Tjark Ihmels: „Autopilot“ in der Frankfurter Galerie Greulich
Von Erhard Metz
Es war ein spannender Abend, nicht ohne Amusement für die Zuhörer: Mutig hatte Galerist Andreas Greulich Christoph Tannert zum Künstlergespräch mit Tjark Ihmels eingeladen. Tannert, studierter Archäologe und Kunstwissenschaftler, Publizist, Kunstkritiker, Ausstellungsmacher, seit 1991 Projektleiter am Künstlerhaus Bethanien in Berlin und seit 2000 dessen künstlerischer Leiter, ist bekannt für Wortgewalt und Streitbarkeit. So geisselte er früher schon mal „Medienintellektuelle“, die „Kulturökonomisierung“ oder eine „Breitwandschweinepunk-Malerei“. Eine „reine Orientierung auf Besucherzahlen“ hält er im Kunstbetrieb – übrigens mit vollem Recht – für verhängnisvoll, und Berlin sieht er als „arrogante labyrinthische Clubzone, unendliche Partymeile, Aufmarschplatz für die militante Spassguerilla im ethischen Vakuum“. Von der Neuen Leipziger Schule samt deren Exponenten und Nachfolgern scheint er auch nicht viel zu halten.
Und was hält er von Tjark Ihmels, 1963 in Leipzig geboren, Studium der Theologie mit Diplom-Abschluss an der Karl-Marx-Universität Leipzig, dann drei Jahre Friedhofsarbeiter, anschliessend Studium der Malerei mit Abschluss Diplom und Meisterschüler bei Professor Arno Rink an der angesehenen Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig (HGB), dann freischaffender Medienkünstler, seit 2000 Professor für Interaktive Gestaltung an der Hochschule Mainz, Leiter des Instituts für Mediengestaltung? Von Beginn an wollte er dem Künstler der aktuellen Ausstellung mit durchaus provokanten Fragen nach Sinn und Qualität seiner Werke sozusagen „auf den Zahn fühlen“. Ihmels erinnerte denn auch gleich zu Gesprächsbeginn mit heiterer Gelassenheit daran, dass der jemals grösste Verriss seiner Arbeiten aus Tannerts Feder stamme, aber das mache ihm nichts aus. Er male halt, wie er male. Und es geriet dann doch alles zu einem freundlich-lebendigen Disput und Gedankenaustausch, das Glas Wein wird dazu beigetragen haben.
↑ Autopilot, 2016, Öl auf Leinwand, 120 x 140 cm
↓ Wolkenfeld II, 2016 , Öl auf Leinwand, 200 x 160 cm
Andreas Greulich gehörte zu den wenigen Frankfurter Galeristen, die auf der (wie es scheint wohl doch nur für ein Jahr reanimierten) Frankfurter Kunstmesse 2015 eine Koje mieteten. Dort stellte er den „Mondspaziergang“ des Mainzer Kunstprofessors aus. Ihmels zählt zu Greulichs „Galeriekünstlern“ – bereits in den Jahren 2015 („Bad Wolkenau“), 2014/15 (Skulpturen) und 2013 („fünf_Volt_neunundneunzig“) konnte das Frankfurter Publikum seine Werke kennenlernen. Auch heuer präsentiert Greulich über die Malereien – weitgehend des Jahrgangs 2016 (auf die wir uns hier konzentrieren) – hinaus einige der vielbeachteten Bronzen des Künstlers.
↑ Leicht bewölkt ,2016, Öl auf Leinwand, 24 x 30 cm
↓ Wolkentürme, 2016, Öl auf Leinwand, 24 x 30 cm
Ihmels – wie erwähnt in Leipzig an der HGB diplomierter Maler – wandte sich, damals vielleicht ein wenig opportunitätsorientiert, wie er einräumt, der Medienkunst zu, für die er auch heute im Lehrbetrieb an der Mainzer Hochschule verantwortlich zeichnet, kehrte aber bereits vor einigen Jahren wieder zur Malerei zurück. In der Praxis zu sperrig zur Realisierung und zu vielen formalen wie auch bürokratischen Prozessen unterworfen sei die weitgehend auf den öffentlichen Raum angewiesene Medienkunst; erst die Malerei (und Bildhauerei) eröffne ihm den ersehnten künstlerischen Freiraum. Der Mensch stehe im Vordergrund seiner Arbeiten, als ihr Gegenstand schlechthin, so sein Bekenntnis. Faszinierend sind aber gerade auch seine Landschafts- und Wolkenbilder. Die Landschaften: Perspektiven aus dem Flugzeug oder gar der Raumstation ISS ähnelnd – ironisch verfremdet, weil von „Autopiloten“, Navigationssystemen und „Google Earth“ längst entzaubert. Und erst und vielleicht nur die Wolken scheinen den Ausweg in eine künstlerische, gedankliche wie gestaltende Freiheit zu öffnen.
Ebenso wie über seinen Personen scheint über diesen Landschaften – der Blick auf sie nur partiell von „Wolkenlöchern“ freigegeben – und den hohen Wolken selbst ein Hauch von Melancholie zu liegen, von Ferne, ja Unerreichbarkeit, einer stillen Sehnsucht.
↑ Gelbe Sonnenbrille, 2015, Öl auf Leinwand, 80 x 70
↓ Begegnungen, 2016, Öl auf Leinwand, 80 x 70 cm
Mitunter bizarr und mit einem Unterton von Ironie erscheinen die Menschen in Ihmels Malerei. Stets tragen seine weiblichen und männlichen, als Zeitgenossen erscheinenden Protagonisten Sonnenbrillen, den eigenen Blick verdunkelnd und reduzierend, den Blick der ihnen Begegnenden in das Wesentliche eines Antlitzes, dessen Augen nämlich, verhindernd. Die im Hintergrund erscheinenden oder in weissen Gewändern im Bild formatfüllend herausgehobenen Nonnen hingegen verzichten auf die Verdunkelung ihrer Augen, bleiben jedoch – Kleider und Hüte zu einem etwas komisch wirkenden Gesamt-Outfit verbunden – skurril anmutende Gestalten. Kleine Schiffchen, wie wir sie als Kinder aus gefaltetem Papier gebaut haben, treiben vor den Badenden auf dem Wasser. Interessant die Farb- und Lichteffekte, die Ihmels in seinen Bildern setzt und die auf das Handwerk eines Medienkünstlers verweisen.
Wie gemalte Träume erscheinen Werke wie „Ausblick in Wolken“, aus einer Kiste, die an den Korb eines Ballonfahrers erinnert, schauen zwei junge Menschen suchend in eine unbestimmte Ferne – in die Zukunft? Er sonnenbebrillt, sie die Hand vor blendendem Licht schützend über die Augen gehalten. Wohin mag diese Reise gehen?
↑ Badende Nonnen, 2016, Öl auf Leinwand, 160 x 120 cm
↓ Ausblick in Wolken, 2016, Öl auf Leinwand, 70 x 80 cm
Tjark Ihmels, „Autopilot“, Galerie Greulich, bis 21. April 2016
Werke Tjark Ihmels © VG Bild-Kunst, Bonn, Bildnachweis/Fotos Tjark Ihmels/Galerie Greulich