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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Archiv für März, 2016

„ADA“ – Ausstellung von Anke Mila Menck im ATELIERFRANKFURT

2016, März 22.

Von der Leichtigkeit des Schwebens

Von Erhard Metz

Mit dem Schweben ist das so eine Sache: Wer schwebt, hat noch längst nicht den Himmel oder ein „Oben“ erreicht, andererseits aber bereits den sicheren Boden verlassen. Nun schwebt gottlob nicht die Künstlerin Anke Mila Menck, sondern sie lässt schweben: silberne, mit Helium gefüllte Ballons unterschiedlicher Form und Grösse. Diesen wohnt inne, versteht sich, mit Hilfe des Auftriebs (bekanntlich ist Helium leichter als Luft) irdischer Schwerkraft zu entfliehen, welche Erfahrung schon manches Kind machte, das weinend seinem auf Nimmerwiedersehen entschwebenden Jahrmarktsluftballon nachsah. Aber so weit lässt es die Künstlerin nicht kommen: Ihre Ballons bleiben an den Boden – konkret den Dachboden der Residenz von AtelierFrankfurt – gebunden, aber auf welche Art und Weise! „Beschwert“ nämlich sind sie mit leichtesten Materialien, mit Wollfäden, mit Tüchern und Stoffen aus Nessel, Tüll oder gar Seide – gerade um jene wenigen Gramm gewichtiger als der mit Helium gefüllte, in die Höhe strebende Ballon. „Das Ganze“, sagt Anke Mila Menck, „ist ein in der Aufwärtsbewegung stillstehendes Steigen. Last und Auftrieb balancieren sich aus“.

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„ADA“ gibt Anke Mila Menck ihrer ortsspezifischen Installation – oder handelt es sich um eine nicht minder ortsbezogene raumfüllende Skulptur – zum Namen. Leicht könnte man mit diesem gewissermassen symmetrischen Kunstwort den Profilquerschnitt des ebenfalls symmetrisch als ein gleichschenkeliges Dreieck ausgeführten Dachraums assoziieren. Eine Arbeit, die geradezu nach einem solchen lichtdurchfluteten, in reinem Weiss gestrichenen Raum verlangt, sich nach oben hin verjüngend, mittig mit einer Reihe schlanker, den freien Blick nicht behindernder Säulen. Wie auch umgekehrt dieser schlichte wie zugleich dynamische Raum – ein Gegensatz zum White Cube – nach einer spielerischen, luftig-leichten wie überaus sinnlichen Arbeit zu verlangen scheint. Weiterlesen

Cortina d’Ampezzo: Verzauberte Winterwelt der Dolomiten

2016, März 20.

Von Elke Backert

Das italienische Veneto, zu deutsch Venetien, ist eine Region, die ein komplettes touristisches Angebot bietet. Dazu gehören Kunststädte, die ihresgleichen suchen, angefangen bei Venedig, aber auch mehr als hundert Kilometer Sandstrand, die Dolomiten im Sommer wie im Winter, der Gardasee, einer der größten Seen Europas, mit Abano Terme und Montegrotto Terme ein schönes Thermalgebiet und zahlreiche Naturparks, darunter der des Po-Deltas. Auch Europas höchst gelegene Sauna auf 2752 Meter, „Lagazuoi refuge“. Und nicht zu vergessen, Europas höchst gelegenes Museum – auf 2950 Meter das Weltkriegsmuseum auf der Marmolada (3265 m). Ja, es gibt sogar einen von Pferden gezogenen Skilift und 56 Hütten, die das ganze Jahr über offen sind. Auf Schritt und Tritt begleitet wird man dabei von den Gaumenfreuden, die vorzügliche Weine und traditionelle Küche verheißen.

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Fassadenmalerei in Cortina d’Ampezzo Weiterlesen

„Il Trittico“ – (Das Triptychon) von Giacomo Puccini an der Oper Frankfurt

2016, März 19.

