Alastair
Von Peter Christian Hall
Alastair? Den Namen noch nie gehört? Dann geht es Ihnen, leider, wie den meisten unserer Gebildeten. Aber dabei sollte es eigentlich nicht bleiben! Denn man hätte sich Alastair auch als Kultfigur, als einen der Stars im Poster-Shop, sogar als populäre Roman- und Filmfigur vorstellen können; als einen jedenfalls, dessen Name jedem geläufig ist und von dessen exzentrischer Biografie man wenigstens schon mal gehört hat. Doch das pure Gegenteil ist der Fall.
1907 tauchte der gerade 20-Jährige in München im Umkreis des damals berühmten Kosmikers Ludwig Derleth, auch von Karl Wolfskehl und Stefan George wie aus dem Nichts auf; nur eben kein unbeholfener Tor wie Kaspar Hauser, sondern als ein vielseitig begabter, polyglotter Artist und Elegant mit einer Überfülle verblüffender Fähigkeiten, von denen man sich schwerlich vorstellen kann, dass er sie sich alle autodidaktisch angeeignet habe. Als Tänzer, Pianist, Sänger, Dichter und Zeichner erregte er – stets in erlesenen Kreisen – Aufsehen.
Seine noch vom Geist des Fin de Siècle gespeiste Stilsicherheit, seine an Aubrey Beardsley erinnernde zeichnerische Perfektion und Eleganz, sein frappierender Sinn für nur sparsamst farblich akzentuiertes Schwarz-Rot, seine extravagante Figuren-Platzierung und seine außerordentliche Raffinesse in der grafischen Wiedergabe textiler Strukturen ließen von Anfang an eine ganz undeutsch wirkende Aura von mondäner Weltläufigkeit um ihn entstehen. Und der von ihm gewählte kelto-romanische Künstlername Alastair potenzierte dieses internationale Flair bis auf den heutigen Tag, so dass er selbst von denen, die etwas von ihm wissen, immer noch eher in Paris oder London verortet wird als – womöglich – in München.
Als der Beardsley-Verleger John Lane 1914 in London „Fortythree Drawings“ als erste Buchveröffentlichung Alastairs herausbrachte, sagte ihm der Autor des Begleittextes einen kometenhaften Aufstieg am europäischen Kunsthimmel voraus. Und heute ist er so vergessen, dass man sogar Kunsthistorikern, Kunsthändlern und Sammlern schöner Bücher seinen Namen vorsichtshalber buchstabieren sollte. Denn was nach 1914 kam, war die um einen Epochenumbruch verspätete und nahezu unbemerkt bleibende Veröffentlichung seines Hauptwerks und ein ebenso erbarmungswürdiges wie wundersames Überleben als Vergessener.
Aus dem Zyklus „Erdgeist“ nach dem gleichnamigen Stück von Frank Wedekind, 1. Aufzug; aus der Privatsammlung des Autors, Foto © Peter Christian Hall
Vor 100 Jahren, also zur gleichen Zeit, als in München der expressionistische „ALMANACH DER BLAUE REITER“ erschien, arbeitete Alastair – womöglich gleich in der Nachbarschaft – an seinem Hauptwerk, das zu den schönsten und kostbarsten illustrierten Büchern des frühen 20. Jahrhunderts zählt. Womöglich muss man allerdings wie bei fast allem vorausschicken, was man über Alastair sagt, abgesehen von seinem zu Unrecht vergessenen, ganz außerordentlichen Rang als erzählender Zeichner. Womöglich schuf er sein Hauptwerk in München, denn es könnte auch in Marburg, Bad Honnef, Wiesbaden, Bad Tölz, London, Berlin oder/und in Paris gewesen sein. Alle diese Wohn- oder Aufenthaltsorte sind für die Zeit zwischen 1910 und 1914 belegt oder zumindest wahrscheinlich. 1910 stellt er in Köln und Düsseldorf aus; 1912 in New York, Köln, Berlin; 1913 in London. 1914 lernte er in Paris Gabriele d’Annunzio und Eleonora Duse, André Germain, Yvette Guilbert und wohl auch Maurice Ravel, Claude Debussy, Erik Satie, vielleicht auch schon Jean Cocteau kennen…
Und dann kam der Erste Weltkrieg, ging das Europa des Fin de Siècle in einem zeitenwendenden Weltende unter; mit ihm auch der Stern Alastairs – und er selbst in die Schweiz. Seine kaum begonnene geheimnis- wie glanzvolle Karriere brach ab, noch bevor eine größere Öffentlichkeit überhaupt Gelegenheit hatte, das meisterhafte und ganz einzigartige zeichnerische Werk Alastairs überhaupt zur Kenntnis zu nehmen. Denn das erschien, kriegsbedingt, erst 1920 in München und in London: exzeptionelle Spitzenwerke der Jahrhundertwende-Kunst, als nicht nur Jugendstil und Art déco, sondern auch schon der Kubismus und der Expressionismus beinahe überholt waren und Modernität in Deutschland eher aussah wie die verrenkten und farblich ausgebluteten Figuren Max Beckmanns, die bitter-karikaturistischen von George Grosz oder die in Hässlichkeit schwelgenden von Otto Dix.
