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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Alfred Grossers Lob für Petra Roth

Wieder einmal war die Paulskirche das Zentrum einer intensiven Begegnung der zivilen Stadtgesellschaft. Die Stadt, vertreten durch Oberbürgermeister Peter Feldmann, verlieh der ehemaligen Oberbürgermeisterin Petra Roth (1995 – 2012) das Ehrenbürgerrecht. Roth ist die zweite Frau, der seit 1795 diese Würde zuteil wurde; im vergangenen Jahr war die ebenfalls anwesende Holocaust-Überlebende Trude Simonsohn zur ersten Ehrenbürgerin ernannt worden. Die Laudatio auf die sichtlich bewegte Petra Roth hielt Alfred Grosser, der in Paris lebende gebürtige Frankfurter, der französische Politologe und Friedenspreisträger, die FeuilletonFrankfurt im Folgenden veröffentlicht.

Erste Reihe der gefüllten Paulskirche: v.l.n.r. Ehrenbürgerin Petra Roth, OB Peter Feldmann und Laudator Alfred Grosser. Fotos: Petra Kammann

ALFRED GROSSERS LAUDATIO

1995 – 2012  Siebzehn Jahre: Das ist ein Jahr mehr als Helmut Kohl. Angela Merkel darf noch hoffen. Und dabei ein Jahr Verzicht beim dritten Mandat. In der Nachkriegszeit ist niemand anderes als Sie, liebe, verehrte Petra Roth, so lange Oberbürgermeister meiner Geburtsstadt Frankfurt gewesen. Zweimal durfte ich in dieser Zeit mit Ihnen zusammenwirken.

Am 5. März 1998 wurde im Clementine Kinderhospital, das mein Vater bis zu seinem Rauswurf als Jude 1933 geleitet hatte, eine Gedenktafel aus Bronze angebracht, die an die Ärzte und Kinder erinnert, die Opfer des NS-Regimes geworden waren. Es ist für mich heute eine große Freude, feststellen zu dürfen, wie diese Einrichtung, 1943 durch Bomben zerstört, wieder aufgelebt hat und, trotz mehreren juristischen Veränderungen, weiterhin beispielhaft kranke Kinder betreut, besonders in Jugenddiabetologie, Rheumatologie und Psychosomatik.

Bei der Einweihung waren wir zu dritt. Der Dritte war Ignaz Bubis, von 1992 bis 1999 Vorsitzender des Zentralrats der Juden in Deutschland. Er selbst definierte sich im Titel seines Buches als „Deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens“. Eins seiner Wirkungsfelder war immer sofort am Ort zu sein, wenn irgendwo in Deutschland eine Moschee in Brand gesetzt worden war, was ganz im Sinne der Aufgeschlossenheit von Petra Roth war.

Der in Frankfurt gebürtige Franzose Alfred Grosser, dessen Vater bis 1933 das Clementine-Krankenhaus geleitet hatte und dann als Jude rausgeworfen war, holte historisch weit aus in seiner Laudatio 

Seine Selbstdefintion erinnert an den im Ghetto geborenen Frankfurter Juden Ludwig Börne. Bei der Zweihundertjahresfeier seiner Geburt 1986 mit Oberbürgermeister Walter Wallmann (2009 auch Ehrenbürger) durfte ich in meiner Rede zitieren;

„Nein, schrieb Börne, dass ich als Jude geboren, das hat mich nie erbittert gegen die Deutschen, das hat mich nie verblendet; ich wäre ja nicht wert, das Licht der Sonne zu genießen, wenn ich die große Gnade, die mir Gott erzeigt, mich zugleich ein deutscher und ein Jude werden zu lassen, mit schnödem Murren bezahlte.“

Beim zweiten Mal ging es im Vorfeld weniger friedlich zu. Sie hatten mich eingeladen, am 9. November 2011 in dieser Paulskirche die Rede zur Reichsprogromnacht zu halten. Meine häufige Kritik an der Politik Israels den Palästinensern gegenüber hatte unter anderem den Zentralrat dazu gebracht, Sie aufzufordern, Ihre Einladung zurückzunehmen – was Sie nicht getan haben.

