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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Drei Opern: „Der Diktator“, „Schwergewicht oder die Ehre der Nation“, Das Geheime Königreich“ von Ernst Křenek in der Oper Frankfurt

Tragisch, burlesk, märchenhaft

von Renate Feyerbacher
Fotos: © Barbara Aumüller/Oper Frankfurt

Es war die dritte Aufführung, die ich erlebte. Premiere war am 30. April. Die zum Teil nicht vollbesetzten Reihen fielen auf – für Frankfurter Opernverhältnisse ungewöhnlich. Angst vor moderner Musik? Dabei ist dieser Opernabend wieder eine Entdeckung. Křeneks Musik spricht verschiedene tonale Sprachen des 20. Jahrhunderts. Er spielt mit der Operngeschichte. „[..]. Křenek steht mit beiden Beinen in der deutschen und österreichischen Operntradition. Ganz evident sind die Rückbezüge auf Die Zauberflöte, dann viele stilistische Anleihen – etwa von Richard Strauss, ein wenig Puccini…“, erklärt Dirigent Lothar Zagrosek (Zitat aus dem Gespräch im Prorgammheft). Das Publikum applaudierte begeistert.

Das Produktionsteam hatte die Reihenfolge der drei Kurzopern verändert und so ein rotes Handlungs-Band geschaffen. Der deutsch-französische Regisseur David Hermann hatte viele, ernste, witzige, spritzige Ideen. Ausgebildet an der Hochschule für Musik „Hanns-Eisler“ in Berlin, anfangs Assistent bei Hans Neuenfels, inszenierte er bereits 2004/05 regelmäßig an der Oper Frankfurt. Der heute international agierende Künstler wird demnächst auch wieder in Frankfurt aktiv sein.

Das Spiel um Macht und Erotik, nicht nur in „Der Diktator“; Sara Jakubiak (Maria) und Davide Daminani (Der Diktator)

Ernst Křenek (1900-1991) schrieb seine Texte, die zeitpolitisch orientiert sind, selbst. Bei Franz Schreker hatte er 1916 das Kompositionsstudium begonnen, mit 18 Jahren musste er zum Militär. Danach studierte der gebürtige Wiener Philosophie, Kunstgeschichte und Musikwissenschaft an der dortigen Universität.

1920 folgte er Schreker in das kulturell lebendige Berlin, wo er bedeutende Musikinterpreten kennenlernte, beim späteren Schweiz-Aufenthalt begegnete er dem Dichter Rainer Maria Rilke. 1924 wurde die komische Oper „Der Sprung über den Schatten“, eine Vorstudie zur zeitpoltischen Oper „Jonny spielt auf“, die ihn weltberühmt machte, aber schon früh den Zorn der Nazis erregte, in Frankfurt uraufgeführt. Křenek komponierte bis zum Lebensende insgesamt dreiundzwanzig Bühnenwerke. Zu Hessen hatte er in den folgenden Jahren eine enge Beziehung: Assistent an der Staatsoper Kassel, danach am Staatstheater Wiesbaden, wo 1928 seine drei Einakter uraufgeführt wurden, bald gefolgt von der Frankfurter Opernbühne. Kontakt mit Theodor W. Adorno. Kurz darauf kehrte er nach Wien zurück. 1937 reist Křenek in die USA, kommt zwar nach Europa zurück, nicht aber in das von Hitler besetzte Wien und emigriert in die USA. Dort ist er geblieben und gestorben.

Eifersuchtsdrama in „Der Diktator“; v.l.n.r. Sara Jakubiak (Maria), Davide Daminani (Der Diktator) und Juanita Lascarro (Charlotte)

Um Macht und Eros kreisen die Drei Einakter. Bei der tragischen Oper „Der Diktator“ soll Křenek den italienischen Diktator Benito Mussolini vor Augen gehabt haben, der ein Frauenheld war. Wieder unterzeichnet der Diktator eine Kriegserklärung, von der ihn seine Frau Charlotte abhalten will. Vergeblich. Zwischenzeitlich hat der Herrscher ein Auge auf die schöne Maria geworfen, die mit ihrem Mann im gleichen Hotel wohnt. Er begehrt sie. Die Auseinandersetzung des Ehepaares hat Maria, deren Mann als Offizier bei einem Giftgas-angriff erblindete, mitgehört. Verzweifelt, beabsichtigt sie, den Machthaber zu ermorden – mit der Pistole ihres Mannes. Als sie sich im Hotelzimmer des Despoten anmelden lässt, warnt Charlotte ihn, die Frau zu empfangen. Wieder vergeblich. Auch vergeblich sind die dreimaligen Schüsse, die Maria auf den Diktator abfeuert. Er stürzt zwar, steht aber immer wieder auf. Diese Szene hat eine symbolische Kraft: Diktatoren stürzen, stehen aber immer wieder auf. Weltweit ist das derzeit zu verfolgen. Fatal, dass ihm Maria im Liebesrausch verfällt. Seine Macht berauscht sie. „Für dich ist süß zu sterben.“ Charlotte, die gelauscht hat, stürmt in rasender Eifersucht ins Hotelzimmer, ergreift Marias Pistole und erschiesst nicht ihren Mann, sondern Maria. Mit dem klagenden Ruf „Maria“ des blinden Offiziers endet die Oper.