Aus dem Zyklus „Erdgeist“ nach dem gleichnamigen Stück von Frank Wedekind, letzter Aufzug; aus der Privatsammlung des Autors, Foto © Peter Christian Hall
Doch bevor von Alastairs Meisterwerk die Rede ist, vielleicht doch noch ein Wort zu seiner mysteriösen, von ihm selbst mystifizierten Biografie. Lexikalisch wird er, unter Vorbehalt, mit dem Namen Hans-Henning von Voigt, dem Geburtsjahr 1887 und dem Geburtsort Karlsruhe geführt. Sollte das stimmen, entstammte er einer preußischen Offiziersfamilie, was allen, die ihn persönlich gut kannten, ganz unplausibel erschien. Er selbst deutete seinen Vertrauten an, ein illegitimer Sohn des englischen Königs Eduard VII. und einer spanischen Sängerin russisch-jüdischer Herkunft zu sein; aufgezogen in einem schwedischen Internat, das er wegen Unbotmäßigkeit noch als Knabe habe verlassen müssen, sei er dann, über ein Vermögen von drei Millionen Goldmark verfügend, zeitweilig mit einem Zirkus herumgezogen, wo ihn ein Unteroffizier als Kunstreiter entdeckt und gefördert habe. Was immer daran Wahrheit, was Legende sein mag, ist nach wie vor ungeklärt. So oder so grenzt die Meisterschaft und Perfektion seines illustrativen Hauptwerks, das 1920 endlich erscheinen konnte, ans Wunderbare.
Dieses wahrhaftige Meisterwerk deutscher Buchkunst des frühen 20. Jahrhunderts sind die zwei Bände mit den Dramen „Erdgeist“ und „Die Büchse der Pandora“ von Frank Wedekind – die inzwischen als „Lulu“-Tragödie in der Vertonung Alban Bergs Weltrang und -ruhm erlangt haben. Die beiden Bände mit je zwölf charakteristisch delikaten schwarz-roten ganzseitigen Illustrationen Alastairs und zwei großartig plakativen Vorsatzpapieren sind 1920 im seinerzeit bibliophil hochverdienten Georg Müller Verlag in einer exzellent gedruckten und – unterschiedlich luxuriös – ausgestatteten „einmaligen Auflage von 500 nummerierten Exemplaren“ erschienen (wobei den 50 Exemplaren der in Leder gebundenen Ausgabe auf Japanpapier alle 24 Illustrationen zusätzlich in einer Mappe beigegeben wurden). In einem aktuellen Londoner Antiquariatsangebot werden sie als „sophisticated and generally bizarre designs“ beschrieben, was ihre Angemessenheit an ihre literarische Vorlage trefflich beschreibt.
