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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

„1 + 1 = 3“ und „Tokonoma“: Heide Weidele und Andreas Gärtner im Deutschen Werkbund Hessen

Von Erhard Metz

„1 + 1 = 3“ – so lautet ein Ausstellungsformat des Deutschen Werkbundes Hessen. Naturwissenschaftern, namentlich Mathematikern, stünden natürlich bei dieser Formel die Haare zu Berge, aber in der freien, schönen, bildenden Kunst ist alles möglich. Wir begaben uns deshalb – um das mathematisch scheinbar Unmögliche zu studieren – zum Hessischen Werkbund in die Frankfurter Inheidener Strasse, zur Ausstellung von Heide Weidele und Andreas Gärtner mit dem Titel „Tokonoma“. Und staunten nicht schlecht: Sie stimmt tatsächlich, die Formel „1 + 1 = 3“. Wieso? Ganz einfach: Zwei Künstler, die sich mit ihren so unterschiedlichen und doch miteinander korrespondierenden Arbeiten in einer solchen Ausstellung zusammenfinden, erschaffen ein Neues, ein Drittes eben. Kunst schlägt Mathematik.

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↑ Heide Weidele, gelbes ding, 2016, Plastikteile, Spanngurte, Höhe 175 cm, Durchmesser ca. 55 cm, © VG Bild-Kunst, Bonn
↓ Heide Weidele, ikebana, 2016, Plastikteile, Stoff, Hocker, Höhe 140 cm, Durchmesser ca. 100 cm, © VG Bild-Kunst, Bonn ;
im Hintergrund: Andreas Gärtner, Untitled, 2014, Malerei, Acryl, Gesso, Gouache, Klebstoff, Sprühfarbe, Papier auf Baumwolle, 85 x 95 cm

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„Tokonoma“ betiteln Künstlerin und Künstler ihre von den Werkbund-Mitgliedern Vroni Schwegler und Tobias Schnotale eröffnete Gemeinschaftsausstellung. Was nun ist das? In der traditionellen japanischen Innenarchitektur finden sich kleine Wandnischen oder fensterlose Erker – Tokonomas – zur Aufnahme ästhetischer Gegenstände, etwa von hängenden Schriftrollen, von Bonsai- oder Ikebana-Arrangements. In Ansehung der vorgefundenen Architektur des Ausstellungsraumes ward dieses Ausstellungsmotto alsbald gefunden. Und es lag nahe, dass Heide Weidele dazu ortsspezifisch zwei Ikebana-Objekte schuf, während Andreas Gärtner Wandhängendes auf Nessel und Baumwolle beisteuerte.

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↑ Andreas Gärtner, Untitled, 2016, Malerei, Acryl, Chlorbleiche, Gesso, Lack, Sprühfarbe auf gefärbter Nessel, 105 x 125 cm
↓ Heide Weidele, ikebana 2, 2016, 100 x 60 x 100 cm, 3-teilige Arbeit: (1) Plastikteile, Kunstleder, Spanngurte, Höhe 95 cm, Durchmesser ca. 33 cm; (2) Stein, Eisen, Plastikteile, 100 cm, Durchmesser 30 cm; (3) Sockel, Plastik, 100 x 60 cm, © VG Bild-Kunst, Bonn

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Heide Weidele und Andreas Gärtner studierten beide sowohl an der Hochschule für Gestaltung Offenbach als auch der Staatlichen Hochschule für Bildende Künste – Städelschule – in Frankfurt am Main. Gärtners künstlerischer Werdegang führte ihn dabei auch nach New York, Japan und Korea. In ihrer sozusagen „gegenstandslosen Gegenständlichkeit“ treten die Arbeiten der beiden in ein dialogisches Spannungsverhältnis. Heide Weidele – früher primär auf Alltagsgegenstände aus Kunststoffen fokussiert – erweitert ihr Spektrum an Materialien nunmehr um Dinge wie Stoffe, Kunstleder oder Spanngurte, um Gips, Stein oder Eisen. Auch Andreas Gärtner arbeitet bei seinen Bildern auf Malgründen wie Nessel oder Baumwolle mit vielfältigen Materialien: mit Acryl, Sprühfarbe und Lack, mit Gouache, Gesso und Klebstoff, in seinen Collagen zusätzlich mit Papier. Schicht um Schicht, zart transparent, trägt er dabei auf, die unteren Schichten sind, konzentriert man den Blick auf ein solches Werk, immer noch schemenhaft erkennbar. Welten tun sich auf – wie ebenso in Heide Weideles hintergründigen Arrangements. „1 + 1 = 3“? Ja, aus den Arbeiten der einen Künstlerin und des anderen Künstlers entsteht ein gemeinsames Drittes. Ach, Du arme Mathematik!

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↑ Andreas Gärtner, Untitled (Runners), 2015, Malelei, Acryl, Gesso, Lack, Sprühfarbe auf gefärbter Nessel, 105 x 125 cm
↓ Heide Weidele, souvenir, 2016, Plastikteile, Gips, ca 50 x 70 x 35 cm, © VG Bild-Kunst, Bonn

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Andreas Gärtner ergänzt die Schau um sechs computergenerierte Prints, hochinteressante Arbeiten, die ein eingehenderes Studium lohnen.

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Andreas Gärtner, jeweils Untitled, 2016, K3 Pigment Prints auf Hahnemühle PhotoRag, Ed 3 + 1 AP, jeweils 30 x 40 cm

Heide Weidele und Andreas Gärtner „Tokonoma“, eine Ausstellung innerhalb der Reihe „1 + 1 = 2“ des Deutschen Werkbundes Hessen, bis 9. Dezember 2016
Am heutigen Mitwoch geöffnet von 16 bis 22 Uhr
Zur Finissage am 9. Dezember lädt der Werkbund für 19 Uhr in das WerkbundForum (Inheidener Str. 2, Frankfurt am Main) zu der Veranstaltung „Künstler überraschen einander – das etwas andere Gespräch“ ein.

Abgebildete Werke © jeweilige(r) Künstlerin/Künstler; Fotos: Andreas Gärtner, Heide Weidele, Erhard Metz

→ Heide Weidele

 

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