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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Frankfurt am Main im kulturellen Umbruch

Von Erhard Metz

Der Befund mag zunächst erschrecken:

Max Hollein, vormals in Personalunion Direktor von Städel Museum, Liebieghaus Skulpturensammlung und Schirn Kunsthalle Frankfurt, dessen Vertrag im Herbst 2014 bis zum Jahr 2018 verlängert wurde, ist vor wenigen Tagen, zum 31. Mai 2016, aus diesen Positionen ausgeschieden.

Kulturdezernent Professor Felix Semmelroth, dessen Amtszeit bis 31. August 2017 läuft, geht vorzeitig und zu Recht verärgert zum bevorstehenden 1. Juli 2016 in den Ruhestand, nachdem ihm die Frankfurter CDU, der er angehört, nach dem Ergebnis der hessischen Kommunalwahlen vom 6. März dieses Jahres in einer Weise mitgespielt hat, die ihr wahrlich nicht zum Ruhm gereicht. Das Kulturressort fiel im schwarz-rot-grünen Verhandlungspoker künftig der SPD zu, Ina Hartwig, Literaturkritikerin und SPD-Mitglied, wurde bereits zur Nachfolgerin Semmelroths nominiert. So weit, so gut. Hoffentlich.

Oliver Reese, Intendant des so überaus erfolgreichen Frankfurter Schauspiels, kehrt zum 1. August 2017 nach Berlin zurück, um Intendant am weltberühmten Berliner Ensemble zu werden. Sein Nachfolger wird Anselm Weber, hoch angesehener Intendant des Schauspielhauses Bochum. Ebenfalls: so weit, so gut.

Gut zu wissen, dass Intendant Bernd Loebe bleibt, der die Oper Frankfurt mit seiner herausragenden Arbeit mehrfach zum Titel „Opernhaus des Jahres“ und 2013 sogar zum „International Opera Award“ als international bestes Opernhaus geführt hat; sein Vertrag wurde zuletzt bis 2023 verlängert. Das gleiche gilt für Generalmusikdirektor Sebastian Weigle, dem das Frankfurter Opern- und Museumsorchester den dreifachen (!) Titelgewinn „Orchester des Jahres“ verdankt.

Gut zu wissen ebenfalls – wir müssen uns angesichts der vielfältigen Frankfurter Museumslandschaft in unserer Darstellung auf die bildende Kunst beschränken – , dass Susanne Gaensheimer als Direktorin des Museums für Moderne Kunst MMK bis Ende 2018 und mit einer darüber hinausgehenden Verlängerungsoption der Stadt erhalten bleibt.

Bei dem meisten, wenn nicht bei allem hatte Dezernent Felix Semmelroth seine Hand im Spiel. Die Fussstapfen, die er hinterlässt, sind von beachtlichen Ausmassen.

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Aussenansicht Städel Museum (li.), Foto: Städel Museum; Aussenansicht Liebieghaus Skulpturensammlung (re.), Foto: Liebieghaus Skulpturensammlung

Im Vordergrund steht nun die Besetzung der Leitungspositionen für Städel Museum, Liebieghaus und Schirn, und auch Max Hollein hinterlässt Schuhe, die für sehr viele potentielle Anwärter einige Nummern zu gross sein werden. Dass Städel Museum und Liebieghaus (seit 1994 in der Direktion Herbert Beck in Personalunion geführt) auch künftig im Verbund bleiben, sollte selbstverständlich sein. Die sammlungslose Schirn Kunsthalle als ein reines Ausstellungshaus wieder einer eigenständigen Leitung zu unterstellen, wäre allein schon im Blick auf die Wettbewerbssituation als eine auf Leihgaben angewiesene Einrichtung unsinnig, es sei denn, man wollte die Schirn – nach all ihren Höhenflügen und ihrem inzwischen internationalen Renommee – zu einem Ausstellungsforum des regionalen Kunstgeschehens machen.

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Schirn Kunsthalle Frankfurt, Aussenansicht (li.) und Rotunde (re.), jeweils © Schirn Kunsthalle Frankfurt, Fotos: Norbert Miguletz

Bliebe also, die bisherige Tripel-Direktion beizubehalten. Alternativ böte sich als interessante Variante an, die Ausstellungshalle in einen Verbund mit dem MMK zu führen unter der gemeinsamen Direktion von Susanne Gaensheimer. Gegner einer solchen Lösung könnten indes darauf verweisen, dass das MMK bereits über drei „Spielstätten“ verfüge.  Sie bedeutete zudem einen nicht unerheblichen Macht- und Einflussverlust für den Verbund Städel-Liebieghaus, den die Städel-Administration kaum hinzunehmen bereit sein dürfte. MMK und Schirn wiederum sind städtische Institutionen im Einflussbereich städtischer Kulturpolitik, die sich nach den Ergebnissen der genannten Kommunalwahlen in ihrer Orientierung verändern könnte – man erinnere sich nur an die bekannte, von Oberbürgermeister Peter Feldmann entfachte „Kultur-als-Schmiermittel“-Diskussion. Eine Kollision der Kräfte und Interessen kann durchaus vermutet werden. Gleichwohl dürfen sich Stadt und Städel-Administration zum gemeinsamen Wohl der Museumsstadt Frankfurt nicht auseinander dividieren lassen, sondern sollten sich auf einen gemeinsamen Nenner verständigen.

Dass Personalgespräche und -verhandlungen hinter verschlossenen Türen geführt werden, versteht sich von  selbst. Nun hat die FAZ vor wenigen Tagen zwei angeblich erfolgversprechende und in engerer Auswahl stehende Personalien für eine Hollein-Nachfolge publiziert: den Direktor des Denver Art Museums Christoph Heinrich sowie Axel Rüger, derzeit Direktor des Van Gogh-Museums Amsterdam. Solche spekulativen Veröffentlichungen sind aus der Politszene seit jeher hinlänglich bekannt: Warum lanciert man Namen? Zum einen, um sie zu „verbrennen“, denn Entscheidungsträger und -gremien lassen sich ungern durch Vorveröffentlichungen präjudizieren. Zum anderen aber auch umgekehrt, um – als schwach eingeschätzte – Entscheider öffentlich unter Druck zu setzen.

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Das „Hamilton Building“ von Daniel Libeskind des Denver Art Museums; Foto: Patrick Pelster/wikimedia commons CC

Wie auch immer – Christoph Heinrich soll sich auf solches Spiel nicht eingelassen und – ausweislich des neuesten wikipedia-Eintrags – bereits abgewunken haben; vielleicht auch, weil er sich in Denver im traditionsreichen (1893 begründeten), mit einem spektakulären Erweiterungsbau (2006) von Daniel Libeskind vergrösserten Museum recht wohl fühlt.

→ Max Hollein geht nach San Francisco
→ Philipp Demandt neuer Direktor von Städel Museum und Liebieghaus Skulpturensammlung

 

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