Diese Edition war, nach dem verlorenen Krieg und kaum drei Jahre vor der Inflation, ein vom Zeitgeschmack überholtes und wohl auch schon die Kaufkraft des bibliophilen Sammlerpublikums überforderndes verlegerisches Wagnis und blieb ohne jegliche erkennbare Wirkung auf eine breitere Öffentlichkeit. Alastair mag eine Vorahnung davon gehabt haben, denn er ließ den beiden Bänden folgenden Vermerk beilegen:
„Der Künstler legt Wert auf die Feststellung, daß seine Zeichnungen zu den diesem Band beigegebenen Tafeln bereits aus dem Jahre 1913 stammen. Wegen des Krieges und großer Schwierigkeiten bei der Herstellung dieser Luxusausgabe verzögerte sich das Erscheinen bis zum Jahre 1920.“
Einen entsprechenden Vermerk ließ er auch dem auf gleichem künstlerischen Niveau gestalteten und von John Lane ebenfalls erst 1920 in London und New York veröffentlichten Luxusdruck von Oscar Wildes „The Sphinx“ beigeben. Genutzt hat ihm das selbstverständlich nichts. Die Zeit war über ihn hinweggegangen und die neue Gegenwart hatte keinen Nerv mehr für den hochkultivierten, extravaganten und verfeinerten Stilkünstler, der diese Luxusdrucke illustriert hatte.
Die im Jahr 1920 ausgebliebene öffentliche Beachtung ist aufgrund dieses historischen Zuspätkommens leicht erklärbar. Dass in den bald 100 seither vergangenen Jahren kein einziger kompletter Neudruck wenigstens der Wedekind-Illustrationen zustande gekommen ist; dass es nicht eine einzige Ausstellung gegeben hat, in der die 24 großartigen Blätter in ihrem erzählerischen Zusammenhang gezeigt und die wunderbare Buchgestaltung und stupende Druckqualität mit den gleichgroßen, nahezu identischen Originalzeichnungen zusammengebracht worden wären, ist schwerer begreiflich. Oder muss man einfach zur Kenntnis nehmen, dass die Druckplatten für „The Sphinx“ während der deutschen Invasion Belgiens im Ersten Weltkrieg zerstört wurden; dass die Alastair-Originale wenn nicht in Privatsammlungen zerstreut, dann eben in Archiv- und Museums-Depots verschwunden sind; und dass selbst die angesehensten Verlage nicht mehr die sind, die sie einmal waren?!
So ist die erste große und einer Wiederentdeckung gleichkommende Alastair-Ausstellung erst nach der Wende in der Stiftung Moritzburg Halle zustande gekommen. Eine junge Volontärin, Ines Janet Engelmann, hatte dort im Depot ein bedeutendes Alastair-Konvolut mit 50 Zeichnungen und Grafiken entdeckt, für das sich, wen könnte das wundern, zu DDR-Zeiten niemand interessiert hatte. Es stammte aus dem zu Unrecht als „Bodenreform“ in die deutsche Geschichte eingegangenen recht- und rücksichtslosen Raubzug in der damaligen Ostzone, dem auch das Gut Ostrau des (mit Unterbrechungen) lebenslangen engen Alastair-Freundes, -Förderers und -Sammlers Hans Hasso von Veltheim samt allem Inventar zum Opfer gefallen war. Der von ihr herausgegebene Ausstellungskatalog „Alastair. Kunst als Schicksal“ (er umfasst 115 Werke, viele dokumentarische Fotos und mehrere interessante Texte) ist noch immer die beste – freilich auch einzige – verlässliche Informationsquelle über diesen großen Vergessenen, auch bio- und bibliografisch. Eine drei Jahre später von der Bayerischen Akademie der Schönen Künste in der Verborgenheit der Münchner Residenz veranstaltete Nachfolgeausstellung ohne eigenen Katalog fand allerdings ebenso wenig angemessene öffentliche Resonanz und hat den Namen Alastair auch nicht wieder mit jenem Glanz in Verbindung bringen können, der ihm in den besten Jahren des vergangenen Jahrhunderts sicher schien.
Ebenso unbegreiflich ist freilich, dass aus der Hochzeit Alastairs in den vier Jahren vor dem Ersten Weltkrieg ein Mappenwerk für den Rowohlt-Verlag und wenigstens eine für den Insel-Verlag geschaffene komplette Folge von Illustrationen in Archiven lagern und noch bis heute niemals gedruckt worden sind.
Und was, mögen sich die Leser dieses Textes und Betrachter der fünf hier erstmals seit 1920 reproduzierten Original-Zeichnungen seiner Wedekind-Illustrationen fragen, ist aus diesem hochbegabten, wunderbaren, exzentrischen, vergessenen Künstler als Person geworden? Die Antwort darauf muss an dieser Stelle unstatthaft knapp ausfallen, obwohl sie eigentlich Stoff für einen ganzen Roman von kunst-, zeit-, sozial- und bildungsgeschichtlicher Relevanz wäre.