Zweite Wiederaufnahme – Zusammen an Bord die lebenden und die toten Seelen

Von Renate Feyerbacher
Fotos: Barbara Aumüller/Oper Frankfurt

„Il trittico“ hatte am 13. Januar 2008 Premiere. Die zweite Wiederaufnahme nach acht Jahren hat dank des fantastischen Sängerteams nichts an Strahlkraft eingebüsst. Zum Triptychon gehören die Einakter „Il tabarro“ (Der Mantel), „Suor Angelica“ (Schwester Angelica) und „Gianni Schicchi“. Alle drei sind verbunden durch Variationen über den Tod. Eifersucht, Begehren, Mord und Suizid kennzeichnen den „Mantel“. Sehnsucht nach dem Kind, Verzweiflung über dessen Tod und Suizid sind Thema von „Schwester Angelica“. In „Gianni Schicchi“ ist es das makabre Spiel mit einem Toten, inszeniert aus Geldsucht. Allenfalls im letzten Stück gibt es etwas zu lachen.

Giacomo Puccini (1858-1924) hat diese drei musikalisch und thematisch unterschiedlichen Stücke komponiert, die er an einem Abend vereint sehen wollte, bestand aber schon vor der Uraufführung an der New Yorker Metropolitan Opera 1918 nicht mehr auf einem Gesamt-Abend.

IL TRITTICO | Giacomo Puccini | Il tabarro (Der Mantel) | Suor Angelica (Schwester Angelica) | Gianni Schicchi WA 13.03.2016 | Oper Frankfurt Musikalische Leitung Jakub Hrůša Regie Claus Guth Szenische Leitung der Wiederaufnahme Corinna Tetzel Alan Barnes Bühnenbild Christian Schmidt Kostüme Anna Sofie Tuma Licht Olaf Winter Dramaturgie Norbert Abels Chor Tilman Michael IL TABARRO (Der Mantel) Michele Zeljko Lucic Giorgetta Elza van den Heever Luigi Vincent Wolfsteiner Frugola Claudia Mahnke Tinca Hans-Jürgen Lazar Talpa Alfred Reiter Liederverkäufer Beau Gibson Ein Liebespaar Ingyu Hwang* Jessica Strong* Chor der Oper Frankfurt Frankfurter Opern- und Museumsorchester

Il tabarro: Vincent Wolfssteiner (Luigi) und Elza van den Heever (Giorgetta); Foto © Barbara Aumüller

Das Bühnenbild von Christian Schmidt, ein Schiff mit zwei Ebenen, ist immer in Bewegung und bietet die Kulisse für alle drei Stücke: Es ist Schlepperkahn, Kloster und Sterbezimmer. Oben, neben den Räumen für die Lebenden, befindet sich das Deck der toten Seelen, die auf dem „Totenschiff“ umher wandeln. Beide Ebenen sind durch eine grosse Treppe verbunden. Weiterlesen

Kultur als Leitkultur – ein Missverständnis

2016, März 18.

Von Gunnar Schanno

Gilt das Zivilisatorische als des Menschen erste Natur, wenn wir sie richten auf das substantiell auch Biologisch-Funktionale, so gilt Kultur gemäß traditioneller Kulturlehre als seine zweite Natur. Mit dieser zweiten Natur bestimme der Mensch über alle Funktionalität und über das Eigentliche hinaus sich selbst und seine Lebenswelt, die er wie einen zweiten Kosmos unendlich perspektivenreich und künstlerisch als das Uneigentliche erschafft. Der Kulturmensch, nicht der Zivilisationsmensch, repräsentiert Individualität. Sodann ist es auch dieser Mensch als Kulturwesen, der sich in kulturell-transzendierender Erhöhung versinnbildlicht. Fauna, Flora und Erdreich sind ihm da Teile seines Habitats, über das er meisthin in zivilisatorisch-nutzender bis ausbeutender Vereinnahmung bestimmt, sie aber auch aus der Perspektive des Kulturmenschen in künstlerischem Symbolreichtum in Szene setzt.

