Solisten der Kronberg Academy mit Christoph Eschenbach im Hessischen Rundfunk
Der letzte Schliff
„Kronberg ist die Welthauptstadt des Cellos“. Mit diesem Ausspruch hatte Mstislav Rostropovich Cellisten aus der ganzen Welt 1993 zum Cello-Festival in den Taunus gelockt: Zum 20. Geburtstag vor drei Jahren wurde das Festival dann zum Streicher-Festival „Cello Plus“ erweitert. Inzwischen hat sich international der Ruf der Kronberg Academy als Excellenz-Schmiede für Geiger, Bratschisten und Cello-Virtuosen gefestigt. Dort bekommen die jungen aufstrebenden Künstler die Gelegenheit zu Workshops und öffentlichen Auftritten wie im hr.
Petra Kammann
hat dort die rundherum gelungenen Konzerte besucht und sie hatte am Rande einer Probe die Gelegenheit, mit dem spanischen Cellisten Pablo Ferrández zu sprechen.
Schlussapplaus für die Solisten mit dem Dirigenten im hr: v.l.n.r.: Ziyu Shen, Anna Lee, Christoph Eschenbach, Ella van Poucke, Marc Bouchkov, Pablo Ferrández
In diesem Jahr bekamen die Stipendiaten der Kronberg Academy, die eine solistische Karriere anstreben, abermals die Chance, in einem mehrtägigen Workshop intensiv mit dem hr-Orchester zusammenzuarbeiten, dazu mit dem international renommierten Dirigenten Christoph Eschenbach. Er hatte die Solisten aus dem Pool der Kronberger Studenten ausgewählt, mit ihnen geprobt und im Rahmen eines Doppelkonzerts im Sendesaal des Hessischen Rundfunks präsentiert, wo er die Hingabe der Solisten an ihr Instrument lobte und auf die Bedeutung des Zusammenspiels mit einem Orchester hinwies. „Es ist wichtig, dass junge Musiker am Anfang ihrer Karriere gemeinsam mit einem Orchester wie dem hr-Sinfonieorchester spielen.“
hr-Hörfunkdirektor Heinz Sommer unterstützte die Meinung, dass es wichtig sei, junge Talente zu erleben und ihnen die Möglichkeit zu geben, nicht allein mit einem Klavierrepetitor zu arbeiten. Die sorgfältige Vorbereitung in der Zusammenarbeit mit dem Orchester und vor allem der Feinschliff des Maestros Christoph Eschenbach, dessen Ohren und Augen nichts zu entgehen scheint, haben Früchte getragen. Das Konzert konnte sich hören lassen.
Fünf außerordentliche Talente auf höchstem Niveau zwischen 19 bis 25 Jahren waren es, die sich im hr-Sendesaal dem Publikum stellten: der so grandiose wie souveräne belgische Geiger Marc Bouchkov, der das dunkel gestimmte Violinkonzert von Jean Sibelius am Schluss zum Leuchten brachte und das Publikum zu Begeisterungsstürmen hinriss, die koreanische 20-jährige Geigerin Anna Lee, die mit Bravour Mendelssohns virtuoses Violinkonzert spielte, die 19-jährige(!) chinesische Bratschistin Ziyu Shen, die mit erstaunlicher Reife Bartóks Bratschenkonzert ausdrucksstark zum Klingen brachte, die niederländische Cellistin Ella van Poucke, die mit Haydns Cello-Konzert C-Dur und großer Verve das erste Konzert eröffnete und schließlich der spanische Cellist Pablo Ferrández, der die emotionalen Höhen und Tiefen mit Schumanns Cellokonzert a-moll op.129 mit seinem elegisch-warmen wie leidenschaftlich brillantem Cellospiel auslotete.
Der Cellist Pablo Ferrández bei der Probe
Ihn traf ich in der Probenpause zu einem kurzen Gespräch. Der 1991 in Madrid geborene Pablo Ferrández hat ein völlig selbstverständliches Verhältnis zu seinem Instrument. Nun, immerhin hat er bereits im Alter von drei Jahren begonnen, Cello zu spielen. Damals wurde er noch von seinen Eltern unterrichtet. Sein Vater, ebenfalls Cellist, spielt heute im Spanischen Nationalorchester. Er war zum Cello gekommen, weil er seinerzeit eine CD von Pablo Casals gehört und daraufhin beschlossen hatte, Cellist zu werden. Als der Vater seine Mutter zur Frau nahm – auch sie Musikerin – beschlossen sie daher, ihren Sohn Pablo zu nennen. So wurde Pablo Casals auch zu einem Vorbild für ihn, den Sohn, der daher auch heute in Kontakt mit Casals Witwe Marta Casals steht.
