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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

„AMSTERDAM NEAPELGELB“ – Andreas Exner in der Galerie Perpétuel

Von Erhard Metz

Ein weisser Damen-Faltenrock hängt an der Wand, der rückwärtige Reissverschluss geöffnet. Gelber Stoff tritt aus der Taillenöffnung hervor: Wird da ein Futterstoff nach aussen gekehrt? Aber da sind Nähte sichtbar, eher flüchtig und laienhaft ausgeführt, und Nähfäden hängen herunter. Wurde da also ein Stoff in den geöffneten Rock eingenäht? Ein genaueres Studium des Objekts an der Wand bestätigt Letzteres.

Der Betrachter hält inne, Gelb und Weiss, die Farben des Vatikans, kennen wir doch von Rom-Besuchen, sie sind auch die Farben der Katholischen Kirche. Vollends erstaunen lässt dann der Titel dieser textilen Skulptur oder Installation: „Gnadenrock“.

Dennoch oder gerade deshalb unsere Frage an den Künstler, ob denn der Damenrock nicht doch auch etwas mit Erotik zu tun habe. Andreas Exner, ein Meisterschüler von Jörg Immendorf, verneint sie, unserem Eindruck nach aber doch nicht mit solcher Stringenz, als dass sich unser Wissensdrang als gänzlich in die Irre gehend erwiesen hätte. Im Vordergrund geht es aber zunächst einmal um die Farben und die Materialität des Textils als solche.

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Gnadenrock, 2013

Die Arbeit „Gnadenrock“: Sie eröffnet, wie so viele zeitgenössische, aber auch vielfach schon klassische Werke der konzeptuellen Kunst, einen weiten Interpretations- und Assoziationsspielraum. Im konkreten Fall handelt es sich um eine Arbeit, die einen der Kunstpreise 2015 der Erzdiözese Freiburg erhielt. Der oberflächlich zugenähte, aufgrund der flüchtig ausgeführten Nähte auch leicht wieder zu öffnende Rock könne, wie wir den Überlegungen der Jury entnehmen, ein Bedecken, Verhüllen symbolisieren, aber im Gegenteil auch die Möglichkeit eines Öffnens und Entblössens suggerieren. Dabei lasse sich etwa an das Kelchvelum in der Liturgie denken, welches das Blut Christi zunächst schützt und anschliessend freigibt. Gedanken an Kommunion, Abendmahl und „Gnade“. Der weisse Rock: Symbol für ein liturgisches Gewand, jedoch auch für weibliche Kleidung, zugenäht, wer denkt in diesem Zusammenhang nicht an den Zölibat, der einer Frau das Priestertum verwehrt. Nun ist der Rock aber mit erkennbar nur flüchtigen Stichen des Künstlers verschlossen, er liesse sich leicht wieder öffnen – Hoffnung, gar Erwartung einer zukünftigen Öffnung im Blick auf ein Priestertum auch der Frauen? Soviel und exemplarisch zu dieser Arbeit, die um so stärker fasziniert, je länger man sich mit ihr in körperlicher Anwesenheit auseinandersetzt. Viele Möglichkeiten sind denkbar. Und vergessen wir Eros nicht!

Im folgenden einige weitere Röcke und Gewänder in der Ausstellung, die mit einem wohlbemessenem Budget an Zeit und Bereitwilligkeit, sich auf die Arbeiten einzulassen, besucht werden will: Die Taillenöffnung der Röcke ebenso verschlossen wie der nicht anziehbare Mantel, Garderobe also, ihres usprünglichen Zwecks beraubt – dies mit verblüffend wenigen handwerklichen Mitteln, die dem Gegenstand völlig neue Bedeutungshorizonte erschliessen.