Der italienische Bariton Davide Damiani, der bereits 2012 und 2015 an der Oper Frankfurt gastierte, singt und spielt in der kriegerischen Angelegenheit unnachgiebig, ist barsch zur Ehefrau und dahin schmelzend in der Liebeswerbung. Beeindruckend seine stimmliche Vielfalt. Sara Jakubiak (Die Passagierin, Tatiana in Eugen Onegin) als Maria verzweifelt, wütet, unterwirft sich. Ihrem wunderbaren Sopran entlockt sie dramatisch-scharfe Töne. Bestechend. Juanita Lascarro, langjähriges Ensemblemitglied, als Charlotte und Vincent Wolfsteiner, der in Frankfurt sein Rollendebut als Lohengrin gab, als blinder Offizier komplettieren das Team. Zwei schöne Stimmen.

Besuch des Diktators beim Meisterboxer; v.l.n.r. Davide Damiani (Der Diktator), Simon Bailey (Adam Ochsenschwanz), Barbara Zechmeister (Evelyne) und Michael Porter (Gaston) sowie vorne Statisterie der Oper Frankfurt

In „Schwergewicht oder die Ehre der Nation“ besucht der Diktator eine Komödie um den Meisterboxer Adam Ochsenschwanz, gekonnt urkomisch Simon Bailey, der wieder als Gast nach Frankfurt zurückkehrte. Dachte Křenek bei dieser Rolle an den deutschen Boxer Max Schmeling, der später in den USA Weltmeister wurde? Ochsenschwanz‘ Ehefrau turtelt mit dem Tanzlehrer. Als die Schauspieler den Diktator im Publikum entdecken, wittern sie ihre Chance, ihn zur Strecke zu bringen. Die Reize von Anna Maria Himmelhuber locken den Despoten auf die Bühne und er lässt sich, wahrscheinlich um der jungen, kessen Frau zu imponieren, auf ein Rhönrad schnallen, misstrauisch beobachtet vom anwesenden Militär. Befreien kann er sich selbst nicht. Ein als Regierungsrat funktionierender Schauspieler zeichnet ihn als „Ehre der Nation“ aus und Adam Ochsenschwanz lässt eine Ladung Sprengstoff hochgehen. Lebendig, witzig, amüsant-vergnügt gesungen.

„Das Geheime Königreich“ – Das Spiel von Narr und König, v.l.n.r. Davide Damiani (Der König), Ambur Braid (Die Königin) und Sebastian Geyer (Der Narr)

In der einaktigen Märchenoper „Das Geheime Königreich“ nennt sich der Diktator alias Davide Damiani nun König. Ein pfiffiger bogenspannender Regietrick. Es sind revolutionäre Zeiten. Er sei verzweifelt, als Herrscher versagt zu haben, bekennt der König seinem Narr und übergibt ihm die Krone – nicht seiner machtgierigen Ehefrau. Deren drei Töchtern gelingt es, dem Narr beim Kartenspiel die Krone abzujagen. Die Königin, brilliant gesungen von der kanadischen Koloratursängerin Ambur Braid, lässt den gefangenen Rebellen frei, in den sie sich verliebt hat. Auch er jagt der Krone nach. Als viele Rebellen das Gebäude stürmen, tauschen König und Narr die Mäntel.

Der Narr, weise interpretiert von Sebastian Geyer, verhilft der Herrscherfamilie zur Flucht, die in einem wahren Märchenwald endet. Hier verfolgt der Rebell, furios Peter Marsh, der mit seiner Knusperhexe in Hänsel und Gretel Furore machte, die Königin. Als er nach der Krone greift, wird sie zum Baum. Die betrunkenen Revolutionäre erkennen den König nicht, der sie aufgefordert hat, ihn zu töten. Sie glauben ihm nicht, dass er der König ist. Als er selbst Hand an sich legen will, hört er die Stimme seiner Frau, die seine Sinne für die Natur öffnet. Der Narr hatte ihm ein Rätsel gestellt, dessen Lösung ihm sein wahres Königreich zeigen könne. Nun hat der König die Antwort auf die Rätselfrage gefunden. Es ist die Natur und ihre Wesen, die er sich nun untertan macht.

David Hermann ist ein nachdenklich-unterhaltsamer Opernabend gelungen, der Křeneks zeitgeschichtliche Anspielungen deutlich macht. Die Bühnenbilder von Jo Schramm sind treffend und inspirierend: beim Diktator räumlich karg, beim Boxkampf eine Tingeltangel-Bühne, bei Königs – oben Palast, unten Bunker, dann im zweiten Bild ein Märchenwald wie er im Grimm’schen Buche steht. Die Kostüme von Katharina Tasch einfach toll. Diktator und König blond wie Trump, exakt gescheitelt, Designlook für Charlotte, Königin und Töchter. Olaf Winters Licht liefert feine Nuancen.

Last but not least die orchestrale Interpretation. Lothar Zagrosek (*1942), Chefdirigent mehrerer, internationaler Klangkörper, Kenner der Křenek’schen Musik, leitet souverän das Frankfurter Opern- und Museumsorchester (s. 40 Jahre Junge Deutsche Philharmonie).

Klare Melodiebögen im ersten Stück, Walzer-, Tango-, Bluesklänge im Boxer- Stück und im Märchenstück Strauss’sche Annäherung – differenziert gespielt von den Musikern.

Weitere Vorstellungen am 12., 14., 18. Jeweils um 19, 30 Uhr und am 21. Mai um 15,30 Uhr.

Ein Nachtrag: Vor wenigen Tagen wurde Ensemblemitglied Louise Alder bei der Verleihung „International Opera Award“ in London als beste Nachwuchssängerin ausgezeichnet („Hänsel und Gretel“, „Das schlaue Füchslein“). Christof Loy, dessen „Arabella“ Inszenierung derzeit aufgeführt wird, wurde ebenfalls ausgezeichnet.

 

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