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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Der Rosenkavalier an der New Yorker MET

Sebastian Weigle steht am Pult. Neben Renée Fleming ist die Besetzung deutsch und österreichisch. Günther Groissböck singt den Ochs, Markus Brück den Faninal.

Von Simone Hamm

Renée Fleming als Marschallin in Strauss’s Der Rosenkavalier. Photo by Ken Howard/Metropolitan Opera

Renée Fleming ist die Marschallin, die Frau eines österreichischen Prinzen und Offiziers, ihr junger Liebhaber Octavian. Sie sagt ihm voraus, dass er sie bald verlassen wird für eine Jüngere, Schönere. Ihr Cousin Baron Ochs (Günther Groissböck) stürmt herein, ein lüsterner, gieriger Rüpel. Er erzählt ihr, dass er die junge, neureiche Sophie heiraten will – Geld gegen Adel – und einen Rosenkavalier sucht, der Sophie in seinem Namen eine silberne Rose überbringen soll. Die Marschallin schlägt Octavian vor, eine fatale Entscheidung: ein Blick und Sophie und Octavian haben sich ineinander verliebt.

Elina Garanca als Octavian and Günther Groissböck als Baron Ochs in Strauss’s Der Rosenkavalier. Photo by Ken Howard/Metropolitan Oper

Regisseur Robert Carson hat den Rosenkavalier ins Wien von 1911 verlegt, das Jahr, in dem die Oper Premiere hatte. Ursprünglich sollte die Oper „Ochs auf Lerchenau“ heißen. Und für Carsons Inszenierung hätte dieser Titel auch weit besser gepasst. Denn während bei anderen Interpretationen die Frauen und ihre Gedanken über Liebe, Verzicht und das Älterwerden im Vordergrund stehen, bietet die MET eine Ochs Show. Günther Groissböck ist nicht der übliche alte, lächerliche, dümmliche Ochs. Der Ochs von Groissböck ist sich seiner sexuellen Ausstrahlung, seiner Unwiderstehlichkeit sehr bewusst. Wer so breite Schultern hat, wer so gut aussieht, braucht sich um Manieren nicht zu scheren, der darf den Dreckskerl heraushängen lassen. Er spielt den Frauenhelden urkomisch, bewältigt seinen gewaltigen und vielseitigen Part mit Bravour.

Dennoch: Ein witziger Ochs, ein großartiger Groissböck, das reicht für eine Inszenierung einer viereinhalbstündigen Oper nicht aus. Die Betonung auf die komischen Szenen nimmt dem Rosenkavalier viel von seiner Tiefe. Sie sind sehr langatmig und bisweilen arg simpel. Da fliegt schon mal ein Toupet durch die Luft.

Die 58-jährige Renée Fleming hatte angekündigt und dann widerrufen, dass dieser Rosenkavalier ihre letzte Rolle an der Oper sein sollte. 20 Jahre lang hatte sie die Marschallin gesungen. Man hätte ihr eine andere Inszenierung gewünscht. So wehmütig und bisweilen sogar missmutig sie die Marschallin auch singt, so hinreißend ihre Stimme ist, in dieser Inszenierung kann sie ihre Verletztheit und Hellsichtigkeit kaum zeigen. Sie bleibt schön und oberflächlich.

Marcus Brück als Faninal and Erin Morley als Sophie in Strauss’s Der Rosenkavalier. Photo by Ken Howard/Metropolitan Opera

Elina Garancas subtile Stimme ist die ideale Stimme für Octavian, und hübsch und androgyn wie sie ist, ist sie auch fürs Auge eine großartige Besetzung.

Kathleen Kim ist Sophie, die sich nicht nur in Octavian verliebt ist, weil er so schön ist. Sie ist nach ihrem Vater geschlagen und weiß, dass Octavian aus hohem Adel stammt. Stimmlich hält sie die Balance aus unschuldiger Verliebtheit und einem gewissen Kalkül. Fein und doch bisweilen distanziert.

Markus Brück singt Sophies Vater Faninal, der so unbedingt will, dass seine Tochter in die bessere Gesellschaft heiratet. So entschlossen wie dieser Wille klingt sein kräftiger, fester Bass.

Sebastian Weigle fängt die hitzigen, wilden Momente ebenso ein wie die erhabenen. Er unterstreicht den Witz und den Charme der Strauss’schen Musik. Dabei bleibt die Musik unter seinem Dirigat stets klar. Er versagt sich jede Aufgewühltheit, bringt Ruhe ins Spiel. Denn auf der Bühne herrscht schon genug Chaos, etwa, als die Händler ins Boudoir der Marschallin eintreten mit ihren Waffen und ihren Hunden oder in der wilden Kneipenszene, als Octavian Ochs Untreue beweisen will. Auf der Bühne der MET ist aus der Schenke ein Bordell geworden, in dem sich nackte Frauen lüstern räkeln. Der Wirt ist eine Dragqueen.

Das Orchester spielt lebhaft – bis auf die Stellen, in denen Renée Fleming singt. Ihr gibt Sebastian Weigle viel Zeit.

In der allerletzten Szene steht sie fast reglos da, mondän in Pelz und Glitzerkleid und weiß, dass sie Octavian verloren hat. Renée Fleming strahlt körperlich Haltung und stimmlich Reife aus in dem reinen und großartigen Terzett mit Elina Garnaca und Kathleen Kim.

Szene aus: Strauss’s Der Rosenkavalier. Photo by Ken Howard/Metropolitan Opera

Falls es wirklich Renée Flemings Abschied von der Opernbühne gewesen sein sollte, war es ein – trotz des Ochsen Kasperletheaters – ein würdiger. Vor allem Dank der letzten Szenen.

Davon können sich auch deutschsprachige Zuschauer überzeugen. Am Samstag, den 13. Mai überträgt die MET die Matinee des Rosenkavaliers live in hunderte von Kinosälen auf der ganzen Welt. Die MET mit ihren 3800 Plätzen war bei jeder Aufführung des Rosenkavaliers komplett ausverkauft. Deshalb werden auch viele New Yorker ins Kino gehen. Auch in 186 Kinos in Deutschland, 16 in Österreich und 18 in der Schweiz ist der Rosenkavalier um 18.30 zu sehen und zu hören. In Frankfurt etwa im CineStar.

Oper | 13. Mai 2017, 19.00 – 23.00 Uhr | WDR 3 und HR 2

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