In all diesem Wandelbaren im kulturellen Ausdruck, in seiner Bestimmung als Kulturmensch liegt also seine geradezu unerschöpflich differenzierte Ausstattung, die ihn zu vielfältigsten Ausdrucksformen bis hin zu ästhetischen Formen jenseits aller Ratio befähigt, die ihn drängend als geschichtliches, künstlerisch gestaltendes, sich selbst verfremdendes und zugleich erhöhendes Wesen wahrnimmt. Er nimmt sich also nicht allein zum Subjekt im Erkenntnisprozess zivilisatorisch-geleiteter Analysierung, er erschafft sich selbst in gewissermaßen emotions- und phantasiegeleiteter schöpferischer Kultur. Im Reich der Kultur ist also der Mensch der letztlich immer Gestaltende, der Formengebende, ist ein Künstler, ein Spiritueller im Kleinsten wie im Größten, verbindet archaische Elemente mit elektronischen Emanationen, huldigt Göttern, Propheten und Helden aus alten Zeiten, folgt irrational selbstverleugnend religiösen und politischen Führern der Jetztzeit. Auffallendste Artefakte der Kultur verbreiten sich seit Pyramidenzeiten in die Welt. Hochkultur an ihnen war nicht damalige bauliche Technik, sondern ihre überwältigend religiös-mythisch getriebene Schöpferkraft.

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Pyramiden von Gizeh; Bildnachweis: Micetta/wikimedia commons CC Weiterlesen

Das Kunstwerk der Woche (11)

2016, März 17.

 

Die Arbeit einer Künstlerin oder eines Künstlers
aus den Atelierhäusern in Frankfurt am Main

Diane Preyer, AtelierFrankfurt

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„Museum“, Öl auf Nessel, 55 cm x 40 cm; Foto: Diane Preyer

Von Erhard Metz

Es könnte eine Theaterkulisse, ein Bühnenbild sein. Wir denken vielleicht an den lichtdurchfluteten Weisheitstempel des Sarastro in Mozarts „Zauberflöte“ („In diesen heil’gen Hallen …“). Gleich könnte würdevoll der Chor der Priester aus dem weiten Raum hinter den Säulen einziehen. Aber die Priester bleiben aus. Überhaupt – Menschen sind nicht zu sehen, wie nirgends in den Bildern der Malerin, allenfalls Ausblicke aus einer Architektur heraus in eine ruhige, stille Natur.

Die Säulen verfügen nicht über eine Basis, wohl aber über ein Kapitell. Sie spiegeln sich in einem poliert wirkenden Boden, in welchem sie dennoch nicht verwurzelt sind. Im Gegensatz zur schlichten, verschatteten Decke des Raumes ziert diesen Boden ein auffällig kontrastierendes Dekor. Das Bild mit der Perspektive in ein nicht mehr fassbares, in ein ins Unendliche transzendierendes Licht erscheint perfekt durchkonstruiert, durchkomponiert. Die markante winkelige schwarze Ornamentik des Bodenbelags wiederholt sich in zarthellem Pastellviolett.

Natürlich handelt es sich um einen fiktiven Raum – und dennoch stellen sich Fragen beim Betrachter: Warum könnten Menschen einen solchen Saal gebaut haben, für welchen Zweck könnte er genutzt werden, hielten wir uns gerne – wenn es ihn gäbe – in ihm auf, wollten wir gar, die Säulen hinter uns lassend, unsere Schritte in das Unbekannte, Diffuse, Unbestimmbare, gar Angsteinflössende lenken?

Oszilliert das Bild zwischen einem verwunschenen Zauberschloss und einem kafkaeskem Justizpalast, der einen Wahrheit und Gerechtigkeit Suchenden niemals an ein Ende kommen lässt? Oder ist alles nur ein geniales Spiel – Verwirrspiel – der Künstlerin?

