„BeCK“ im caricatura museum frankfurt
Bitte ein BeCK
Petra Kammann hat sich die Ausstellung des Cartoonisten BeCK im caricatura museum frankfurt (verlängert bis 19. Juni 2016) angesehen
BeCK. Foto © Yvonne Kuschel
Die schärfsten Kritiker der Elche waren früher selber welche… Das Elch-Bonmot W. Bernsteins als Wappentier der „Neuen Frankfurter Schule“ spielt als Emblem auch eine Rolle in der neuen Ausstellung des Leipziger Cartoonisten im caricatura museum frankfurt. Die Metropole am Main gilt dank dieses in der Republik so besonderen Karikaturenmuseums mit der Ahnengalerie der Neuen Frankfurter Schule um Robert Gernhardt, F. K. Waechter, Hans Traxler, Chlodwig Poth & Co. als „heimliche Hauptstadt“ des gezeichneten Humors.
Nun präsentiert es bis zum 19. Juni 2016 eine große Werkschau mit an die 400 Arbeiten aus den vergangenen 15 Jahren des Leipziger Cartoonisten BeCK, der konsequent seinen Vornamen Detlef weglässt und der als bekennender Sachse, Freigeist und Kosmopolit gilt. Mit seinem Zeichenstift nimmt er absurde, ganz alltägliche Geschichten, Lust und Leid der Technik, Politisches oder Soziales aufs Korn, denn er will sich nicht auf ein Themengebiet festlegen. Und dem Schatten des großen Elchs stellt sich der kleine Hase wehrhaft auf dem Plakatmotiv. Denn das Kleintier weiß, wie im Humor der Hase läuft und piekst. Und das Publikum dankt es ihm. Es ist herrlich, in einem Museum zu erleben, dass derart in jeder Ecke einer schmunzelt, kichert oder lacht.
Das Ausstellungsplakat „Kleintiere wehren sich …“; © Beck
Das Frankfurter „caricatura museum“ im Leinwandhaus und im Windschatten des Frankfurter Doms gelegen, zeigt eine wirklich gelungene Gesamtschau der Cartoons dieses Künstlers: frech und weltoffen. Nicht ohne Grund wurde BeCK schon mehrfach mit dem deutschen Karikaturen-Preis ausgezeichnet. Seine neuen Karikaturen beschäftigen sich mit dem Alter, das keine Lobby hat, mit dem Fliehen vor Familie im Flüchtlingsheim, mit politisch-moralischem Fehlverhalten.
BeCK, der erste „Ossi“ und Querdenker am Main, mit seiner ausgeprägten Vorliebe für das Absurde, verriet dort auch seine eher zufällig entstandene schräge Signatur in Großbuchstaben, die entweder nur das „E“ oder alle Buchstaben bis auf das „E“ in Spiegelschrift abbildet. Wie hätte ein Künstler auch sonst mit dem Allerweltsnamen Beck reüssieren können? Eine Signatur, die sperrig und nur schwer zu lesen ist, prägt sich da schon eher ein.
Erst über den Umweg eines beinah beendeten Architekturstudiums und eines wegen eines Schulverweises abgebrochenen Grafikstudiums fand er zur komischen Kunst. Dabei hatte BeCK schon vor der Wende 1989 Cartoons mit den typisch langnasigen und krakeligen Figuren gezeichnet, doch hatte er sich bis zur Wende sein Geld vor allem mit Gebrauchsgrafiken, Illustrationen und Werbegestaltungen verdient. Vor rund 20 Jahren etablierte BeCK sich schließlich als Witzzeichner.
Blick in die Ausstellung, im Hintergrund „Lebe deinen Traum“ (© Beck); Foto: Petra Kammann
Oft spielt er mit der doppeldeutigen deutschen Sprache wie beim Cartoon: „1. Klasse hätte ich mir komfortabler vorgestellt“, worüber ein Knabe sich schon bei der Einschulung ereifert. Früher habe er sich seine Anregungen aus dem Radio und der Zeitung geholt. Aber seit einiger Zeit verfolge er lieber, was die Menschen in Cafés reden oder in sozialen Netzwerken schreiben, verriet der Künstler in Frankfurt. Er ist nun mal ein hervorragender Beobachter des alltäglichen Lebens. Dabei kommen ihm die Ideen, die er dann rasch zu Papier bringt und die fast jeder kennt. Denn seine Cartoons tauchen wiederum in Zeitungen und Zeitschriften auf, von der ZEIT und taz über die Brigitte, Eulenspiegel, Cicero, Readers Digest Magazin bis zur „Natur“. Damit bestritt er in den letzten Jahren auch seinen Lebensunterhalt.
