Peter Halleys „The Schirn-Ring“ in der Frankfurter Schirn
Von Petra Kammann
Immer wieder forderte der einstige Schirn-Herr Max Hollein zeitgenössische Künstler auf, die Rotunde der Frankfurter Schirn Kunsthalle zu gestalten; zu seinem Abschied nach San Francisco dann auch den 1953 geborenen US-amerikanischen Künstler Peter Halley, der – ausgehend von den räumlichen Gegebenheiten – auf rund 450 m² eine mehrteilige, räumlich komplexe, codierte Installation mit sowohl aktuellen als auch älteren Elementen seines Werkes den „The Schirn Ring“ entwarf. Der in fluoreszierendem Neon-Gelb gestaltete Außenraum setzt sich im Inneren der Rotunde in kühlem Neon-Blau fort und erstreckt sich dann im zweiten Ring auf den angrenzenden Ausstellungsraum.
Bereits im Jahr 1983 hatte Halley die Explosion als zentrales allegorisches Element für sein Werk entdeckt. Die auf 14 Metern Durchmesser gespannte transparente Folie auf der gläsernen Kuppel der Schirn und die 28 Digitaldrucke auf den Fensterflächen zeigen nun ebenfalls das gelb dominierte so sonnig wie bedrohlich wirkende Explosionsmotiv, das Peter Halley seit langem verwendet.
In den 1980er Jahren hatte Halley durch seine neonfarbenen minimalistischen Gemälde auf sich aufmerksam gemacht, die er selbst jedoch nie – und anders als etwa die Künstler der Arte Povera – als l’art pour l’art empfand. Seine späteren Installationen standen ab den 1990er Jahren dann dezidiert in architektonisch-gesellschaftlichem Kontext. „Schon mit meinen frühen Werken konnte ich nicht akzeptieren, dass darin keine Referenzen an die reale Welt stecken sollten. Für mich reflektierten sie die ganze Skala der geometrisch kontrollierten technologischen Räume, in denen wir leben“, sagte Peter Halley in Frankfurt.
So gingen bei dem theoretisch beflissenen Künstler auch in der Entwicklungsphase von „The Schirn Ring“ konzeptionelle und architektonische Auseinandersetzungen mit dem transitorischen Ort der Schirn voraus, die er als städtebauliches Bindeglied zwischen Dom, Römer und Paulskirche analysierte.
Kein Anfall von Ikterus (Gelbsucht): Peter Halley in der Neon-gelben Schirn-Rotunde
Der wissenschaftlich orientierte Halley erforschte parallel zu den Architekturen um die Schirn-Rotunde analoge Elemente des Kernforschungsinstituts CERN Large Hadron Collider (LHC) in Genf, was zunächst absurd erscheinen mag. Bei näherer Betrachtung erweist es sich jedoch als schlüssig. So begreift er die inhaltliche Basis seiner Installation in der Rotunde als Teilchenbeschleuniger voll explosiver Energie, die von gelbem Licht durchflutet wird.
Die Schirn also als ein innerstädtisches Energiezentrum, wo mittels Kunst und Architektur Ideen beschleunigt werden – vielleicht wollte uns der Künstler das sagen? Wie auch immer. Er versetzt den Besucher in ein kreisförmig angelegtes Labyrinth, das eine ebenso starke wie unentrinnbare Sogwirkung entfaltet, so auch der darüber liegende Ring mit seinen endlos erscheinenden kleinen Rechtecken mit Stäben, vereinzelten Zellen, die dennoch mit anderen verbunden sind.
Frei von Zyanose (Blausucht): Max Hollein im Neon-blauen Umgang der ersten Rotunden-Etage
Halley hatte sich, nachdem er von New Orleans nach New York gezogen war, schon in den 1980er Jahren mit den Rastern des modern way of life, mit der Geometrisierung urbaner Topografie wie Fassaden und Verkehrswegen, mit Elementen geometrischer Formen wie „Prisons“, Zellen und Leitungen (conduits) beschäftigt.
