Kai Teichert: „Teufelssee“ im Kunstverein Familie Montez
Von Erhard Metz
Wer seinerzeit bei „Familie Montez“ nach weidlicher Betrachtung des 3,20 mal 9,90 Meter messenden Werkes „Pfaueninsel“ zwar mit durchgeschwitztem Hemd, aber ansonsten seelisch aufgerüstet und charakterlich gefestigt die heiligen Brückenhallen verlassen und sich wieder in das mainmetropolische gesellschaftliche Gefüge eingliedern konnte, der wird auch Kai Teicherts neue Arbeit „Teufelssee“ zwar mit leichten Schwindelgefühlen, aber ohne therapiebedürftige Nachwirkungen geniessen können. Gegenüber der ohnehin bereits monumentalen „Pfaueninsel“ geriet dieses (bisherige, in allerlei Wortsinn) Opus magnum mit Ausmassen von 2,60 mal 36 Metern in den Bereich des Absoluten, so dass Mirek Mackes wahrlich riesige Ausstellungswand in der rechten Halle unter der Honsellbrücke nicht ausreichte, um all das fröhliche Gewimmel im Battle Wood und Dragon Wood und noch weniger dasjenige am Venus Beach oder Shiva Shakti Beach aufzunehmen, ganz zu schweigen von dem, was sich auf dem „Float“ abspielt. Also mussten zusätzlich die beiden seitlichen Wände für die Bespannung mit dem mit Kohlezeichnungen versehenen Nesseltuch herhalten.
Oben: Linke Seite, Mittelteil, rechte Seite
Kai Teichert bevorzugt es, seinen Werken erläuternde Texte beizugeben, wir empfehlen deren Lektüre und ersparen zugleich uns und unserer geschätzten Leserschaft lästige Redundanzen:
Man könnte in der Tat vielleicht zunächst eher an Shakespeare denken denn an Goethes „Osterspaziergang“ („Hier bin ich Mensch, hier darf ich ’s sein“) aus Faust I, „Vor dem Tor“: an den Zauberwald im „Sommernachtstraum“, an Oberon und Titania, das Königspaar der Elfen, an die Elfen Bohnenblüte, Spinnweb, Motte und Senfsamen, der Schlegelschen Übersetzung folgend, an Puck und die Fee, an all das Gewimmel und Getümmel bei Neumond und Vollmond – und doch geschieht hier alles bei hellem Tageslicht in einer wohl paradiesisch zu nennenden Vielfalt und Friedfertigkeit.
Natürlich sind alle nackt – alle Menschen, versteht sich – , das kleine Viechlein im Arm des Stoppelbärtigen muss jedoch sein Borstenfell tragen wie auch zwei andere Geschöpfe der Fauna, auf die wir noch zurückkommen werden, ihr Kurzhaarfell.
Auch das Credo des freiheitlich-freizügigen Lebens, Webens und Strebens am Teufelssee hat der Künstler in eine zeitungsähnliche Publikation geschrieben und zum Gegenstand seiner Arbeit gemacht:
Im Mittelpunkt der Kolossalarbeit schwimmt das berühmte Floss, begehrter Platz für Männlein und Weiblein, Jung und Alt, Dick und Dünn, Hetero und Homo, Hässlich (gibt es das ?) und Schön, selbstverständlich wiederum allesamt nackt wie Gott sie schuf.
Wer unter den Betrachtern der Monumentalarbeit noch „etwas“ vernisst haben sollte, muss noch einmal sehr genau hinschauen, um dann doch fündig zu werden: Im wild-friedlichen Treiben versteckt findet er Rap und Gabi, des Hausherrn unter der Honsellbrücke geliebte Boxerhündinnen, natürlich berlinisch-preussisch-ordentlich mit Halsband und Leine, und wer den Leinen auf einer gedachten optischen Linie folgt, trifft auf Mirek Macke – ohne Hut zwar, aber natürlich mit Vollbart.
Kai Teichert „Teufelssee“, Kunstverein Familie Montez, bis 29. Mai 2016
Parallel wird – allerdings bis 18. Juni 2016 – in der Galerie Mühlfeld + Stohrer Kai Teicherts Arbeit „auditorium“ gezeigt.
Abgebildete Werke © VG Bild-Kunst, Bonn; Fotos: Erhard Metz
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