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Schwarzer Rock (Joseph) und Gelber Rock (Anna Goldin), beide 2014, (unten) Gelber Mantel, 2015

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Nun geht es Exner, der zunächst in Münster Design und anschliessend in Köln Freie Kunst und Malerei studierte, bevor er an die Städelschule ging, um Malerei, genauer gesagt um Farbfeldmalerei, die er zu seiner spektakulären, inzwischen berühmt gewordenen „Angewandten Monochromen Malerei“ erweiterte. Exner versah dazu mehr oder weniger betagte Gebrauchtwagen – unter ihnen der legendäre Citroën DS (die „Déesse/ Göttin“) bzw. ID (die „Idee“) oder ein veritabler Porsche 356 – mit einem bemalten Sperrholzbrett, das er in eine Fensteröffnung, vorzugsweise neben dem Fahrersitz, einpasste. Die dazu gewählten Farben korrespondierten mit der Fahrzeuglackierung. Wieder ein verhältnismässig kleiner handwerklicher Eingriff – und das Auto verliert seine Gebrauchsfähigkeit, wird zu einer Art von „Bilderrahmen“ für das eingesetzte Farbfeld, ja zu einem neuen Artefakt, einer Skulptur, einem Kunstwerk: eben „angewandte“ Kunst. Seinerzeit waren drei dieser Fahrzeuge bei Robert Bock in der Ausstellungshalle 1A zu sehen – die Galerie Perpétuel bietet leider keine solchen räumlichen Möglichkeiten, sondern muss sich auf den Aushang entsprechender dokumentierender Bildpostkarten beschränken.

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Ensembles an Bildpostkarten (Ausschnitte)

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In seinen bei Perpétuel gezeigten Installationen greift Andreas Exner die Motivik, mit bestimmten Orten assoziativ verknüpfend und zum Teil in weitergehender Abstraktion auf, stets verbunden mit Farbangaben wie „Normal Gelb“ oder dem spezifischen niederländischen „Napelsgeel“, die auf die Monochromie seiner „angewandten“ Malerei verweisen. Ein Citroën Break mit blassgelber Holzplatte im Beifahrerfenster posiert vor einem Amsterdamer Kirchengebäude, die Fotografie ruht auf einem kleinen Schränkchen, dessen Vorderseite uns geheimnisvoll verborgen bleibt, die Gummimatte korrespondiert mit den Gummireifen des Fahrzeugs. In einer weiteren Installation reduziert der Künstler das Porsche-Automobil auf lediglich noch zwei Räder, „Daler Rowney“, Hersteller und Lieferant von Malereiartikeln – der angelsächsische „Boesner“ also – steht wiederum für die auch tatsächlich aufgebrachte Farbe Gelb.

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↑ Installation Schränkchen, Bild, Gummi „Amsterdam Napelsgeel“
↓ Reifen, Bild Normalgelb

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Gelb ist schliesslich auch die Farbe des alten Opel Kadett und seines „Fenster-Ersatzes“ als Bestandteil der der Ausstellung namensgebenden Collage mit unter anderem allerlei Plakaten von Kunstausstellungen einschliesslich der aktuellsten „Das imaginäre Museum“ im Frankfurter MMK 2.

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Collage Amsterdam Opel Kadett mit der Inschrift „Amsterdam Neapelgelb Opel Kadett“

Konzeptkunst also, Malerei, Skulptur, Installation, hoch verdichtet, konzentriert, fokussiert und abstrahiert. Gedankenräume, Gedankenwelten öffnend. Eine äusserst sehenswerte Ausstellung! Milorad Prentovic, der stets qualitätsbewusste wie umtriebige Galerist, gibt gerne weitere Auskunft.

Andreas Exner wurde 1962 in Gelsenkirchen geboren. Im Laufe seiner bereits oben dargestellten künstlerischen Ausbildung, zuletzt an der Städelschule bei den Professoren Raimer Jochims, Ludger Gerdes und Jörg Immendorf mit dem Abschluss Meisterschüler, ausgezeichnet mit zahlreichen Preise, stellte vielfach europa- und weltweit aus. Der Künstler lebt und arbeitet in Frankfurt am Main.

Andreas Exner, AMSTERDAM NEAPELGELB, Galerie Perpétuel, nur noch bis 30. April 2016

Abgebildete Werke © VG Bild-Kunst, Bonn; Fotos: Erhard Metz

→ Nichts wie hin – zu MÖBEL KAISER

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