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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Archiv für März, 2016

„Hanauer Landstraße 147“: Jens Nagels, Götz Sambale, Hannes Schüppach, Walter Vorjohann, Daliah Ziper

2016, März 10.

Gefüllte Leere – „Hanauer Landstraße 147“ bietet Raum für Skulpturen, Film und Fotografie

Von Hanneke Heinemann

„Besenrein“ hinterlassene Leerstände können ein Glück für Künstler sein. In der Hanauer Landstraße 147 gibt ein solcher einer Künstlerin und vier Künstlern die Gelegenheit, ihre qualitativ ansprechenden und starken Arbeiten zu den Themen Mensch, Gegenstand und Natur vorzustellen. Sie zeigen unterschiedliche Positionen, die sich auf spannende Weise ergänzen. Die Ausstellung ist noch bis zum 31. März 2016 zu sehen. Sollte der Leerstand andauern, sind weitere Ausstellungen geplant.

Walter Vorjohann hat fotografische Erfahrungen mit „besenrein“ übergebenen Räumen. Nachdem die Stadt Frankfurt die Großmarkthalle an die Europäische Zentralbank übergeben hatte, aber noch bevor die Arbeiten zum Bau des Hochhauses und zum Durchbruch durch die Halle anfingen, hielt er die leeren Räume mit den Spuren der jahrzehntelangen Geschichte des Gebäudes fest. Ein Foto aus dieser Serie ist nun so auf einer Wand in der Hanauer Landstraße platziert, dass fast der Eindruck entsteht, die abgelebte Wand wäre auch aus der Großmarkthalle mitgenommen worden. Dieses Bild wird von einem kräftigen Grün dominiert, das in eine Kompostion von Durchblicken eingebunden ist. Ein von der Wand gerissenes Kabel und korrespondierende Türen und Fenster treten in einen Dialog mit Heizkörpern und einem liegen gebliebenen Schlauch. Und bilden so mit der Umgebung ein reizvolles Zusammen.

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Walter Vorjohann Weiterlesen

Breslau / Wrocław: Europäische Kulturhauptstadt 2016 (4)

2016, März 7.

Ein Rundgang durch das Breslauer Zentrum: Kirchen

Von Erhard Metz

Knapp 90 Prozent der Bevölkerung Polens ist römisch-katholischen Bekenntnisses, gut ein Prozent gehören der Polnisch-Orthodoxen Kirche an, daneben gibt es die Griechisch-Katholische und die eigenständige Polnisch-Katholische Kirche sowie die Altkatholische Kirche in Polen. Zur Evangelischen Kirche bekennen sich 0,2 Prozent der Bevölkerung.

Dieses Verhältnis spiegelt sich auch in Breslau wider: Neben dem Breslauer Dom als Erzbischofskirche stehen den knapp 90 römisch-katholischen, polnisch-orthodoxen und polnisch-katholischen Kirchen im Stadtgebiet heute drei evangelische Kirchengebäude gegenüber. Unser Rundgang konzentriert sich auf einige Bauten auf der Dominsel und in der Altstadt. Es sind altehrwürdige Baukörper, zumeist im Stil der Backsteingotik, fast alle wurden im Zweiten Weltkrieg stark oder sehr stark beschädigt und wurden danach wieder aufgebaut, oft nach den mittelalterlichen Bauplänen.

Kreuzkirche (Stiftskirche zum Heiligen Kreuz und St. Bartholomäus / Kolegiata św. Krzyża i św. Bartłomieja)

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Die hochgotische, doppelgeschossige Kreuzkirche ist nach dem Dom die zweitgrösste Kirche, 1288 gestiftet von Herzog Heinrich IV (dem Gerechten, um 1256-1290), Herzog von Breslau und Krakau und Princeps von Polen. Der Ende des 13. Jahrhunderts begonnene Bau wurde über die folgenden Zentennien fortgeführt (wobei die Krypta zu einer grundrissgleichen Unterkirche erweitert wurde) und im 17. und 18. Jahrhundert mit barocken Elementen ausgestattet. Die durch den Zweiten Weltkrieg zugefügten Schäden blieben begrenzt, so dass das Bauwerk wenig später wieder vollständig in seiner ursprünglichen Form wiederhergestellt werden konnte. Weiterlesen

Nantes und die „Küste der Liebe“ – ein Familienziel

2016, März 6.

Die Urlaubsplanung rückt nahe. Die französische Region Pays de la Loire ist ein romantischer Traum für die ganze Familie

Von Elke Backert

Man glaubt zu träumen. Auf der Île de Nantes am Ufer der Loire trottet einem so mir nichts dir nichts ein riesiger Elefant entgegen. Ganz gemächlich, so dass man sich nicht fürchten muss. Oder doch? Wenn er plötzlich trompetet und sein Rüssel Wasser sprüht und er mit den Augen rollt.