Salomon Korn rechts von OB Feldmann

Salomon Korn, Vize-Präsident des Zentralrats und Vorsitzender der Frankfurter jüdischen Gemeinde, drohte, den Saal zu verlassen, wenn ich Schlimmes sagen würde. Niemand hat sich schließlich erhoben, um wegzugehen. Nur der unverbesserliche Henryk Broder schrieb: „Wer nicht aufgestanden und weggegangen ist, lasse ich nicht einmal auf mein Klo!“ Salomon Korn sagte hingegen: „Grossers Rede lag ganz im Rahmen des Tolerablen. Er hat über Werte des Humanismus referiert und sein Motto war das Verständnis für das Leiden anderer – einschließlich der Palästinenser.“

Meine Dankbarkeit für Ihre Standfestigkeit ist bis heute geblieben. Sei es nur, weil Sie ja seit 2005 Doctor philosophiae honoris causa der Universität Tel Aviv wurden wegen Ihrer Freundschaft mit Israel und wegen Ihrer Förderung der akademischen und kulturellen Beziehungen zwischen den Partnerstädten Tel Aviv und Frankfurt am Main. Auch darf gesagt werden, daß Sie immer freundschaftliche Beziehungen zur Jüdischen Gemeinde Frankfurt gehabt haben.

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Vieles konnte geschehen, weil es die schöne Zusammenarbeit mit Hilmar Hoffmann gegeben hat. Dass Sie seit 1972 bei der CDU tätig waren und dass er der SPD angehörte, hat wirklich seine Tätigkeit als Kulturstadtrat der Stadt Frankfurt von 1970 bis 1990 nicht gestört, bevor er in München Präsident des weltweiten Goethe Instituts wurde. Die bekannteste gemeinsame Leistung ist wohl das zu Recht gerühmte Museumsufer.

Dass die Europäische Zentralbank nach Frankfurt gekommen ist, haben Sie nicht direkt bewirkt. In seinem aufschlussreichen Buch Unternehmen Wiedervereinigung (2015) hat der heutige Vorsitzende des Nationalen Normenkontrollrat Johannes Ludewig erzählt, wie er als Staatsekretär für Wirtschaft im Kanzleramt dem entscheidenden Gespräch zwischen Kohl und Mitterrand beiwohnen durfte. Der französische Präsident wollte die Bank in Paris haben. Helmut Kohl erklärte ihm eine Stunde lang, was alles für Frankfurt sprach, sei es nur, weil für viele Bundesbürger die D-Mark ihren Staat identifizierte.

Am Schluss sagte Mitterrand, er sei nun überzeugt und er werde Frankfurt in den zuständigen Gremien unterstützen – was er dann auch getan hat.

Ludewig war beeindruckt von der Ehrlichkeit Mitterrands, aber noch mehr von der echten Freundschaft, die zwischen den beiden herrschte. Eine Freundschaft, die heute vielleicht zwischen Emmanuel Macron und Angela Merkel entstehen mag, nachdem das schöpferische Paar Kohl/Mitterrand, mit Jacques Delors in Brüssel bisher keine Nachfolger gefunden hatte.

Sie haben aber dann den großen, großartigen obwohl etwas großspurigen Bau mitentstehen lassen. Er verkörpert die Macht dieser Europäischen Zentralbank, dem die Bundesbank untergeordnet ist, was zur ständigen Klage gegen den Sündenbock Mario Draghi führt, bis vielleicht der Chef der Bundesbank an dessen Stelle treten würde. Die Chancen des Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts die Stelle des Präsidenten des vom ihm gefürchteten Europäischen Gerichtshof in Luxemburg zu erreichen, sind wahrlich begrenzter !

Sie dürfen auf diesen Bau, der ein ganzes Viertel der Stadt neu belebt, stolz sein. Aber man kann nicht immer alle zufriedenstellen. „Petra Roth: Sie hat der Stadt geschadet“ lautete ein dicker Titel in der Frankfurter Rundschau. So denken Flughafenausbaugegner (ein schönes deutsches Wort!). Nicht weil Petra Roth dem Aufsichtsrat der Fraport AG (Flughafen Frankfurt) angehört, sondern weil sie eine zusätzliche Landebahn zugelassen hatte. Die Zerstörung bei einem Unfall über der Stadt wäre in Berlin größer. Der Überflug bis Tegel (hoffentlich noch für Jahre!) ist lange. Aber das Geräusch den ganzen Tag lang – was kann man dagegen tun? Vor allem weil ja Lufthansa nur München und Frankfurt als hub (Drehkreuz ) benutzt. Aus Paris kann man mit Lufthansa nur zu diesen beiden Flughäfen fliegen. Berlin, Hamburg, Nürnberg, Bremen, Düsseldorf: das geht nur mit Air France. Die Opfer des Lärms können lediglich viele Streiktage erhoffen!

