„Vom Licht gestreift: Himmelskörper und Erdenstele“: Aloys Rump und Gisela Weber im KunstRaum Bernusstrasse
Von Erhard Metz
Gemeinschaftsausstellungen haben ihren spezifischen Reiz. Noch dazu, wenn sie verschiedene Werkgattungen wie „Bilder und Skulpturen“ – so lautet der Untertitel der sehenswerten Schau im Frankfurter KunstRaum Bernusstrasse – in einen Dialog miteinander bringen. Im konkreten Fall könnte man jedoch bereits wieder ins Grübeln geraten: Während Gisela Webers spindeldünne, abenteuerlich in die Höhe strebende Marmorstelen zweifelsohne der Skulptur zuzurechnen sind, fragen wir uns bei den Rumpschen „Bildern“ doch nach deren Kanonisierbarkeit unter einen bestimmten Zweig der bildenden Künste – handelt es sich bei ihnen zwar um Arbeiten auf Leinen, Papier oder Holz, doch in aller Regel um ebenfalls dreidimensionale Objekte.
↑ Ausstellungsansicht, im Vordergrund: Gisela Weber, Im Kreis, Gruppe 2004-Ia
↓ Gisela Weber, Stelenköpfe (aus der obigen Gruppe)
Leserinnen und Leser von FeuilletonFrankfurt konnten einen Ausschnitt aus dem bemerkenswerten wie eigenwilligen Œuvre von Aloys Rump – seinerzeit präsentiert in einer Doppelausstellung in den „KunstRäumen“ Riedberg und ebenfalls Bernusstrasse – bereits kennenlernen: Von Schiefermehl und Marmorstaub als Werkstoffen war die Rede, schwarzes Oxid (Rump schreibt absichtsvoll Oxyd), Phosphor, Pigmente und Spachtel kommen hinzu. Den Werkgrund bildet weiterhin das Leinen, ergänzt um Bütten und Holz.
Aloys Rump, Himmelskörper XXI, 2016, Schwarzes Oxyd, Marmorstaub auf Holz, 150 x 130 cm
Rump scheint in seinen Arbeiten der Reihe „Himmelskörper“ nach den Sternen zu greifen – je länger man ein solches Objekt betrachtet, umso mehr stellt sich der Eindruck eines kugelförmigen Raumkörpers ein, eines fernen Gestirns, seine geheimvolle Bahn ziehend, von Gebirgszügen und Kratern – wie von Meteoriteneinschlägen verursacht – durchsetzt. Doch ebenso erscheinen immer wieder amphitheatrische oder landebahnähnliche Strukturen auf diesen Himmelskörpern, die von außerirdischer Intelligenz erschaffen sein könnten – Erich von Däniken lässt grüßen.
Eine Arbeit (unten bei Nacht phosphorisierend) aus der Serie Himmelskörper, 2017, Schwarzes Oxyd, Marmorstaub, Phosphor auf Bütten, 60 x 60 cm
In seinen neuesten Arbeiten fügt Rump dem schwarzen Oxyd und Marmorstaub auch Phosphor hinzu – in hinreichender bis völliger Dunkelheit fangen sie an zu leuchten und lassen geheimnisvoll fluoreszierende Bildwelten entstehen.
Auch die Werke der Serie Noctis Labyrinthus sind von reliefartiger Struktur, kleine Aufwerfungen oder Krater im schmalen Streiflicht lassen an Gebirgszüge oder einsame Landschaften ferner Welten denken. Man kann sich in sie hineinträumen und ist beim Erwachen dann doch dankbar, auf unserer heimischen Erdkugel zu stehen.
Noctis Labyrinthus XI, 2017, Schwarzes Oxyd, Marmorstaub auf Leinen, 120 x 160 cm (unten Ansicht vom Bildrand aus)
Rumps Fragmente-Wandstücke schließlich könnten an Verfallenes lange vergangener Kulturen erinnern, ihrer Morbidität eignet eine ruhige – ja durchaus – Schönheit.