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Île des Machines: Faszinierend der zwölf Meter hohe Elefant, der bis zu 45 Passagiere tragen und auch Wasser spritzen kann

Dass die Geburtsstadt von Jules Verne und seinen erfundenen Welten ein solch majestätisches Tier hervorbringt, sollte nicht verwundern: Der Elefant ist eine Maschine, zwölf Meter hoch und 45 Tonnen schwer. Auf seinem Rundgang über die Insel von Nantes, bis 1987 dem Schiffbau vorbehalten, dürfen 40 Passagiere mit „an Bord“. Er spaziert dann den Quai des Antilles entlang! Das ist keine Science Fiction, das gibt es nur in Nantes und sonst nirgendwo! Weiterlesen

Das Kunstwerk der Woche (9)

2016, März 5.

 

Die Arbeit einer Künstlerin oder eines Künstlers
aus den Atelierhäusern in Frankfurt am Main

Eva Schwab, AtelierFrankfurt

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„Atom and Eve“, 2014, Wachs und Öl auf Nessel, 121 x 90 cm; Foto: Thomas Nitz

Von Erhard Metz

Auch wenn Eva Schwab ihren Arbeits- und Lebensschwerpunkt inzwischen nach Berlin verlegt hat, können wir die in Frankfurt am Main gebürtige Künstlerin noch mit einem zumindest „halben Bein“ in der Mainmetropole verorten, zumal sie im Atelier- und Ausstellungshaus „AtelierFrankfurt“ noch ihr Zweitstudio unterhält und an den dortigen Veranstaltungen wenn möglich teilnimmt.

Nicht nur Besucher der seinerzeitigen wunderbaren Ausstellung „Rockhounds“ in der Frankfurter Weissfrauen Diakoniekirche dürften in „Atom and Eve“ alsbald Eva Schwabs künstlerische Handschrift erkennen. Seit ihrer wohl ersten Ausstellung 1994 in Paris wurden ihre Arbeiten nicht nur deutschlandweit, sondern quer durch Europa wie auch fast schon rund um den Globus bekannt: in den Niederlanden in Alphen, Amsterdam, Den Haag und Eindhoven, in Antwerpen, Bordeaux, Montpellier, Wien und auf Kreta, in Istanbul und Izmir, in Los Angeles und New York, in São Paulo und im chinesischen Jinan.

„Atom and Eve“ fordert den Betrachter heraus. Nicht zufällig scheint die Künstlerin – nicht nur im Werktitel – auf die uralte Erzählung von Adam und Eva, auf den Sündenfall zu rekurrieren. Und nicht zufällig wird dieser Titel in Verbindung mit ihrem eigenen Namen stehen. Aber lassen wir zunächst die Künstlerin zu ihrer Arbeit sprechen: „Es sind die Rekombinationsmöglichkeiten, die Freudschen Versprecher und Neuinterpretationen von Erinnertem, die mich in meinen malerischen Collagen interessieren. In „Atom & Eve“ setze ich gefundene Bilder aus der Tagespresse, Zitate aus Schlöndorffs Film „Die Geschichte der Dienerin“, Krankenschwestern des ausgehenden 19. Jahrhunderts vor dem Pariser Nervenkrankenhaus Salpêtrière um eine atom-explodierende nackte Jeanne d’Arc in Szene. Eine von unzähligen Kreuzungsmöglichkeiten des assoziativen Gedächtnisses.“

Eva Schwabs Werke bestehen aus Bildern, die viel mit ihrer eigenen Lebensgeschichte zu tun haben, Bilder, die sie mit Abbildungen, Zeichen und Chiffren unserer Zeit wie auch der Vergangenheit vereinigt. „Schwabs Bilder“, schreibt Cathrin Nielsen, „werden zum Zeugnis unterschiedlicher Generationen, entwickeln sich aus dem persönlichen Anliegen ins Universelle.“ Und weiter: „Neu ist der sich erweiternde Spielraum und die Öffnung für Fantastisches, Mythologisches und Wissenschaftliches. Es ist nicht die Linearität der Zeit, die sie ins Bild setzt, sondern ihre Simultaneität, die sich in jedem Individuum erneut zur Erscheinung bringt: conscience collective, sedimentierte Erfahrungen, weitergepflanzte Erlebnisse, Projektionen, Narbe und Ornament.“ Dem kann eigentlich nichts mehr hinzugefügt werden.

→ „Rockhounds“: Eva Schwab in der Weissfrauen Diakoniekirche Frankfurt
→ Auftakt im Offenbacher Hafen: Dirk Baumanns, Eva Schwab, Matthias Vatter und Eva Weingärtner auf der „Schute Vita“
→ Eva Schwab, Niklas Klotz, Eun-Joo Shin: Drei künstlerische Positionen im ATELIERFRANKFURT
→ Die Künstlerin als Kuratorin: Corinna Mayer und ihr „Gästezimmer“

→ Das Kunstwerk der Woche (10)
→ Das Kunstwerk der Woche (1)

Der Brückenbauer Karl Dedecius (†)

2016, März 4.