Aber wegen des Lärms Petra Roth die Ehrenbürgerschaft nicht zu gönnen, das geht nun wirklich weit. Vor allem, wenn man ihre Popularität bedenkt, die mit den 51,9 % beim ersten Mal und 60,5% bei der dritten Wahl zum Ausdruck gekommen ist!

Aus den Händen von Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) hat dessen Vorgängerin Petra Roth (CDU) in der Paulskirche die Urkunde und damit die höchste Auszeichnung der Stadt entgegengenommen

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Wieviel Macht hat nun eigentlich eine Oberbürgermeisterin und wie kann sie diese Macht ausüben? Immerhin hat die Stadtverwaltung ungefähr 20 000 Mitglieder! Der Magistrat, die Stadtregierung, hatte neun Stadträte neben der OB. Die Fachdezernenten sind von ihren Parteien vorgeschlagen worden. Sie bleiben parteipolitisch verbunden mit den Fraktionen. So mochte eine Woche folgendermaßen aussehen: Dienstag finden die Beratungen der Koalition statt, Mittwochs sind die Beratungen der Fraktionen, freitags gibt es die Zusammenkunft des Magistrats, aber die Stadträte kommen doch zunächst wieder mit den Repräsentanten der eigenen Partei zusammen. Wenn die CDU-Stadträte in ihrer Magistratsgruppe zu ihren Beratungen mit der Oberbürgermeisterin am Freitag zusammenkommen, dann legen sie eine Stunde lang die Richtung für die anschließende Richtung des kompletten Magistrats fest. Wenn nicht gerade Rot/Grün die Mehrheit hat, was Konsens-Entscheidungen jedoch dank des Stils der Amtführung der OB keineswegs unmöglich macht.

v.l.n.r.: Ehrenbürger Friedrich von Metzler, Ehrenbürgerin Trude Simonsohn und Bürgermeisterin a. D. Jutta Ebeling

Zu der Stadtregierung zählen auch ehrenamtliche Stadträte. Es gehört zu den guten Traditionen lokaler Politik, in der Stadtregierung das gesamte Spektrum der Fraktionen im Stadtparlament abzubilden. Es ist der Magistrat aller Frankfurter, wenngleich die Hauptamtlichen am Ende doch den Ausschlag geben. Aber wer in der Stärke einer Fraktion im Stadtparlament vertreten ist, der hat Anspruch auf den Sitz eines ehrenamtlichen Stadtrats. Das alles ist ziemlich kompliziert? Aber so wird es in der 2012 erschienen Petra-Roth Biographie Ihres damaligen Sprechers Matthias Arning beschrieben.

Sie, liebe Petra Roth, haben sich dabei viel um das Personal gekümmert. Wenn Sie sagten: „Die 1 200 Männer aus der Entsorgung und Reinigung kenne ich alle“, so nicht nur, weil Sie sich eine saubere Stadt wünschten, sondern auch, weil Sie deren Arbeit, deren Sorgen direkt mitbekommen wollten, gewissermaßen aus menschlicher Nähe.

Weder überheblich noch gönnerhaft aufgetreten zu sein. Für alle Menschen offen und weder in der Begegnung partei- oder religionsgebunden sein. Das alles erschafft die soeben erwähnte Popularität.

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Unter denen, mit denen Sie mitarbeiten mussten, möchte ich nur einen Namen hervorheben, sei es nur, weil ich vor zwei Tagen in Köln bei den Kulturtagen mit Freund Daniel Cohn-Bendit wieder zusammen aufgetreten bin. Dany, als Deutsch-Franzose und vor allem als großer Fechter für ein besser organisiertes Europa, hat in Frankfurt das von ihm sogenannte Mulikulti verteidigt, das heißt, das Recht auf Gleichheit für alle in ihren Verschiedenheiten, was doch zu Ihrer Grundeinstellung passte.

Darf ich sagen, dass er der einzige 68er ist, der seine moralische Grundeinstellung behalten und die pluralistische Demokratie dazu gelernt hat, dies teilweise dank der Beeinflussung seines neun Jahre älteren Bruders Gabriel, einem schöpferischen Pädagogen in Saint Nazaire. In den achtziger Jahren waren wir zusammen in einer ZDF-Sendung über Polizei. Da hörte ich Dany sagen: „Jede Demokratie braucht Polizei um für Ordnung zu sorgen und um die Schwachen zu beschützen“. Ich fragte ihn: „Hätten Sie das 1968 so gesagt?“ Er lachte: „Natürlich nicht“ Heute ist er immer noch ein Jahr jünger als Sie, d.h. immer noch jugendlich im Alter der Weisheit!