Ein kurzes Statement von Diane Preyer: „Die Architektur dieses Bildes ist – wie bei allen meinen Bildern – fiktiv und in einem 3d-Programm entworfen. Das heisst es gibt ein digitales Modell dieser Architektur, das als perspektivische Vorlage dient. Der Titel hat übrigens keine grosse inhaltliche Bedeutung. Er ist einfach die nächstliegende Beschreibung eines Raumes dieser Art gewesen …“

→ FAT – Frankfurter Ateliertage 2014 (3)
→ Frankfurter Ateliertage 2012: Drei malerische Positionen im ATELIERFRANKFURT

→ Das Kunstwerk der Woche (12)
→ Das Kunstwerk der Woche (1)

Elisabeth-Norgall-Preis 2016 des International Women’s Club an Hanne Brenner

2016, März 16.

Hanne Brenner: Initiatorin des Vereins „Kleine Glücksritter“
Welch Glück, zu den Helfenden zu gehören

Von Renate Feyerbacher

Zum 39. Mal verlieh der International Women’s Club of Frankfurt (IWC) seinen Elisabeth-Norgall-Preis, dieses Mal wieder im Hotel Intercontinental. Nach der Begrüssung durch die Club-Präsidentin Elena Vonofakou sprach Friederike Schlegel, die Beauftragte der Stadt Frankfurt für die Belange von Menschen mit Behinderungen. Sie erzählte von ihrer Polioerkrankung in der Kindheit, vor allem aber von den Bemühungen der Stadt, sie baulich barrierefrei zu gestalten. Architekten seien ständige Gäste in ihrem Büro, und sie habe ein Mitspracherecht bei Bauten. Susanne Held, 1. Club-Vizepräsidentin und Leiterin des Norgall-Commitees, entwickelte ihre Laudatio aus den Worten „Freundschaft“ und „Glück“. Die Sängerin Hilda Lateo aus Malta begleitete die Feier mit flotten, gekonnt interpretierten Songs.

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Hanne Brenner, Trägerin des Elisabeth-Norgall-Preises 2016

Diesmal galt die Auszeichnung wieder einer deutschen Frau: Hannelore Brenner, bekannt als Hanne Brenner. Sie ist Spitzensportlerin, genauer gesagt eine Spitzenreiterin. Die 1963 in Lüneburg Geborene begann erst mit 12 Jahren das Reiten. Es war zu wenig Geld da, um den Sport zu finanzieren. So hat sie Pferde geputzt und sich mit den Tieren vertraut gemacht. Vor 30 Jahren erlitt sie einen schweren Reitunfall bei einer Vielseitigkeitsprüfung. Sie stürzte. Seitdem ist sie inkomplett querschnittsgelähmt, das heisst, ein Teil der Nerven im Rückenmark wurden zerstört, so dass es ihr noch möglich ist, an Stöcken zu gehen. Zur Preisverleihung hatte sie den Rollstuhl verlassen können und war mit Gehstöcken gekommen. Offen sprach sie über ihre körperlichen Probleme, die schwachen, ja fehlenden Muskeln, die Blasenschwäche, die eine Querschnittslähmung mit sich bringen. Weiterlesen

Voyage à Nantes – Reise in die innovative Stadt

2016, März 15.

Nantes ist eine Reise wert, vor allem, wenn man sehen will, wie eine Region, deren Industrie an Bedeutung verloren hat, sich mit attraktiven kulturellen Angeboten neu aufstellt. Als Nantes 2013 die Umwelthauptstadt Europas wurde, war bei der Stadtplanung viel Phantasie, Bürgerbeteiligung und vor allem Nachhaltigkeit im Spiel.

Eindrücke einer Stadt im Wandel von Petra Kammann

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Nantes am Ufer der Loire: Blick vom Musée Jules Vernes aus auf die früheren Werften

Als vor mehr als zwanzig Jahren, 1989, Jean-Marc Ayrault, der einstige Deutschlehrer und heutige französische Außenminister, Bürgermeister von Nantes wurde, schloss man gerade die letzten Werften. Nantes galt als graue unregierbare Stadt mit ungewisser Zukunft. Und die Menschen fühlten sich den Herausforderungen der Zukunft nicht gewachsen. Mit viel Durchstehvermögen schaffte Ayrault es, nach und nach aus Nantes eine blühende Metropole zu machen, indem er zunächst das Potenzial in kulturellen Projekten ausschöpfte. Hinzu kamen städtebauliche Visionen.