Der Friedenspreisträger, Übersetzer und Herausgeber polnischer Literatur, Professor Karl Dedecius, wurde 2011 im Aachener Kaisersaal mit dem Polonicus ausgezeichnet. Verliehen wird der Preis vom Polnischen Kongress an Menschen, welche die polnische Kultur in Deutschland pflegen und gestalten. Anlässlich des Todes von Karl Dedecius veröffentlichen wir ein Interview, das Petra Kammann für die Zeitschrift …IN RHEINKULTUR (2/2011) mit ihm führte.

Petra Kammann: Sie gelten als der Vermittlerpolnischer Literatur und Kultur in Deutschland, weil Sie polnische Autoren in die deutsche Sprache übersetzten. Sie wurden 1921 als Sohn einer deutschstämmigen Familie, einer schwäbischen Mutter und eines böhmischen Vaters, in Łódź geboren und wuchsen dort zweisprachig auf. 1943 gerieten Sie in russische Gefangenschaft und lernten Russisch. Als Sie 1952 in die Bundesrepublik Deutschland übersiedelten, waren Sie zunächst bei einer Versicherung angestellt. In Ihrer Freizeit widmeten sie sich Ihrer Leidenschaft, der Übersetzung polnischer Literatur. Schon 1959 erschien Ihre erste Anthologie „Lektion der Stille“. Dabei übersetzten Sie „nach Feierabend“ u.a. so herausragende polnische Autoren wie Zbigniew Herbert und die Nobelpreisträger Czesław Miłosz und Wisława Szymborska. Woher hatten Sie ein so untrügliches Gespür für Literatur?

Karl Dedecius: Polen ist die Landschaft meiner Kindheit und Jugend: Die Schulen dort, die Lektüren, die ersten Abenteuer bis zur Reife in Łódź, in dessen einmaligem Klima des Zusammenlebens, Zusammenarbeitens, ja der Interessengemeinschaft von zumindest vier unterschiedlichen Ethnien, Glaubensbekenntnissen, Kulturen, Geschichtserfahrungen. Kindheit und Jugend sind prägend im Leben eines jeden; Erfahrung, Bildung und Ausbildung bleiben wirksam fürs ganze Leben. Daher das besondere Gespür für das „Andere“, für das andere Sprechen, Denken, Musizieren, Empfinden, Benehmen.

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Karl Dedecius, Foto © Petra Kammann Weiterlesen

Breslau / Wrocław: Europäische Kulturhauptstadt 2016 (3)

2016, März 3.

Ein Rundgang durch das Breslauer Zentrum: Universität und Barockes Breslau

Von Erhard Metz

Universität Breslau / Uniwersytet Wrocławski

Vergleichbar wechselvoll wie die Geschicke des Breslauer Doms liest sich die Geschichte der Universität Breslau. 1702 wurde sie als Leopoldiana von Kaiser Leopold I. mit einer philosophischen und einer katholisch-theologischen Fakultät gestiftet. Eindrucksvoll erstreckt sich das 170 Meter lange, in den Jahren 1728 bis 1771 errichtete Gebäude entlang der Oder.

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1811 wurde die Leopoldiana mit der Brandenburgischen Universität Frankfurt zur „Schlesischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Breslau“ vereinigt. Als erste deutsche Universität erhielt sie – neben den Bereichen Philosophie, Recht und Medizin – jeweils eine Fakultät für katholische und für evangelische Theologie. Im Sommer 1945 wurde die Hochschule aufgelöst und statt ihrer eine polnische Universität gegründet, die 1946 eröffnet wurde. Heute bestehen Partnerschaften der Uniwersytet Wrocławski mit der Ruhr-Universität Bochum und der Universität zu Köln. Weiterlesen

Breslau / Wrocław: Europäische Kulturhauptstadt 2016 (2)

2016, März 1.

Ein Rundgang durch das Breslauer Zentrum: Dom, Ägidiuskirche, Rathaus

Von Erhard Metz

Breslauer Dom (Kathedrale St. Johannes der Täufer / Archikatedra św. Jana Chrzciciela)

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Über die Dombrücke, behängt mit geschätzt tausend und mehr „Liebesschlössern“, sind es wenige hundert Meter zum Dom mit den charakteristischen Doppeltürmen. Links grüsst die Kreuzkirche.

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Im Grunde ist es der vierte Dom an dieser Stelle, den wir heute sehen. Bereits der erste wurde um das Jahr 1000 auf Mauerresten von Vorgängerkirchen errichtet, brannte jedoch wenige Jahrzehnte später ab und wurde Mitte des 11. Jahrhunderts durch eine neue Domkirche, eine frühromanische dreischiffige Basilika, ersetzt, die wiederum zu einer Kirche im romanischen Stil umgebaut wurde. Es folgten Erweiterungen und Neubauten im gotischen Stil. Das heute sichtbare Gebäude mit dem Langhaus, einem neuen Chorbau und der Doppelturmfassade basiert auf Baulichkeiten zwischen den Jahren 1244 bis 1341. Weiterlesen