Unter Ihren Mitarbeitern ist mir wenigstens ein Namen bekannt: Der Erbauer und Developer Jerry Speyer hat mit Ihnen Großes für Frankfurt vollbracht. Ich war doch etwas überrascht als ich in Ihrer Biographie las: „ Petra Roth liebt Grundsteinlegungen, weil man damit markieren kann, dass etwas vorangeht. Nach der Grundsteinlegung kann es im Grunde kein zurück mehr geben.“ Sind denn für den Flughafen Berlin oder für den Bahnhof Stuttgart keine Grundsteine gelegt worden?

Sie haben natürlich auch über Frankfurt hinaus gewirkt, sei es nur als Vize-Präsidentin, dann als Präsidentin, dann wieder Präsidentin, dann noch einmal Vize und schließlich ein Jahr amtierende Präsidentin des Deutschen Städtetags. Ich muss gestehen, dass ich nur wenig über diese wichtige Institution weiß. Nur einmal konnte ich, am 6. Dezember 2006, ihren damaligen Präsidenten, den Münchener OB Christian Ude als beeindruckend erkennen. Die Kanzlerin Merkel und Außenminister Steinmeier hatten im Sitzungssaals des Kabinetts die deutsche Zivilgesellschaft und einen Ausländer um sich versammelt, um sie zu fragen, was sie ab 1. Januar unter der deutschen Präsidentschaft für Europa tun würden. Es waren sozusagen alle da, von ARD und ZDF über die Kultusministerkonferenz, die Hochschulrektorenkonferenz, den DGB und die Deutsche Industrie und Handelskammer bis hin zur EKD, zur Deutschen Bischofskonferenz mit Kardinal Lehmann als Präsident, und zum Zentralrat der Juden in Deutschland mit der Präsidentin Charlotte Knobloch. Ob so etwas in Frankreich vorkommen könnte, ist fraglich.

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In welchen Frankfurter Bereichen haben Sie besonders gewirkt? Von 1982 bis 1989 waren Sie Vorsitzende des Sportausschusses, von 1990 bis 1994 Vize-Präsidentin des Landessportbundes Hessen. Deswegen darf ich mir denken, dass Sie sich gefreut haben, als die Eintracht Frankfurt in das Pokal-Endspiel aufgestiegen ist und dass Sie nicht allzu enttäuscht waren, als der Klub, elfter in der Bundesliga, dem Dritten, Borussia Dortmund in Ihrer Gegenwart nur mit 2:1 unterlag!

Bis 1995 waren Sie wohnungspolitische Sprecherin im Hessischen Landtag. Die stadteigene Wohnungsbaugesellschaft war für Sie wichtig in ihrer weitgehend gelungenen Bestrebung, Frankfurt durch Hochbauten besonders sichtbar und berühmt zu machen und zugleich viele Wohnungen zur Verfügung zu stellen, und dies nicht nur in vornehmen Vierteln. Wenngleich ich auch oft boshaft sage, es gebe noch Häuser in Frankfurt, die keine Banken sind!

Sie haben viel für die neuen Universitätsstandorte getan, wobei in diesem Zusammenhang eine Frankfurter Besonderheit berücksichtigt werden muss. Ich weiß nicht, ob es mehr Stiftungen in Hamburg gibt, wie man dort behauptet. Ich weiß aber, wie viele Stiftungen ständig Frankfurt bereichern. Wie effizient haben sie den schönen Bau des neuen Campus unterstützt! Dazu jedoch nochmals boshaft: Ich bin mir sicher, dass es kein Zufall war, dass keine Bomben auf das Gebäude der IG Farben gefallen sind. Die Verbundenheit mit der amerikanischen Chemischen Industrie wurde bereits 1950 im Buch von James Stuart MARTIN All Honorable Men nachgewiesen.

Von Frankreich aus gesehen, das vor Macron wenig Mitbestimmung gekannt hat, haben sich in der SWAK (Wie jeder weiß: Ständige Wirtschafts-und Arbeitsmarktskonferenz) Gewerkschaften und Unternehmen zusammengefunden, um gemeinsam zu versuchen, Arbeitsplätze zu erhalten und neue zu schaffen.

