„Le Cantatrici Villane“ von Valentino Fioravanti an der Oper Frankfurt
Theater im Theater
Von Renate Feyerbacher
Fotos: Barbara Aumüller / Oper Frankfurt
Das Dramma giocoso – deutscher Titel „Aufstieg der Sängerinnen“ – von Valentino Fioravanti hatte am 23. Januar 2016 Premiere im Bockenheimer Depot. Besprochen wird die Vorstellung am 29. Januar.
Spritzige, schöne Musik, turbulenter, klamaukhafter Inhalt, ein toller Faschings- beziehungsweise Karnevalsspass (jemand neben mir sagt in der Pause: “Kölle Alaaf“). Dieser Spass ist der pfiffigen Inszenierung, den mitreissenden Sängerinnen und Sängern, dem lebhaft musizierenden Orchester unter Karsten Januschke zu verdanken. Häufiges Lachen, viel Beifall aus dem Publikum.
Nachdem selbst das Brockhaus-Musiklexikon und das dicke Reclam-Komponisten-Lexikon den italienischen Komponisten Valentino Fioravanti (1764-1837) nicht verzeichnen, schäme ich mich nicht meiner Bildungslücke, ihn noch nicht gekannt zu haben. Fioravanti, einige Jahre jünger als sein Zeitgenosse Wolfgang Amadeus Mozart, schrieb über 70 Opern. Seine erfolgreichste, „Le Cantatrici Villane“, uraufgeführt 1799 in Neapel, war ein Renner auf europäischen Bühnen. Selbst Johann Wolfgang Goethe inszenierte sie höchstpersönlich in Weimar. Leider erlebte die Oper bis zur Unkenntlichkeit verstümmelnde Umarbeitungen. Die Frankfurter Fassung ist vom Komponisten, Dirigenten und Musikautor Roberto Tigani in der Bologneser Edizione Bongiovanni erschienen.
(v.l.n.r.) Jessica Strong (Rosa), Katharina Ruckgaber (Nunziella) und Karen Vuong (Agata); Foto © Barbara Aumüller
In einem Dorf bei Rom begegnet Kapellmeister Don Bucefalo vier gesanglich talentierten Damen: Rosa, Agata, Gianetta und Nunziella. Er redet ihnen ihr Talent buchstäblich ein. Ausbildung nicht nötig, ihre Ohren reichen ihm als Qualifikation. Sein Schüler Don Marco würde gerne Sänger werden, hat genug Geld für die Ausbildung und vor allem ein Cembalo. Nun werden die beiden zu Konkurrenten, denn beide wollen die Witwe Rosa heiraten. Angeblich ist deren Mann Carlino tot. Der erscheint aber plötzlich, unkenntlich gemacht, und gibt sich als Carlinos Freund aus. Als Carlino merkt, wie Don Bucefalo seiner Frau, der angeblichen Witwe, den Hof macht, flippt er aus. Sogar etwas Gift im Wein soll den Nebenbuhler beseitigen. Kapellmeister Don Bucefalo erfährt es und steigert seine Angst in eine Paranoia. Carlino, der auch die Theaterproben ständig stört, hört auch Don Marcos Heiratsantrag an Rosa. Nun rast er vor Eifersucht und flippt total aus. Er gibt sich endlich zu erkennen. Don Marco und Nunziella verlassen das Opernprojekt und heiraten. Natürlich: Ende gut, alles gut.
Maren Favela (Giannetta); Foto © Barbara Aumüller
Es wird italienisch gesungen, die Texte werden übersetzt. Der Zuschauer muss konzentriert auf dem Posten sein, um die feinen Raffinessen des schnellen Geschehens mitzubekommen.
Mit Witz und Ironie hat die italienische Regisseurin Caterina Panti Liberovici inszeniert – es ist ihr Regie-Debüt an der Oper Frankfurt. Köstlich, so mancher Regie-Einfall. Der ebenfalls italienische Bühnenbildner Sergio Mariotti, mit dem die Regisseurin schon lange zusammenarbeitet, schuf einen fabelhaften Rahmen: ein Theater auf dem Theater mit roten Polsterstuhl-Reihen, vor der Bühne die Regieassistenten-Posten, auf der Bühne bewegliche Elemente, die die Aktiven manchmal rein- und rausfahren. Immer mehr Räume öffnen sich.
Mariotti leitet die Theaterwerkstätten in Mailand. Mitgebracht hat Regisseurin Caterina Panti Liberovici auch ihre Kostümbildnerin, Caterina Botticelli, die unter anderem am Mailänder Piccolo Teatro arbeitete und heute beim Maggio Musicale in Florenz und beim Rossini Opera Festival beschäftigt ist. Grandiose Roben hat sie für die vier Möchtegern-Sängerinnen entworfen, die in den Werkstätten der Städtischen Bühnen fantastisch ausgeführt wurden. Licht-Designer Jan Hartmann hat mit seinem Licht-Spiel das Geschehen beeindruckend begleitet.
Hervorstechend in der Rolle des Don Bucefalo ist der Bariton Björn Bürger, Jahrgang 1985. Der gebürtige Darmstädter, Sohn eines Lehrerpaares, hat schon als Schüler musiziert, gesungen, Theater gespielt, war bereits ein Rio Reiser-Interpret. Rio Reiser? Bürger wohnte in derselben Strasse wie Ralph Christian Möbius alias Rio Reiser, Frontmann der Band „Ton Steine Scherben“. Während seines Studiums an der Frankfurter Hochschule für Musik und Darstellende Kunst (von 2007 bis 2013) bei der Sängerin Hedwig Fassbender sang er schon in Produktionen an der Oper Frankfurt und anderenorts. 2012 gewann er den 1. Platz beim Bundeswettbewerb Gesang in Berlin. Seit der Spielzeit 2013/2014 ist er Ensemblemitglied, und in diesem Jahr gibt er sein Debüt beim Glyndebourne Festival als Figaro. Was für eine Karriere!
(v.l.n.r.) Björn Bürger (Don Bucefalo) und Michael Porter (Carlino); Foto © Barbara Aumüller
Es ist eine wahre Freude, wie Björn Bürger diese Partie singt und spielt. Ein musikalisch-schauspielerisches Multitalent.
Die Kanadierin Jessica Strong, noch Mitglied im Opern-Studio, auch bereits international aktiv, erfreut durch ihren klaren Sopran, der wunderbar die Höhen erklimmt. Die mehrfach ausgezeichnete amerikanische Sopranistin Karen Vuong, sehr erfolgreich an der hiesigen Oper und an nordamerikanischen Opernhäusern, präsentiert eine kecke, freche Agata, Maren Favela als Gianetta und Katharina Ruckgaber als Nunziella stehen ihr nicht nach in Keckheit und Frechheit und musikalischem Glanz.
Bassbariton Thomas Faulkner, promovierter Historiker, Mitglied im Opernstudio, auch international gefeiert, verleiht der Rolle des Don Marco eine teils schräge, teils schön intonierende Klangfarbe. Michael Porter, der seit Beginn dieser Spielzeit vom Opernstudio ins Ensemble wechselte, setzt seinen herrlichen Tenor als Carlino ein.
(vorn) Karsten Januschke (Musikalische Leitung; mit dem Rücken zum Betrachter) und das Frankfurter Opern- und Museumsorchester sowie im Hintergrund das Ensemble; Foto © Barbara Aumüller
Ein prickelndes, italienisches Sängerfest mit Maskierung und Demaskierung. Begeisterter Applaus!
Weitere Aufführungen am 4., 6. und 7. Februar 2016