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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Deutscher Fairness-Preis 2015 an Sina Trinkwalder – Fairness-Initiativpreis an „Digitale Helden“

Unsere Kleidung: wie unfair ist sie – wie fair kann sie sein?

Von Renate Feyerbacher

Diesmal, am 31. Oktober 2015, hatte die Fairness-Stiftung in den Saal des Frankfurter Ökohauses eingeladen. Das Interesse war gross, dicht gedrängt sassen die Besucher. 220 sollen es gewesen sein. Aber der Ort war angemessen, ging es doch um Umwelt, um den Umgang mit Resourcen, um auf saubere, will sagen auf ökologische und nachhaltige Weise hergestellte Kleidung. Zum 15. Mal wurde der undotierte Preis verliehen.

 

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Sina Trinkwalder, umringt vom Kuratorium der Fairness-Stiftung: Professor Karl-Heinz Brodbeck (Kuratoriumsvorsitzender), Mark Schmid-Neuhaus, Johannes Hans A. Nikel, Dieter Kallinke,  Norbert Copray (geschäftsführender Direktor der Fairness-Stiftung) und Irene Thiele-Mühlhan (stellvertretende Kuratoriumsvorsitzende)

Sina Trinkwalder ist die Fairnesspreisträgerin 2015. Sie gründete 2010 in Augsburg, da war sie 32 Jahre, die ökosoziale Textilfima manomama. Kurz zuvor war sie Mutter geworden. Sie beschäftigt hauptsächlich benachteiligte Menschen, alleinerziehende Frauen, Ältere oder Geringqualifizierte und zahlt ihnen einen Stundenlohn von mindestens zehn Euro. Ihr eigener Lohn sei nur wenig mehr als der ihrer Mitarbeiter, sagt sie bei der Preisverleihung. 150 Menschen gibt sie Arbeit und Lebensperspektiven. Fairness praktiziert sie mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, mit Lieferanten, mit Umwelt und Natur. Sie produziert in Deutschland, verarbeitet werden nur nachhaltige erzeugte Fasern: Viskose, Baumwolle, Schurwolle von bayerischen Schafen, Leder aus dem Allgäu und Garn von der Schwäbischen Alb.

„Ich pflücke mit den Leuten Baumwolle in Tansania“, sagt sie. Millionen Tonnen Bio-Baumwolle lägen übrigens in Afrika herum. Sie kritisiert die oft vorgetäuschte Nachhaltigkeit und die vielen Faire Trade-Aktionen, von denen einige falsch seien. In Kürze erscheint ihr Buch „Fairarscht“. Mehrfach wurde sie bereits ausgezeichnet: vom Rat für Nachhaltigkeit der Bundesregierung zum „Social Entrepreneur der Nachhaltigkeit 2011“ und vor kurzem mit der Verdienstmedaille des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland. Die Anerkennung freut sie, denn manchmal sei sie drauf und dran gewesen, alles „hinzuschmeissen“. Es war herauszuhören, dass sie sich mit ihrer Initiative bei Gerd Müller, dem Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, nicht angenommen sieht.

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Sina Trinkwalder

„Weniger konsumieren“ ist ihre Forderung. Da lag sie auf einer Linie mit Harald Welzer, dem Laudator der Preisverleihung. Er ist Mitbegründer und Direktor der gemeinnützigen Stiftung „Futurzwei“ und Honorarprofessor für Transformationsdesign an der Europa-Universität Flensburg. In den letzten Jahren habe Welzer, so die Pressemitteilung der Universität anlässlich seiner Berufung, eine sozialwissenschaftliche Klimafolgenforschung entwickelt und sich vor allem mit der Frage beschäftigt, wie moderne Gesellschaften angesichts der schwerwiegenden Ressourcen- und Verschmutzungsprobleme wieder zukunftsfähig werden können. Lang ist die Liste seiner Publikationen. „Selbst denken. Eine Anleitung zum Widerstand“ lautet der Titel eines seiner Bücher 2013, das die Richtung seiner Gedanken offenbart.

