home

FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Das Kunstwerk der Woche (20)

 

Die Arbeit einer Künstlerin oder eines Künstlers
aus den Atelierhäusern in Frankfurt am Main

Bea Emsbach, AtelierFrankfurt

noli me tangere kl

Bea Emsbach, Noli me tangere, Kolbenfülleraquarell; Foto: die Künstlerin; © VG Bild-Kunst, Bonn

Von Erhard Metz

Es ist eines der bekanntesten Worte des Neuen Testaments: das „Noli me tangere“, „Rühre mich nicht an“, im Evangelium des Johannes, Kapitel 20, Vers 17. Der auferstandene Jesus sagt es zu Maria Magdalena. Er ist seh- und erlebbar, aber nicht mehr körperlich erfassbar. Im christlich-geschichtlichen Diskurs wird ein mögliches erotisches bzw. familiäres Verhältnis der beiden zueinander immer wieder erwogen und thematisiert. Die „Noli me tangere“-Szene ging als eines der Hauptmotive in die christlich-abendländische Malerei ein. Und man denke in der Folge an Pablo Picassos psychologisierendes Gemälde „La Vie“.

Bea Emsbach übersetzt in ihrer Arbeit das überlieferte Geschehen in eine neue Welt: Eine unbekleidete Person kniet vor einer ebenso unbekleideten stehenden, will diese mit den Händen berühren, erfassen. Doch die stehende Person hält ein rechteckiges, transparentes Tuch vor ihren Körper, ein Kontakt kommt nicht zustande. Wir vermuten in der knienden Gestalt einen Mann, in der stehenden eine Frau. Eine Szene nunmehr von sexualpsychologischer Dimension: Der Mann kann die begehrte Frau nicht erfassen; die begehrte Frau kann sich dem vor ihr Knienden nicht öffnen. Ihr Blick geht in eine unbestimmte Ferne ausserhalb des Bildgeschehens, in ihrem Gesicht spiegelt sich Traurigkeit. Besonders bemerkenswert ist die Transparenz des die beiden trennenden Tuches.

Das Werk könnte durchaus auch genderneutral verstanden werden: als Versinnbildlichung eines letztendlichen Alleinseins des Menschen, seiner „Sprachlosigkeit“, seiner Ferne gegenüber dem anderen.

Die Künstlerin versetzt die Szene in eine – im Grunde kontrastierende – unschuldig wildwuchernde, üppige Vegetation. Fast könnte man an die Erzählung vom Paradies und dem Garten Eden denken – und damit an das uralte mythische Bild von Adam und Eva. Dem Gegenentwurf zum „Noli me tangere“.

Bea Emsbach schrieb uns – zu ihrem künstlerischen Wirken ganz allgemein – folgende fast schon poetische Zeilen:

„Ereignisse im Schatten – bergen und verbergen.

Die Ideen erscheinen an den Grenzen von Licht und Schatten, zwischen unheimlich und schön:
Zeichnen als das Ringen um die Bilder aus dem Bodensatz des allgemeinen Unterbewussten und der Mythen, aber auch aus einer bewussten Beschäftigung mit Anthropologie und Psychologie.

Es ist der Versuch, sie zu bergen im Bewusstsein, dass das meiste unsagbar bleibt.

Was der Betrachter schließlich zu sehen bekommt, sind die Forschungsergebnisse eines subjektivistischen Naturstudiums, Anthropomorphe Pflanzen und Protagonisten eines inneren Naturvolkes, dessen Riten ein Stück weit rätselhaft bleiben und zugleich eine Vielzahl an Assoziationen hervorrufen.
Hier ist das Zeichnen ein Ringen zwischen Greifbar-Machen und Sich-Entziehen und ein sowohl intuitiver als auch gesteuerter Prozess.
Das Format ist das der Intimität des Schreibens und des Schreibtisches: DIN A4.“

 

→ Bea Emsbach
→ Bea Emsbach: „Zeichen und Wunder“ (1 bis 7) in der Weissfrauen Diakoniekirche
→ Marielies Hess-Kunstpreis 2013 an Bea Emsbach
→ Fides Becker und Bea Emsbach in der Oberfinanzdirektion Frankfurt

→ Das Kunstwerk der Woche (1)

Comments are closed.