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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Gertrud-Eysoldt-Ring und Kurt-Hübner-Regiepreis 2016

Gertrud-Eysoldt-Ring 2016 an Schauspielerin Jana Schulz
Kurt-Hübner-Regiepreis an Alexander Eisenach

Von Renate Feyerbacher

Die Crème de la Crème der Theaterleute kam im März 2017 nach Bensheim, wo zum 31. Mal, seit 1986, der Gertrud-Eysoldt-Ring für außergewöhnliche schauspielerische Leistungen verliehen wurde. Der Preis, den die Stadt Bensheim zusammen mit der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste vergibt, ist mit 10.000 Euro dotiert und nach der Schauspielerin und Regisseurin Gertrud Eysoldt (1870-1955) benannt, die in Berlin, in München und an Theatern anderer Städte spielte. Der Stifter des Preises, der Theaterkritiker Wilhelm Ringelband (Johanna-, Friedrich Wilhelm- und Will-Ringelband-Stiftung), war ihr eng verbunden. Theaterfrau und Kritiker pflegten einen intensiven Briefwechsel.

Jana Schulz, 1977 in Bielefeld geboren, ist die neue Preisträgerin. Sie erhielt den Ring für ihre Rolle als Rose Bernd im gleichnamigen Stück von Nobelpreisträger Gerhard Hauptmann (1862-1946). Das naturalistische Drama (1903) hatte 2015 am Schauspielhaus Bochum Premiere.

Die Jury – Wilfried Schulz, Intendant des Düsseldorfer Schauspielhauses, Marion Tiedtke, Ausbildungsdirektorin und Professorin für Schauspiel an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main, und Stefan Bachmann, Intendant des Schauspiels Köln – begründete ihre Entscheidung: „Jana Schulz sucht mit aller Radikalität, mit kämpferischem Elan und größter Leidenschaft die je eigene Menschlichkeit ihrer Figuren. Sie sprengt in den vielen weiblichen und männlichen Hauptrollen die Grenzen jedes gendergebundenen Spiels. Sie ist in den letzten Jahren zu einer der ausdrücklichsten, wandelbarsten und wahrhaftigsten Schauspielerinnen geworden.“

Professor Hans-Jürgen Drescher, Präsident der Akademie der Darstellenden Künste, überreicht Jana Schulz die Preisurkunde

Seit 1991 überreicht an diesem Abend die Deutsche Akademie der Darstellenden Künste auch den Kurt-Hübner-Regiepreis. Kurt Hübner (1916-2007) war einer der einflussreichsten Theatermänner der Bundesrepublik. Während seiner Intendanz in Bremen zwischen 1962 und 1973 – hier wurde der „Bremer Stil“ kreiert – inszenierten dort zum Beispiel Peter Stein, Peter Zadek und Peter Palitzsch (1918-2004), der später von 1972 bis 1980 Frankfurter Schauspieldirektor war. Nun ist es ein junger Regisseur mit Frankfurter Bezug, der die 5.000 Euro des Kurt-Hübner-Regiepreises mit nach Hause nehmen kann: Alexander Eisenach, der 2013 ins neu gegründete Regiestudio des Schauspiel Frankfurt kam und heute an vielen deutschen Bühnen tätig ist. Sein Stück „Der kalte Hauch des Geldes“, bei dem er Regie führte, begeisterte nicht nur das Frankfurter Publikum, sondern auch die Jury, die ihm den Preis zuerkannte.

