Das Kunstwerk der Woche (13)
Die Arbeit einer Künstlerin oder eines Künstlers
aus den Atelierhäusern in Frankfurt am Main
Isabel Friedrich, AtelierFrankfurt
„ein paar worte fehlen noch“, 2015, Acryl und Öl auf Leinwand, 90 x 120 cm; Foto: Erhard Metz
Von Erhard Metz
Von verschiedenen Seiten bekäme ich sicherlich „Prügel“ für die Wahl dieses Bildes, prophezeite ich Isabel Friedrich, aber dies werde man aushalten – nicht wichtig. Sie sei eben eine figurative Malerin, antwortete die Künstlerin so selbstbewusst, dass Altkanzler Gerhard Schröder ihre Worte mit seinem bekannten „und damit basta!“ bestätigt und bekrönt hätte.
Vordergründig könnten wir (Vorsicht!) ein Genrebild erblicken, „Sittenbild“ nannte man solches wohl zu früheren Zeiten: 19. Jahrhundert, es weht eine gutbürgerlichem Hause wohlanstehende Spitzengardine herein, ein sittsam bodenlang gekleidetes Mädchen empfängt mit geschlossenen Augen den schüchternen Kuss eines ebenso sittsam gekleideten Jünglings (heute vulgo „Jugendlichen“). Eine Mutter, Schwiegermutter, Gouvernante, die Hände empört in die Hüften gestemmt, ruft dem sittenlosen und doch so zaghaft-zärtlichen Geschehen „ein paar Worte“ (Bildtitel) zu – es werden recht eindeutige gewesen sein. Interessant manche der – verschwommenen – Details: das nur im Oberteil erkennbare Fenster, eine Leiter suggerieren verbotenen Einstieg des Begehrenden in den Ort des Geschehens. Der über das Bild gehauchte violette Farbton verfremdet die Szene und emanzipiert den Betrachter von ihr, nicht minder die schimmernden, schwebenden Glaskugeln, vielleicht Seifenblasen gleich – im nächsten Moment zerplatzend.
Erinnerungen, Fantasien, aus Vorgefundenem Wiedererkanntes, Angst Bereitendes und zugleich doch Ersehntes? Ein den Blick auf Vergangenes, Vergessenes, Verdrängtes öffnendes und doch zu mehr als der Hälfte verschleiertes Fenster? Schutz der Künstlerin, Schutz ebenso des Betrachters durch leicht als Klischee und Kitsch zu verrechnende (oder zu diffamierende?!) kulissenhafte Versatzstücke?
Fragen wir die Künstlerin: „Mich hat schon immer die Verfremdung und Neu-Montage moderner Alltagsszenen, aber auch von Elementen aus vergangenen Kunstepochen wie z.B. hier dem Sittengemälde, das menschliches Fehlverhalten nicht nur zeigt, sondern teils auch verdeckt, interessiert. Momente, in denen man den Bezug zur eigenen und äusseren Natur verloren hat.
Die Verfremdung bekommt durch surreale Komponenten, hier den blasen- oder ballartigen, häufig auch organischen Strukturen, weitere Ebenen. Dabei reizt mich die Neukontextualisierung bestimmter Erinnerungsmerkmale, die Aufarbeitung von Geschichte, Traumen und Prägungen – Extrakte des Menschseins.“
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