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↑ Vertreter der Kultur im Gespräch: Kulturdezernentin Ina Hartwig mit Verleger Joachim Unseld ↓ Opernhaus-Chef Loebe und Unternehmer und Mäzen Carlo Giersch

Frankfurt sollte und soll auch eine Stadt der Kultur sein. Ein harter Streit ist vor Ihrer Zeit ausgetragen und beendet worden. Das Goethe-Haus wurde am 22. März 1944 (genau am Jahrestag von Goethes Tod in Weimar 1832) durch einen der 75 Luftangriffe auf Frankfurt zerstört. Sollte man nicht etwas Anderes, Neues an dieser Stelle bauen? Mein Freund Walter Dirks (Anm. der Red.: der u.a. ab 1946 die Frankfurter Hefte herausgegeben hatte) stritt heftig in dieser Richtung. Glücklicherweise wurde es dann von 1947 bis 1951 in der alten Form wieder hergestellt. Kann man jedoch viel gegen den Verfall der Kultur tun?

Am Ende meines jüngsten Buches beklage ich, daß niemand in meinen „Publikümern“ den Wilhelm Meister gelesen hat, wo doch am Ende die schöne Feststellung steht: „Nun siehst du aus wie ein Mensch“. Schlimmer: Wenn der von mir restlos bewunderte Daniel Barenboim sein israelisch-palästinensisches Orchester als West-östlichen Divan vorstellt, so weiß so gut wie keiner, daß der Name von Goethe für ein großes Werk,1819 geschrieben, 1827 erweitert, gebraucht wurde,  ein Werk, das die Verbindung zwischen Christentum und Islam feiert und in dem viele moslimische Lehrmeinungen dargestellt werden. Ein heutiger Goethe wäre gewiss nicht der AfD beigetreten!

Sie, liebe Petra Roth, auch nicht. Sie haben vergeblich versucht, das Kommunalwahlrecht für Ausländer einzuführen. Sie haben gesagt: „Wer in dieser Stadt lebt, gehört zu uns und ist Teil unseres Gemeinwesens“. Zuwanderung müsse endlich als Chance betrachtet werden. Als Sie im April 2001 Offizier unserer Légion d’Honneur wurden, wurde dies nicht mit Ihren Verdiensten um die deutsch-französische Freundschaft begründet, sondern auch wegen der Leistungen der Stadt in der Integration der Ausländer.

Wenn nur bei uns in Frankreich solches Lob für viele Städte vergeben werden könnte! Aber die seit 1960 bestehende Städte-Partnerschaft zwischen Frankfurt und Lyon ist heute von noch höherem Wert, weil ja der OB von Lyon in der neuen Regierung Innenminister geworden ist. Dies nicht nur, weil er von Anfang an Emmanuel Macron unterstützt hat, sondern auch, weil er die Stadt besonders tolerant und aufgeschlossen regiert hat, und sei es nur mit echter Offenheit gegenüber allen Religionen. Es gibt nun auch einmal am Tag eine direkte Bahnverbindung Frankfurt – Lyon, für die man 5 Stunden und 53 Minuten braucht. Da es ein TGV ist und kein ICE darf man Pünktlichkeit erwarten!

Jedenfalls braucht man nicht mehr in Paris umzusteigen, denn die Hauptstadt ist nur noch begrenzt die Spinne, die im Netz der SNCF das ganze Land beherrscht, ein Land, in dem man in Straßburg und in Marseille, in Lille und in Bordeaux sagt: „On monte à Paris“ (Man steigt auf nach Paris, das knapp 35 Meter über der Meeresfläche liegt)!

Heute machen Sie immer weiter, denn Ihr Motto lautet ja: „Wehmut gehört nicht zu meinen Gefühlen“. Deswegen sind Sie auch heute ehrenamtlich noch so vielseitig tätig, z.B. bei der Deutschen Nationalstiftung, der European Academy of Sciences and Arts, bei der Commerzbank-Stiftung, der Hertie-Stiftung, der Freudenberg Stiftung, dem Konvent für Deutschland.

Und seit kurzem ist Petra Roth auch Vize-Präsidentin der Frankfurter Gesllschaft für Handel, Industrie und Wissenschaft. Alles im selben alten Geist. Die Verleihung der Ehrenbürgerwürde geht also nicht nur an die ehemalige Oberbürgermeisterin, sondern ebenso sehr, vielleicht noch mehr, an die Bürgerin, die immer dort dabei ist, wo es zukunftsweisend zugeht.

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