Weiterlesen