Die große Weltpolitik ist in der Regel jedoch nicht sein Thema. Vielmehr widmet er sich einfach schnoddrig dem banalen, aber oft tiefgründigen Alltag, den uralten Problemen zwischen Mann und Frau, einzelnen Menschen, die sich angesichts bestimmter Entwicklungen unbotmäßige und politisch unkorrekte Fragen stellen. So zeigt eine Karikatur etwa einen Mann, der auf einem Bahnsteig steht und ein mutmaßliches Handy in der Hand hält. „Tu so als hättest du ein Smartphone, indem Du ab und zu auf eine hochgehaltene Tafel Schokolade starrst“ steht darunter. Auf einem anderen Cartoon unterhalten sich zwei betuchte Frauen in voluminösen Pelzmänteln. „Logisch dass Tierschützer eher gegen Pelz als gegen Leder sind. Es ist ja so schön bequem, sich mit einer reichen Dame anstatt mit einer Motorradgang anzulegen“, sagt die eine zur anderen.
Viele der Werke finden sich auch in Büchern von BeCK wieder wie: „BeCK, Lebe deinen Traum“ und „Meister der Komischen Kunst: BeCK“. Gleich ob in Büchern, in der Zeitung oder auf Kalenderblättern: Beck unterläuft den ganz alltäglichen politischen Wahnsinn mit subtiler Ironie. Die umstrittene Prämie unter dem Namen „Betreuungsgeld“ für Eltern, die ihre Kinder nicht in Kindertagesstätten geben wollen, kommentiert Beck mit der Zeichnung, die zwei Kinder in einem Laufstall voller Geldscheine zeigt sowie einen erwachsenen Mann, der durch die offene Tür sagt: „Ich glaube, die Kinder wollen Betreuung statt Geld!“ Sowohl graphisch als auch sprachspielerisch überführt Beck die vermeintlichen Gewissheiten des ganz alltäglichen Wahnsinns, so, wenn er zum Beispiel den telefonischen Austausch von Nichtigkeiten in der Öffentlichkeit mit dem Satz eines telefonierenden Mannes aus der Kirche brandmarkt: „Schatz, ich bin in der Kirche. Brauchen wir was aus der Kirche?“ BeCk hat den Blick für kritische Pointen und für die Schwachstellen im Alltag in der Welt der kleinen Leute.
Brauchen wir was aus der Kirche; © Beck
Digitales Zeitalter hin oder her: BeCK selbst wiederum zeichnet immer noch analog mit dem Stift. Wenn nötig koloriert er in Eile die Zeichnungen digital. Seine Figuren sind alles anders als Schönheiten und sie benehmen sich oft linkisch. Sein Blick in ein Café etwa zeigt vor allem ausschließlich mit ihren Notebooks beschäftigte Menschen.
Mit Karikaturen wie „Brüste: Die verworfenen Entwürfe“ wurde BeCK zu einem der gefragtesten deutschen Cartoonisten. Seine Verbindung von verknappter Sprache und aufs Wesentlichste reduzierter Zeichnung beherrscht er aufs Beste. Auch seine politisch akzentuierten Blätter lassen aufhorchen: Hühner beklagen sich, „wir sind die Eiernehmer“, und der Stallbesitzer mit Hut und Krawatte „nennt sich Eiergeber“.
Wenn es keine Kerze wird, versuchen wir wenigsten ein Teelicht; © Beck
Der 57-jährige Künstler Detlef Beck aus Leipzig, wie der Karikaturist mit bürgerlichem Namen heißt, hat seinen Vornamen schon vor mehr als zwanzig Jahren im Berlin der frühen neunziger Jahre aufgegeben, als er es zu erster Bekanntheit gebracht hatte. Damals gehörte er einer Künstlergruppe ostdeutscher Zeichner an, die sich im Wendejahr den augenzwinkernden Titel „PGH Glühende Zukunft“ gegeben hatte. Da der von Claire Bretécher und Jean-Jacques Sempé beeinflusste BeCK auch regelmäßig britische Publikationen beliefert, weisen einige der in Frankfurt gezeigten Comiczeichnungen auch englische Texte auf.
Alles in allem: absolut sehenswert!
„BeCK“, caricatura museum frankfurt, bis 19. Juni 2016
Bildnachweise: caricatura museum frankfurt