Welzer lobte den Mut und die Tatkraft der Preisträgerin. „Sie fragt nicht danach, warum es nicht gehe oder was alles dagegen spreche und wie das Ergebnis wohl sein werde, sondern geht klug und mit dem nötigen Realitätssinn vor, der eher bestimmt ist von dem, was geht, als von dem, was nicht geht. Damit ist sie ein hervorragendes Beispiel für eine zukunftsfähige Art, Wirtschaft und Gesellschaft zu gestalten, wovon noch mehr Persönlichkeiten benötigt werden, um in eine lebenswerte Zukunft voran zu kommen.“

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Professor Harald Welzer hielt die Laudatio

Im vorangegangenen Forum gab es eine kontroverse Diskussion zwischen Harald Welzer und Jürgen Stellpflug, Chefredakteur von „Öko-Test“, an der sich auch Sina Trinkwalder sowie Sabine Ferenschild, wissenschaftliche Expertin bei „SÜDWIND e.V. – Institut für Ökonomie und Ökumene“, beteiligten. Welzer kritisierte die ständige Steigerung der Zahl der Produkte und den Wachstumsmarkt und sieht die Zeitschrift Öko-Test als Steigbügelhalter. Er wird nicht müde, die Worte „Weniger kaufen!“ zu wiederholen. Jürgen Stellpflug wehrt sich: „Wir können Menschen nicht vorschreiben, weniger zu kaufen.“ Welzer hakt nach, die Menschen seien früher nicht unglücklicher gewesen. Das Problem sei, dass immer mehr von allem vorhanden sein müsse. „Alles ist von Menschen gemacht und veränderbar.“

Das hat Sina Trinkwalder gezeigt, die, bevor der „Kick“ fiel, eine Werbeagentur leitete, schnelle Autos und Partys liebte, dann jedoch nach der Geburt des Sohnes mit Angespartem ihr soziales Unternehmen schuf.

Fairness-Initiativpreis

Der Fairness-Initiativpreis 2015 ging an die „Digitale Helden gemeinnützige GmbH“ in Frankfurt am Main. Zu Mentoren eines Medienbildungsprogramms ausgebildete Schülerinnen und Schüler der 8. und 9. Jahrgangsstufen helfen jüngeren Schülern beim Umgang mit persönlichen Daten (wie z.B. Fotos) im Internet, insbsondere in den sogenannten sozialen Netzwerken und bei der Prävention von Cybermobbing oder „Sexting“. Schüler, Eltern, oder Lehrer haben oft zu wenig Medienerfahrung. Der Umgang mit Internet und Smartphone ist oft gedanken- und respektlos. Studien zeigen, dass 38 Prozent der Jungen und Mädchen jemanden kennen, der im Internet „fertiggemacht“ wurde und auch später als Erwachsener noch an den Folgen von Mobbing leidet. Die meisten Lernenden wünschen sich mehr Unterricht zu digitalen Themen. Natürlich werden sie begleitet von „Digitalen Senior-Helden“.

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Team der Digitalen Helden: vorn Florian Borns, Ariane und Fabienne Ortwein, Beate Kremser, Carmen Milbrodt und weiter hinten Jörg Schüler und Gregory Grund

Bei der Preisverleihung war auch das Leitungsteam zugegen: die Geschäftsführer Jörg Schüler (Diplom-Ingenieur und Medieninformatiker, zuständig für Finanzen und Technik) sowie Florian Borns (Sozialpädagoge und Historiker, zuständig für Kommunikation und Fundraising). Diplom-Pädagoge Gregory Grund obliegt die Ausbildungsleitung. Beate Kremser, freiberufliche Medienpädagogin, arbeitet vor allem in der Ausbildung und Carmen Milbrodt, Schulsozialarbeiterin in Bad Camberg, ist ein wichtiges Bindeglied zwischen Schule und Digitalen Helden. Gegründet wurde die Digitale Helden gGmbH 2014, die Initiative startete aber bereits ein Jahr zuvor.

Über ein ganzes Schuljahr hinweg werden Schülerinnen und Schüler in Arbeitsgemeinschaften oder Wahlpflichtkursen in Internet-Fragen geschult. Die Digitale Helden-Schul-AG ist offen und vernetzt angelegt mit anderen Schul-Arbeitsgemeinschaften. Klassenbesuche, Elternabende, Onlineseminare umrahmen die Aktivitäten. 60 Schulen mit 534 Mentoren, davon 360 Junioren, 174 Senioren und 120 Pädagogen sind beteiligt. 2016 wollen die Digitalen Helden 15.000 Schüler und 3600 Eltern der 5. und 6. Klasse für Cybermobbing sensibilisiert haben. Die Organisation der Digitalen Helden hat in der Frankfurter Weberstrasse ihren Sitz.

Fotos: Renate Feyerbacher

→ Deutscher Fairness-Preis 2014 an Claus Fussek
→ Deutscher Fairness-Preis und Initiativpreis 2013 an Detlef Flintz und Joblinge e.V.
→ Deutscher Fairness-Preis 2012 für Sarah Wiener

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