Die Metropolregion Nantes mit ihren ca. 600.000 Einwohnern hat in den letzten Jahren ehrgeizige Projekte verfolgt wie städtische Mobilität, Klimaschutz und Biodiversität. Und sie hat bewiesen, „dass wirtschaftliche Entwicklung und Umweltschutz durchaus nicht unvereinbar sind“. Das unterstützte die Argumentation der Jury der Europäischen Kommission in ihrer Entscheidung, Nantes 2013 als „Green Capital fit for life“ auszuzeichnen. Kommt man heute am Hauptbahnhof mit dem TGV an, so ist man ein paar Schritte weiter gleich im interessantesten botanischen Garten, dem Jardin des Plantes. Weiterlesen

Renate Sautermeister: „Skripturen“ und „Farbsuggestionen“

2016, März 14.

Zwei Ausstellungen in der Frankfurter Galerie DAS BILDERHAUS und im Institut für Stadtgeschichte Frankfurt am Main

Von Brigitta Amalia Gonser

Das Œuvre der renommierten Frankfurter Künstlerin Renate Sautermeister (1937- 2012) umfasst Malerei, Zeichnungen, Radierungen, Objekte, Fotografie, Bühnenbilder. Sie arbeitete gattungsübergreifend, auch wenn ihr Ausgangsstudium Freie Graphik war – und das sowohl an der Kunstschule in Bonndorf, wo sie „das Zeichnen von Grund auf gelernt hat“, als auch an der Werkkunstschule in Wiesbaden, wovon nicht nur ihre frühen informellen Zeichnungen, sondern die späteren Zeichnungen und Radierungen zeugen. Mehr noch: Ihr Duktus bewahrt auch in der Malerei graphische Strukturen.

Daher zeigt die Ausstellung „Skripturen“ in der Galerie Das Bilderhaus eine repräsentative Auswahl des graphischen Gesamtwerks Renate Sautermeisters: von frühen figurativen Radierungen über Lithographien mit surrealen Grubenlandschaften zu den ideatischen Formenspielen ihrer späten Radierungen und Treppen-Skizzen, die Graphisches und Malerisches vereinen. Die Zeichnung war für sie stets eine sehr persönliche, intime und geistige Angelegenheit, die sie „Skriptur“ nannte.

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Schöner Wohnen, bemalte Objekte, 1969, modifizierter Gips auf Maschendraht, Foto © Nikolaus Jungwirth

Nach dem Studium teilte sich Renate Sautermeister mit Nikolaus Jungwirth ein Atelier in Wiesbaden. Aus dieser bewegten Zeit der 1960er Jahre stammen die stilistisch von der Pop-Art geprägten Farbradierungen und Objekte, wie man sie im Klavierraum der Galerie sehen kann.

Mit dem 1. Kölner Kunstmarkt 1967 explodierte die Nachfrage nach amerikanischer Pop-Art in Deutschland. Deutsche Galerien rissen sich um die amerikanischen Künstler. Pop- und Op-Art dominierten auch die 4. documenta in Kassel von 1968. Die 1960er Jahre wurden zur Ära der Popkultur, Alltagsgegenstände zur Kunst.

Für die Künstler aus Düsseldorf, Berlin, München und Frankfurt kam die neue gegenständliche Kunst aus Amerika und England wie ein Schock, auf den sie augenblicklich antworten wollten. German Pop erzählt von der Sehnsucht, die graue Nachkriegszeit hinter sich zu lassen, von dem Bedürfnis, Humor, Ironie und Leichtigkeit in die Kunst zu bringen, und von einer rasanten Politisierung im Sinne der Gesellschaftskritik der 68er-Bewegung, die dann nach ganz anderen Bildern verlangte.