Seine Gedichte hatten – womöglich, denn Hunderte sind bis heute unveröffentlicht – nie die gleiche faszinierende Einzigartigkeit und Kraft wie seine Zeichnungen und sind, wie es den allermeisten Gedichten eben geht, mit vielen anderen Zeiterscheinungen auch dem Vergessen anheimgefallen und waren ohnehin nie etwas für das breite Publikum; sein fotografisch dokumentierter Ausdruckstanz blieb immer einem vertrauten Kreis vorbehalten und kam damals bald aus der Mode; sein Klavierspiel und seine Gesangsstimme verloren im aufkommenden Medienzeitalter technischer Reproduzierbarkeit ihren Zauber; seine stets in limitierten und luxuriösen Editionen erschienen Illustrationen fanden nach Inflation und Weltwirtschaftskrise kaum noch eine interessierte Nachfrage, auch wenn bis 1933 in Wien, London, New York und Paris noch wenigstens ein Dutzend Liebhaberausgaben erschienen sind. Und dafür, dass er im Dritten Reich abtauchen musste und in der frühen Bundesrepublik kein Comeback erlebte, gibt es noch besondere Gründe.
Seit den frühen 1920er Jahren überlebte der polyglotte Alastair dank seiner Freundschaften und als Übersetzer von fast 50 Büchern aus dem Lateinischen, Französischen und Englischen: von Maria Stuart bis James Joyce, von Gérard de Nerval bis Claudel und Cocteau, von denen manche noch immer auf dem Markt sind – aber wer nimmt schon von Übersetzern Notiz? Und 1936 gab Alastair, überlebenswichtig auf Unauffälligkeit angewiesen, für fast 20 Jahre das regelmäßige Zeichnen auf.
Von 1921 bis 1926 hat er im Gartenschlösschen Lustheim in Schleißheim gewohnt. Das war wohl sein längster ständiger Wohnsitz an einem Ort überhaupt. Dann folgten, mit wechselnden Freundschaften, bis 1932 Aufenthalte in Frankreich und in der Schweiz, danach in Berlin, und bis 1939 mit ständigem Wohnungswechsel wohl meist wiederum bei Freunden in der Schweiz, abermals in Berlin, in Leipzig, Freiburg, München, auf Gut Sandfort bei Osnabrück, in Gernsbach im Schwarzwald und in Konstanz. Während des ganzen Zweiten Weltkriegs hat er in Deutschland gelebt -möglichst verborgen und beschützt von ihm wohlgesonnenen bedeutenden Freunden. Die Liste der Namen ist eindrucksvoll: Carl Friedrich von Weizsäcker, Werner Heisenberg, Wernher von Braun, Felix und Lilly von Schoeller, die Familien Curtius und Picht gehören dazu. Er hatte, ein schon durch sein Auftreten und seine Kleidung stets auffallender Exzentriker, als bekennender Homosexueller solche beschützenden und bergenden Hände bitter nötig.
Und nach 1945? Zeitweilig lebte er in einem Altenheim für Dienstpersonal in Konstanz, dann in Unkel und Bonn, unter wechselnden Adressen in München, auf Schloss Hochhausen bei Neckarelz, mehr als ein Jahr in einem Hotel in Bad Nauheim und schließlich, ab November 1966 bis zu seinem Tod am 30. Oktober 1969, in der Münchner Pension Biederstein, dem ehemaligen Stadthaus der von ihm verehrten Gräfin Harrach. Dort hatte er zwei Zimmer mit Stoffen, Blumen und Düften in einen Salon verwandelt. Dort empfing er, in selbstentworfene Phantasiegewänder gehüllt auf dem Bett liegend, ein Überlebender aus vorvergangener Zeit, sogar den Bayerischen Rundfunk zu zwei Interview-Filmen.
Er hatte immerhin 1964, wohl im Zuge der popularisierenden Wiederentdeckung des Jugendstils, erneut zu zeichnen begonnen: immer noch mit erstaunlichster Perfektion, apartestem Farbsinn, erotischer Delikatesse, erzählerischem Impetus, unverwechselbarer Eleganz; aber so gründlich aus der Zeit gefallen, dass man ihn, je nach Sensorium und Empathie, für eine eher tragisch oder vorwiegend bizarr unzeitgemäße Figur halten konnte und sich die ernsthafte, die gründliche und ihm angemessene Auseinandersetzung mit ihm ersparte – ob trotz, ob gerade wegen dieser fürsorglichen Obhut unter den beschützenden und (ver)bergenden Händen so vieler angesehener und hochmögender Freunde, bleibe dahingestellt.