Nach einleitenden Worten von Bürgermeister Rolf Richter und Professor Hans-Jürgen Drescher, Präsident der Akademie, hielt Roger Vontobel, der Schweizer Regisseur von „Rose Bernd“, eine flammende Rede auf Jana Schulz. Es gehe ihr nicht ums Spielen, sondern ums Verstehen. Wie ein entfesseltes Raubtier umkreise sie ihre Figuren. Er nennt sie ein Phänomen vergleichbar mit Naturgewalten. Roger Vontobel, der zunächst Naturwissenschaften studieren wollte, erhielt 2006 selbst den Kurt-Hübner-Regiepreis, ist FAUST-Preisträger und Nachwuchsregisseur des Jahres (Theater heute). Er hat mit Jana Schulz schon mehrere Stücke inszeniert. Die beiden, er Regiestudent, sie Schauspielstudentin, haben vor 16 Jahren in Hamburg erstmals zusammengearbeitet. Gotthold Ephraim Lessings „Philotasverwandelte er zum Monolog „[fi’lo:tas]“ für Jana Schulz. Das Stück wurde auch Jahre später an anderen Bühnen gespielt. 2009 war Schulz „Das Käthchen von Heilbronn“ in Hamburg, 2010 „Penthesilea“ bei den Ruhrfestspielen, die Kriemhild in „Die Nibelungen“, weiter „Hedda Gabler“ und „Rose Bernd“, alle am Schauspielhaus Bochum, und im März 2017 „Medea“ am Schauspielhaus Düsseldorf. Alle diese Stücke – sie sind nur eine Auswahl – standen unter der Regie von Roger Vontobel. Die beiden verbindet „Forschungsarbeit in Sachen Mensch“. Er spricht von theatralischer Tiefenbohrung, von Extremismus der Rollen. Sie verkörpert sowohl Frauen als auch Männer: z.B. Beispiel den Major von Tellheim in „Minna von Barnhelm“ (Hamburg – Regie Karin Henkel). Sie spielt mit den Geschlechterrollen.

Die Ausnahmekünstlerin, wie sie immer wieder genannt wird, ist bescheiden, meidet den Trubel. Eine Dankesrede hatte sie nicht vorbereitet, dennoch, was sie sagte, war eindrucksvoll. Sie sei eigentlich keine Schauspielerin, sie müsse sich in eine Rolle hineinversetzen. Sie kenne die Wirkung nicht und es sei daher das schönste Kompliment, wenn Menschen später sagten: „Du hast mich berührt. Das Berührtwerden, das ist so wichtig.“

Nachher, beim Empfang in der Stadthalle, spreche ich sie an. Freundlich bittet sie um ein wenig Geduld, da sie das Buffet eröffnen müsse. Danach ist sie herzlich, geduldig, bereit, und ich kann mich auf ihr schönes, schmales, ausdruckstarkes Gesicht konzentrieren. Vom Trubel drumherum lässt sie sich nicht ablenken, konzentriert sich ganz auf meine Fragen, und die Antworten geben das Gefühl, dass uns etwas verbindet: zum Beispiel mein frühes Theatererlebnis „Rose Bernd“ mit Ida Krottendorf, die Jana Schulz jedoch nicht kennt. .

Jana Schulz arbeitet freischaffend, ich könnte mir daher vorstellen, dass sie bald auch in Frankfurt auf der Bühne steht. Denn der nächste Intendant ab der Spielzeit 2017/18 ist Anselm Weber, der Bochum verlässt, wo sie oft auf den Brettern steht.

Alexander Eisenach, Gewinner des Kurt-Hübner-Regiepreises 2016

ZEIT-Redakteur Peter Kümmel war der Laudator für Alexander Eisenach, Autor und Regisseur des Stückes „Der kalte Hauch des Geldes“ (Premiere am 11.November 2016 im Schauspiel Frankfurt), der den Förderpreis Regie erhielt. Ein tolles Stück im wahrsten Sinne des Wortes, eine parodistisch-witzige Inszenierung: Die Finanzkrise packt der Autor in einen Western. Es wird viel geballert, gepokert, geblöfft, Kautabak gespuckt, der Kapitalismus kritisiert, über Volkswirtschaft geschwafelt, nach Lösungen, nach Utopien gesucht. Der Ort El Plata liegt in menschenleerer Steppe, der Goldvorrat geht zu Ende. Die Goldenen Zeiten sind vorbei, aber Whiskey und Huren werden immer gebraucht. Die Industrialisierung schreitet voran und der Minenbesitzer Baxter will aus El Plata einen Finanzplatz machen. Gewalt und Besitz, Gier und Egoismus kennzeichnen die Szene – Mordgelüste wie in den Western des US-amerikanischen Filmregisseurs Quentin Tarantino.

Der Western ist im Kino zuhause. Folglich holt sich Eisenach den Filmer und Videokünstler Oliver Rossol, der an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach studiert, auf die Bühne. Er bewegt sich unentwegt mit der Kamera um die Protagonisten, dreht auch hinter der gut bestückten Whiskey-Bar und bringt das Geschehen im Herbergszimmer auf die Leinwand. Die Gesichter der Western-Typen und ihre Tätigkeiten prägen sich dem Zuschauer ein. Das Stück kann nicht zu einhundert Prozent überzeugen, die Regie schon. Alexander Eisenach weiss die Schauspieler zu führen.

Fotos: Renate Feyerbacher

 

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