Christoph Eschenbach feilt noch anhand der Partitur mit dem spanischen Cellisten
An der Kronberg Academy studiert Pablo Ferrández nunmehr seit fünf Jahren, nachdem er seine musikalische Ausbildung seit dem 13. Lebensjahr, von 2004 bis 2011, an der Musikhochschule Reina Sofia (ESMRS) bei Natalia Shakhovskaya fortgesetzt hatte. Wie er denn nach Kronberg kam, will ich wissen. Er habe in Madrid studiert und sei dort auf den großartigen Cellolehrer Frans Helmerson, der in Kronberg die Cello-Masterclasses leitet, gestoßen. Außerdem besuchte er Meisterkurse bei David Geringas, Philippe Muller, Natalia Gutman, Gary Hoffman, Arto Noras, Lynn Harrell, Antonio Meneses und Ivan Monighetti. Er hatte aber durch die Begegnung mit Frans Helmerson begriffen, dass sich die großen Cellisten in Kronberg ihr Stelldichein geben. Von da an sei es sein größter Wunsch gewesen, nach Kronberg zu kommen und bei ihm zu studieren.
Als er dann dorthin kam, wurde er auch nicht enttäuscht. Da konnte er sich schließlich davon überzeugen, dass hier die Studenten „120 %ig“, wie er selbst die gesamte Ausbildung beschreibt, unterstützt werden. Das fängt beim ganz persönlichen Unterricht durch die besonderen Lehrer an, die nicht zwangsläufig Cello spielen müssen, sondern auch Violine, Bratsche oder Klavier. Hinzu kommt, dass man neben dem eigenen Üben in Kronberg dann auch nach Frankfurt ins Konservatorium geht und dort ebenfalls mit hervorragenden Profis konfrontiert wird. Besonders hilfreich aber sei die Zusammenarbeit mit den Dirigenten, wenn man eine Solistenkarriere anstrebe. Und das ist für Pablo Ferrández schon seit seiner Kindheit klar. Inzwischen spielt der junge Cellist auf einem Cello von James Starker, auf dem „Lord Aylesford Stradavrius“ von 1696, das ihm die Nippon Foundation zur Verfügung gestellt hat.
Schon bevor es mit der Probe von Schumanns Cellokonzert losgeht, Christoph Eschenbach das Pult betritt und die anderen noch mit dem Stimmen der Instrumente beschäftigt sind, konzentriert Pablo sich ganz auf sein eigenes Instrument und wiederholt einzelne Solopartien und Phrasen des Konzerts. Er weiß: Das „Instrument verzeiht nichts. Aber wenn man sich eingespielt hat und jeder Ton sitzt, dann kann man das wunderbar warme Instrument zum Klingen bringen.“ Ein Kollege aus dem Orchester meint sogar, in der Regel brauche man fünf Jahre, bis man alle Feinheiten eines solch hochwertigen Instruments beherrsche. Der hochmotivierte Pablo ist förmlich verliebt in sein Instrument. „Das Cello, das ich spiele, ist das schönste, das ich jemals in meinem Leben gehört habe. Es hat eine ausgeprägte Persönlichkeit. Es klingt einfach großartig. Und ich bin sehr glücklich darüber. Ich hoffe, dass es dem Instrument mit mir auch so ergeht“.
Zum ersten Mal hat er mit einem Orchester gespielt, als er acht war. Und seit drei, vier Jahren spielt er weltweit mit den verschiedensten Orchestern. „Ich bin ungefähr schon in 60 Konzerten in vier Kontinenten aufgetreten.“ Kein Wunder, denn der 25-jährige hat schon viele Preise eingeheimst. 2008 gewann Pablo Ferrández beim „Internationalen Cellowettbewerb Liezen“ den ersten Preis. 2011 wurde er beim „Verbier Festival“ mit dem „Prix Nicolas Firmenich de Violoncelle“ sowie mit dem „Leyda Ungerer-Musikpreis“ der Kronberg Academy ausgezeichnet. Beim „Festival Sommets Musicaux de Gstaad“ wurde ihm 2013 der „Edmond de Rothschild-Preis“ verliehen, der ihm eine CD-Produktion mit den Stuttgarter Philharmonikern (Onyx Label) ermöglichte. 2013 schließlich errang er außerdem den zweiten Preis beim „Internationalen Paulo Cello Wettbewerb“ in Finnland und war 2015 Finalist des „Tchaikovsky Wettbewerbs“ in Moskau.
Pablo Ferrández wird inzwischen auch regelmäßig zu Konzerten und internationalen Festivals wie dem „Spivakov Festival“ in Moskau, dem „Verbier Festival“, dem „Santander Festival“, dem „Piatigorsky International Cello Festival“ oder dem „Casals Festival“ in Puerto Rico eingeladen. Als Solist arbeitete der 25-Jährige bislang mit Dirigenten wie Ros Marbà, Péter Csaba und Jose Luis Turina, und als Kammermusiker konzertierte er mit Rainer Schmidt, Diemut Poppen, Marco Rizzi und Michel Arrignon. Und er ist Mitglied des Flamel Trios, wo er mit Ralf Gothoni am Internationalen Kammermusikinstitut in Madrid zusammenarbeitete.