Aloys Rump, Fragmente-Wandstück 18, 2017, Pigmente, Spachtel auf Holz, 73 x 54 cm
Marmor und Schiefer sind die Werkstoffe auch für Gisela Webers filigrane Stelen, die sie selbst als „Zeichen“ versteht und die so verführerisch-leichtfüßig im Raum nach oben streben, dass es dem Betrachter ob der statischen Stabilität dieser Skulptur gewordenen bildhauerischen Zauberkünste die Sorgenfalten auf die Stirn schreiben kann. Manche dieser Stelen erscheinen, auf Sockeln ruhend, wie auf das Notwendigste reduzierte, fast schon entmaterialisierte Denkmäler. Andere „Zeichen“ wiederum scheinen spielerisch gleichsam aus dem Boden zu sprießen, wobei die Künstlerin – namentlich wenn sie eine Gruppe von Stelen zu einem Ensemble vereint – die von ihren Ausmaßen her ohnehin minimalisierten Bodenplatten mit organisch wirkenden Substanzen bedeckt und auf diese Weise einen verblüffenden Eindruck emporkeimender Vegetation erzeugt.
Gisela Weber, eine Sockel-Arbeit aus der Reihe „Marmor und Schiefer“
Man sieht diesen so fragil wirkenden Zeichen-Stelen auch eine gewisse Lust der Künstlerin am Experimentellen an, am Austesten der von der Statik und den Naturgesetzen begrenzten Möglichkeiten handwerklicher Fähigkeiten, an der Auseinandersetzung – und wir möchten hinzufügen am ironischen Spiel – mit dem allseits als „klassisch“ angesehenen, für Denkmäler mit nahezu Ewigkeitswert bestimmten Material Marmor. Die feinst bearbeiteten Stelen öffnen sich in ihrer Transparenz dem durchscheinenden Licht, die Reduktion der Körper auf das materialbedingt Mögliche lassen die feinen Zeichnungen und Färbungen im über Jahrmillionen durch metamorphe Prozesse „gewachsenen“ Stein umso erstaunlicher und einzigartiger hervortreten.
Gisela Weber, 1939 in Kassel geboren, examinierte und bis 1981 praktizierende Goldschmiedemeisterin, studierte an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz Kunst- und Werkerziehung und legte beide Staatsexamina ab. Sie nahm an zahlreichen Bildhauersymposien im In- und Ausland teil und präsentierte ihre Arbeiten in einer Vielzahl von Einzel- und Gruppenausstellungen, darunter 1995 in der Einzelausstellung in der Schirn Kunsthalle Frankfurt.
Gisela Weber, Arbeiten aus den Reihen „Marmor“ und „Marmor und Schiefer“
rechts im Bild: Serpentin und Plexiglas
Galeristin Marina Grützmacher ist wieder einmal und wie so oft eine faszinierende Ausstellung gelungen mit einer Künstlerin und einem Künstler, deren Werke auf den ersten Blick unterschiedlicher nicht sein könnten und die sich doch – über die Materialien Marmor und Schiefer hinaus – in einem inneren Zusammenhang von sprießendem Beginnen und Jahrmillionen alter Erstarrung, im Werden und Vergehen verbinden wie ergänzen.
Am Donnerstag, 22. Juni 2017, 19 Uhr findet im Kunstraum Bernusstrasse in gemütlicher Runde ein „Gespräch vor den Bildern“ mit der Kunsthistorikerin Hanneke Heinemann statt. Zur Finissage am Sonntag, 2. Juli 2017, 11.30 Uhr haben beide Künstler ihre Teilnahme zugesagt.
Abgebildete Werke von Aloys Rump und Gisela Weber jeweils © VG Bild-Kunst, Bonn;
Fotos: Erhard Metz
→ Schiefermehl und Marmorstaub: Aloys Rump in Frankfurt am Main