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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

„inside-out redrawing“: Yasuaki Kitagawa im 1822-Forum

Von Erhard Metz

Was ist hier eigentlich los? Schon zigmal waren wir im 1822-Forum, der Fördergalerie in der Frankfurter Fahrgasse, aber nun ist alles anders? Wurde hier renoviert? Gar umgebaut? Der Raum scheint enger geworden zu sein, und eine Säule in dessen Mitte haben wir noch nie wahrgenommen. Alles ist sauber verarbeitet, Decken, Wände, Sockel, wie neu! Aber warum das?

Um unsere durchaus nicht unbesorgten Fragen zu beantworten, benötigen wir die freundliche Hilfe des ausstellenden Künstlers – es ist kein anderer als der in Frankfurt am Main und weit darüber hinaus bereits bekannte Absolvent des Jahres 2011 der Städelschule Yasuaki Kitagawa – und des wie stets mit Leib und Seele engagierten Galeristen Max Pauer. Denn: Es ist Konzeptkunst.

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Kitagawa hat sich mit seiner Arbeit allerhand vorgenommen – und seine Vorstellungen auf das Perfekteste realisiert: zunächst einmal nichts weniger als den ziemlich radikalen Umbau der ausstellenden Galerie. Ist das nun alles ein Fake oder eine neue Wirklichkeit? Vor die „realen“ Wände hat er neue gebaut einschliesslich werkgetreu gestalteter Sockelleisten, in die Mitte des Galerieraums eine mächtige Säule und links und rechts in die neuen Wandungen kleine Fenster gesetzt, Rahmen und Flügel wiederum sorgfältig verarbeitet, letztere mit soliden Handgriffen versehen. Und an der Decke: ein breiter, ebenso fachmännisch gewerkelter Sturz. Wozu aber dient dieser, verbirgt sich etwas in ihm?

Nun, die kleinen Fenster vermögen eine Antwort zu geben: Vertrackt ist der Blick in sie, spiegelt sich der Hineinblickende doch nicht nur in dem einen, sondern stets auch rückwärtig immer wieder im gegenüber positionierten anderen. Unentrinnbar. Geschuldet ist dies einem in jenem ominösen Deckenbalken verborgenen optischen Leitungssystem. „inside-out redrawing“ nennt der Künstler denn auch seine Arbeit.

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Yasuaki Kitagawa in seiner Rauminstallation

Kitagawa verunsichert den Betrachter durch perfekt angetäuschte Veränderungen einer vermeintlich bekannten, ja vertrauten Welt, hier des Galerieraumes. Wer diesen Raum nicht kennt, kommt ohnehin nicht auf die Idee, dass er vorher einmal anders ausgesehen haben könnte: was sollte ungewöhnlich sein an einer stützenden Säule, einem tragenden Sturzbalken? Ein Zweites: der vexierende Blick – nicht „durch“, sondern „in“ die zwei Fenster.

Und da ist nun noch das seltsame Loch in der bisher in der Galerie nicht vorhanden Säule. Man muss sich der kleinen Öffnung ganz dicht nähern, der in etwa runde Ausschnitt gerät optisch zur Ellipse, und beim Blick in die vermeintliche Tiefe oder besser gesagt in den symbolischen Abgrund erschliesst sich eine – wie es der Künstler nennt – „unerwartete Nachbarschaft“.

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an unexpected neightborhood, Holz, Spiegel, Wasser, Uranglas, Schwarzlicht, Tuch, Beton, 50 x 330 x 60 cm

„Diese Installation entstammt meinen Erinnerungen von vor 23 Jahren, als ich als Radioaktivitätskontrolleur in einem Atomkraftwerk in Japan gearbeitet habe“, schreibt der Künstler. „Eine Schönheit des tödlichen Scheins vom Uran im Reaktor. Sie versteckt sich gleich hinter der Grenze des Blickfeldes in unserem alltäglichen Leben.“ Die Assoziation an den Blick in das tiefe blaue Wasser eines Reaktorkerns oder Abklingbeckens stellt sich ein. Und in der Tat: dieses Blau ist verführerisch schön – so verführerisch wie die vermeintlich so „todsichere“ Atomtechnik.

Yasuaki Kitagawa, 1968 in Tokio geboren, studierte Philosophie an den Universitäten in Münster und Leipzig sowie Bildende Kunst an der Kasseler Kunstakademie und an der Städelschule in Frankfurt mit dem Abschluss Meisterschüler bei Professor Tobias Rehberger. Seitdem erhielt er eine Reihe von Preisen und Förderungen. Kitagawa lebt und arbeitet in Frankfurt am Main.

Yasuaki Kitagawa: „inside-out redrawing“, 1822-Forum der Frankfurter Sparkasse, bis 17. September 2016

Fotos: Erhard Metz

→ Absolventenausstellung 2011 der Städelschule “ENCORE” im MMK-Zollamt / 3
→ Frankfurter Ateliertage 2012: Gemeinschaftsatelier Lillie Khan und Yasuaki Kitagawa

 

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