Ein gutes Team: Raimund Trenkler von der Kronberg Academy, Christoph Eschenbach, Pablo Ferrández und Michael Hermann vom Rheingau Musik Festival
Wie sich die Unterschiede in der Zusammenarbeit mit verschiedenen Dirigenten und Orchestern denn auswirkten, frage ich ihn. „Das ist natürlich jedes Mal sehr unterschiedlich. Und es ist einfach herrlich, wenn es richtig funktioniert.“ Und als wir auf die Zusammenarbeit mit dem hr-Sinfonieorchester und das Dirigat von Christoph Eschenbach zu sprechen kommen, gerät Pablo förmlich ins Schwärmen: „Das Orchester des hr ist für mich sehr schön. Ich habe mich nie so wohl und an- und aufgenommen gefühlt, wenn ich das Schumann a-moll-Cellokonzert gespielt habe.“
Dabei bedeutet, ein so komplexes und durchkomponiertes – wie das Schumannsche Cellokonzert – Werk in seiner ganzen Ausdrucksvielfalt zu spielen, nicht nur psychisch, sondern auch physisch eine große Anstrengung und Herausforderung. Es besticht nämlich sowohl durch zarteste Lyrik als auch durch leidenschaftlichen Schwung und große Bögen, vor allem aber durch jenen elegisch-romantischen Ton, den das Cello wie kein anderes Instrument hervorzubringen vermag, und zum Schluss geht es dann in das halsbrecherisch-virtuose Finale. Zu Schumanns Lebzeiten fand sich – wohl u. a. auch wegen der technischen Schwierigkeiten – kein Cellist, der es spielen wollte.
Immer wieder müssen im Vorfeld natürlich einzelne Phrasen gemeinsam mit dem Orchester wiederholt werden. „Das Pizzicato der Streicher bitte nochmal“, feuert Eschenbach das Orchester an. Am Anfang sollen dann die wechselnden, ein Thema suchenden Akkorde der Holzbläser das Publikum reinziehen. „Nochmal bitte.“ Mit seiner feingliedrigen, äußerst beweglichen Hand des Pianisten gibt Eschenbach ganz präzise Einsätze, hat das ganze Orchester im Blick. Bei den Pianissimi herrscht absolute Stille. „Dann vor dem 5. Takt nochmal das Crescendo, bitte“. Immer wieder schaut er eindringlich die betroffenen Musiker an, die an der Reihe sind. Bei den rhapsodischen, ineinander übergehenden Teilen und großen Bögen schwingen seine Arme weit aus wie bei einem Zugvogel, andere Stellen dirigiert Eschenbach mit der Andeutung einzelner Finger fast tänzerisch, und bei den komplizierten Sprüngen springt er auf dem Dirigierpodest förmlich hoch.
Verlangt das nicht eine große und auch erschöpfende Kraft, wieder und wieder bestimmte Passagen zu spielen, frage ich den jungen Cellisten: „Ja sicher, aber es ist auch eine fantastische Chance, sich weiter zu entwickeln, ganz sicher zu werden. Und deshalb ist es für mich auch ein großes Glück, mit Eschenbach zu spielen. Er ist so sensibel. Die Art und Weise, wie er die Musik der Komponisten versteht. Gleichzeitig fühlt man sich bei ihm völlig frei. Wenn man mit so jemandem arbeitet, dann spielt es sich fast von alleine. Er nimmt alles auf, was man vorgibt und feilt daran, das ist einfach genial. Sein musikalisches Verständnis ist unglaublich. Insofern gehört er zu meinen Lieblingsdirigenten.“
Nach gelungener Konzertprobe geht auch das Cello zurück in seine „Kabine“
Dreimal wird Ferrández noch gemeinsam mit Eschenbach in der nächsten Zeit auftreten, u. a. in Bamberg, in Madrid, später dann in Russland. In der Probenpause taucht Michael Hermann auf. Ein Konzert beim nächsten Rheingau Musikfestival ist dem herausragenden Solisten wohl dann schon sicher.
Das Kooperationsprojekt der Akademie mit dem Dirigenten soll im kommenden Jahr mit dem Eröffnungskonzert des Kronberg Academy Festivals, das vom 28. September bis 3. Oktober 2017 stattfindet, fortgeführt werden. Dann spielt das hr-Sinfonieorchester unter der Leitung von Christoph Eschenbach mit vier weiteren jungen Solisten, die den letzten Schliff in Kronberg und in Frankfurt bekommen haben.
Übertragungen in hr2 kultur:
Solisten der Kronberg Academy mit Christoph Eschenbach und dem hr-Sinfonieorchester:
3. Januar 2017, 20.05 Uhr mit Ella van Poucke, Violoncello, Pablo Ferrández, Violoncello, und Anna Lee, Violine:
Haydn: 1. Cellokonzert C-Dur; Schumann: Cellokonzert a-Moll op. 129; Mendelssohn: Violinkonzert e-Moll op. 64
10. Januar 2017, 20.05 Uhr mit Ziyu Shen, Viola, und Marc Bouchkov, Violine:
Bartók: Bratschenkonzert, Sibelius: Violinkonzert d-Moll op. 47
Fotos: Petra Kammann