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(v.l.) Gefahr I, 1969, Radierung, 42 x 33 cm; Notwehr, 1969, Radierung, 50 x 40 cm; Gefahr II, 1969, Radierung, 42 x 33 cm, Fotos © Peter Grün Weiterlesen

Das Kunstwerk der Woche (10)

2016, März 12.

 

Die Arbeit einer Künstlerin oder eines Künstlers
aus den Atelierhäusern in Frankfurt am Main

Johannes Kriesche, AtelierFrankfurt

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„Musenträne des Magus“, Bodeninstallation mit akustischen und optischen Sequenzen (ein Werk zur LUMINALE 2016 im Kunstverein Familie Montez), LED-Tubes, Silikon, Glaskugeln, Handys, Eisen, ca. 150 x 100 x 60 cm, Fotos Johannes Kriesche, © VG Bild-Kunst, Bonn

Von Erhard Metz

Ein singuläres Kunstereignis steht in Frankfurt und Offenbach bevor: Die LUMINALE. Nun wissen wir nicht, von welchem Satan die Veranstalter geritten wurden, als sie die Eröffnung dieses Spektakels auf einen Sonntagabend legten, noch dazu auf den „super sunday“ der drei Landtagswahlen, an welchem der Staatsbürger doch den Gang der politischen Dinge am Bildschirm verfolgen möchte! So weit, so schlecht. Wenden wir uns lieber dem Kunstwerk dieser 10. Woche des inzwischen älter gewordenen Jahres zu.

Bereits seit vier Luminalen beschäftigt sich der Künstler Johannes Kriesche mit Licht im Außenraum. Zum diesjährigem Event hat er sich auf eine Überlegung konzentriert: Was passiert, wenn Kunstwerken, die mit Licht zu tun haben, das Licht ausgeht?

Nun, Johannes Kriesche weiss eine Antwort: „Bei der LED-Technik ist eine extrem lange Leuchtdauer schon erreicht, sie umfasst bei guten hochwertigen LEDs an die 50.000 Stunden und mehr, das ist schon sehr effektiv und nachhaltig. Nur irgendwannn erlischt sie halt doch, und dann ist es so eine Sache mit der Ersetzbarkeit. Ich gehe da einen zweiten Weg, der den Anspruch hat, dass die Lichtplastik auch ohne künstliches Licht eine hohe Wirkung hat und künstlerischen Charme ausstrahlt: Durch den Einsatz von kleinen Glaskugeln, in der Industrie auch Mahlperlen genannt (hat also nichts mit Malerei zu tun, sondern mit Mühlwerken), erreiche ich eine Reflexion des Tageslichts, was mich an meine anfängliche Begeisterung für Pointilisten in der Malerei erinnert. Das Licht ist ein Punkt, ist ein weitere Punkt …

Die erste Arbeit war ein reiner Zufall aus Neugier: In meinem Atelier hing ein Trichter an der Wand und ich steckte aus Jux einen Pinsel rein, wie ein Ready-Made. Ich beklebte den Trichter nun mit den Glaskugeln, die sich gegenseitig ein wunderbares Licht zuwerfen – und einer von sieben ‚Musenbusen# war entstanden! Daraufhin entwickelte ich einen Lichtknoten („Unlösbare Erinnerungen“) mit einem biegsamen LED-FlexTube.

Und so konnte ich die Idee weiterführen für die LUMINALE: Die ‚Musenträne des Magus‘. Im Mittelpunkt steht ein blaues Blütenblatt, das umgeben wird von einer halben Form eines Tropfens – als wenn man in einen Bernstein schaut, der ein Insekt oder Pflanzenteil aus der Frühzeit der Entwicklung in sich birgt … Der Titel der Arbeit zielt darauf hin, dass im Mittelalter ein Künstler sich nicht nur als Handwerker verstand, sondern auch als Wissenschaftler und Magier (lateinisch: Magus) und sich mit Phänomenen der Natur beschäftigte (z.B. Linsentechnik, Magnetismus). Erst in der Romantik, die sich mit einer Art Logo, der blauen Blume verbindet, die wiederum auf einen Roman von Novalis zurückgeht, wurden erneut und verstärkt optische, akustische und andere Phänome begeistert untersucht und ausgestellt.