Seine erste Ausstellung fand seinerzeit 1985 in der vom Künstler-Kollegen Meyer Vaisman geleiteten New Yorker Galerie International With Monument im East Village statt, wo damals so innovative Künstler wie Jeff Koons, Sherrie Levine und Ashley Bickerton vertreten waren, die mit „Neo-Geo“ oder „Neo-Konzeptionalismus“ assoziiert werden. In dieser Zeit auch lernte Max Hollein den Künstler, der ihn so sehr faszinierte, kennen.
Der Neokonzeptualist Halley konzentrierte sich dabei ganz auf die Geschichte der geometrischen Abstraktion, die er als symptomatisch für die rasante Verbreitung reglementierter, isolierter Räume im 20. Jahrhundert ansah – etwa Wohn-, Büro- und Krankenhäuser oder Schulen. So wurden die Quadrate und Rechtecke in seiner Malerei zu „Prisons“ und „Cells“.
Diese verband er in den „Conduits“ mit den unsichtbaren technologischen Netzwerken wie Wasser-, Elektrizitäts- und Verkehrsnetzen. Da Halley seit den frühen 1990er Jahren auch digitale Techniken für seine Wandmalereien eingesetzt hatte, konnte er dies auch in Frankfurt auf den Ring der Schirn-Rotunde übertragen, wo man die komplexen Zusammenhänge noch bis zum 21. August 2016 reflektieren kann.
Im Inneren der Rotunde fällt der Blick dann in Peter Halleys Skizzenbücher aus den 1980er Jahren, die er eigens hierfür als Tapete reproduziert hat. Sie zeigen seine Obsession für so zeitgenössische Phänomene wie den Teilchenbeschleuniger oder für architektonisch normierte Umwelt. Peter Halleys Schirn-Installation beschwört eine seltsame Science-Fiction-Stimmung und hinterlässt das beklemmende Gefühl, dass wir aus dieser Welt in Zukunft nicht mehr ausbrechen können.
Kein Wunder, dass seine Helden bei den Musikern wie Philipp Glass, einem der wichtigsten Vertreter der Minimal Music, und bei Stanley Kubrick, dem amerikanischen Regisseur, Drehbuchautor und Produzent von „Clockwerk Orange“ (1971) sind; wobei Kubricks Filme vor allem für ihre tiefe intellektuelle Symbolik und ihre technische Perfektion gelobt wurden. Kubrick hatte ebenso wie Halley versucht, das Medium geometrische Gestaltung selbst zu erforschen, indem er jedes Genre analytisch zerlegte, um seine Bestandteile zu etwas Neuem, Futuristischen zu kombinieren.
Und wieder in Neon-gelb: Ausstellungsansichten mit Max Hollein und Peter Halley im Obergeschoß der Schirn
Dass Halley ein Künstler der globalisierten Welt ist, zeigen darüber hinaus auch seine Ausstellungsaktivitäten. Seine große Retrospektive, die einen ersten Gesamtüberblick seiner Arbeit bot, fand 1991 im CAPC Musée d’Art Contemporain de Bordeaux statt.
Es folgten Ausstellungen im Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofia (Madrid, 1992), im Stedelijk Museum (Amsterdam, 1992), im Des Moines Art Center (Des Moines, Iowa, 1992), im Dallas Museum of Art (1995), im Museum of Modern Art MOMA (New York City, 1997), im Kunstmuseum der Stadt Kitakyushu (1998), im Museum Folkwang (Essen, 1998) und im Butler Institute of American Art (Youngstown, Ohio, 1999). Seine Arbeiten wurden außerdem in internationalen Galerien wie in Chicago, London, Madrid, Moskau, New York, Paris, Rom, Seoul und Tokio ausgestellt. 2014 wurde im Alten Straßenbahndepot Jena Halleys in Jahrzehnten entstandenen Serie „Prisons“ gezeigt.
Max Hollein im (Abschieds-)Gespräch mit Petra Kammann, Autorin dieses Beitrags
„Peter Halley“, Schirn Kunsthalle Frankfurt, nur noch bis 21. August 2016
Abgebildete Werke © Peter Halley; Fotos: Petra Kammann / Erhard Metz