Ich habe versucht, die blaue Blume mit der Kommunikation von heute zu verbinden: Unsere Gesellschaft kommuniziert mit diesem kleinen Apparat, der wirklich von Magie ist, dem Smartphone. Wir, Ihr, Ich, Du, Sie, Er, gebrauchen es tagtäglich und tragen eigentlich Magie mit uns herum. Wie wunderbar einerseits, jedoch andererseits wie abhängig, entsinnlicht und zeitraubend zugleich unsere Welt davon beherrscht wird – dies versuche ich mit dieser Lichtplastik anzudeuten.“

Die LUMINALE 2016 beginnt am Sonntag, 13. März 2016 mit Einbruch der Dunkelheit. Die „Musenträne des Magus“ ist – mit Lichtkunstwerken vieler anderer Künstlerinnen und Künstler – bis zum 18. März im Kunstverein Familie Montez zu sehen. Unser Rat: unbedingt hingehen!

→ „Zeitschleifen“: Brigitte Gutwerk und Johannes Kriesche im Haus der Stadtgeschichte Offenbach
→ „Hang up for Christmas“ im ATELIERFRANKFURT
→ WHAT’S THE F***? – ATELIERFRANKFURT feiert die Eröffnung der neuen Räume

→ Das Kunstwerk der Woche (11)
→ Das Kunstwerk der Woche (1)

Susanne Ludwig und Marina Falco in der Frankfurter Westend Galerie

2016, März 11.

„Orte und Wege“ / „Luoghi e sentieri“

Von Erhard Metz

Susanne Ludwig reiste aus Berlin, Marina Falco aus Mailand zur Ausstellungseröffnung an. Beide Künstlerinnen trafen sich in der Frankfurter Arndstrasse zum ersten Mal zu einem Dialog ihrer Werke, wie Barbara Thurau von der Westend Galerie anmerkte: einem Dialog zwischen einer deutschen und einer italienischen Künstlerin, deren Arbeiten bei aller Unterschiedlichkeit doch einige Gemeinsamkeiten aufweisen.

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Vernissage: (v.l.) Susanne Ludwig, Marina Falco, Caroline Lüderssen (Mitglied des Vorstands der Deutsch-Italienischen Vereinigung), Barbara Thurau (Frankfurter Westend Galerie), Salvatore A. Sanna (Leiter der Galerie)

Die laufende Ausstellung bildet im Jubiläumsjahr der Deutsch-Italienischen Vereinigung und der in derem Hause residierenden Frankfurter Westend Galerie – beide Kulturinstitutionen wurden 1966 gegründet und feiern gemeinsam ihr 50jähriges Bestehen – die Auftaktveranstaltung zu einer Ausstellungsreihe, die, wie das Jubiläumsjahr insgesamt, unter dem Motto „Begegnungen – Incontri“ steht. Begründet von der verstorbenen Trudi Müller und von Salvatore A. Sanna, Vorstandsvorsitzender der Deutsch-Italienischen Vereinigung und der Frankfurter Stiftung für Deutsch-Italienische Studien, bietet die Galerie der italienischen Kunst sowie deutscher Kunst mit einem Bezug zu Italien ein einzigartiges Forum in Frankfurt.

Den beiden Künstlerinnen Susanne Ludwig und Marina Falco – letzterer begegneten wir bereits im Herbst 2014 in der Ausstellung „Michelangelo heute – Michelangelo oggi“ – geht es um Wege und Reisen: zu Orten der Sehnsucht, der Erinnerung, aber auch des Schmerzes. Weiterlesen