Was womöglich als schonendes Verstecken eines leicht transvestitisch anmutenden Sonderlings gemeint war, ist nichts anderes als die klägliche Verdrucktheit des Bildungsbürgertums im Umgang mit Homosexualität noch nach dem Dritten Reich und bis weit über die 1960er Jahre hinaus, die bis ins inzwischen so anrüchig gewordene Umfeld der Odenwaldschule reicht. Vermittelt über einen gemeinsamen Freund erhielt der junge Pädagoge Hartmut von Hentig wohl Ende der 1950er Jahre „einen in kunstvoller Schrift und lila Tinte geschriebenen Brief eines Unbekannten“, unterzeichnet mit „Alastair“ und dem mysteriösen Zusatz: „Dies ist kein Name, sondern ein Tummelplatz“. Über einen Freund brachte von Hentig, wie in seinen Memoiren („Mein Leben“, München 2007) nachzulesen ist, in Erfahrung, dass es sich um einen „bedeutenden Künstler“ handelte; und es kam auch in München zu einer Begegnung mit einer „Jugendstil-Gestalt, die er selber hätte gemalt haben können“, und die Hentig, sein gutes Recht, als „unangenehm“ in Erinnerung geblieben ist. Für den Künstler Alastair brachte er -deshalb? – auf den über 1000 Seiten seiner so lesenswerten wie sympathischen Erinnerungen keinerlei Interesse auf. Und obwohl von Hentig doch der Lebensgefährte Gerold Ummo Beckers war, kommt Homosexualität in den beiden Bänden zwar als eine Verirrung oder Verwirrung Heranwachsender vor, doch nie als Begriff, geschweige denn als Lebensform Erwachsener – wenngleich der so vielfach auch politisch interessierte Kopf die endliche Aufhebung des schändlichen § 175 nicht ohne Betroffenheit miterlebt haben kann. Und was ebenso merkwürdig ist: Das mehr als 1500 Namen umfassende Personenregister lässt den Namen Alastair (und damit den Hinweis auf Band 2, Seite 87) aus. In Ulrich Raulffs Buch über das Nachleben des George-Kreises kann man zwar die Information finden, Alastair sei im Hause des so überaus einflussreichen Bildungspolitikers (und Hentig-Förderers) Hellmut Becker ein- und ausgegangen („Kreis ohne Meister“, S. 490), weiß aber von ihm – auch im Namensregister – nur, dass er ein „Übersetzer“ gewesen sei. Alastair verabscheute übrigens diesen Begriff und nannte diese zum Broterwerb betriebene Arbeit stets übertragen.
„Königin der Nacht“; aus der Privatsammlung des Autors, Foto © Peter Christian Hall
Anlässlich der Totenfeier Alastairs beschrieb K. H. Kramberg ihn in der Süddeutschen Zeitung vom 1. November 1969 als „Priester-Kaiser Heliogabal“, „Narcissus“ und „Spiegelmensch“, von dem „starke erotische Strahlung ausging“, und endet mit dem noch immer geltenden Satz: „Niemand kennt Alastair“.
Was aus alledem zu lernen wäre: Dass die Wiederentdeckung des bedeutenden Künstlers Alastair immer noch aussteht. Für Archivare, Ausstellungsmacher, Kunsthistoriker, Biographen, Romanautoren, Filmemacher, Entdecker aller Art und beiderlei Geschlechts müsste das eigentlich eine Herausforderung sein – und auch für uns alle, die wir uns etwas auf unsere Bildung zugutehalten. Für potentiell kreativ Interessierte noch ein allerletzter Hinweis: Das Museum Moritzburg hat inzwischen im Zuge der Restituierung enteigneten Kunstbesitzes ihr Alastair-Konvolut an den Erben des Alastair-Freundes, -Mäzens und -Sammlers Hans Hasso von Veltheim zurückgegeben.
(Eine stark gekürzte Fassung dieses Originalbeitrags erschien in FAZ.net vom 29. März 2013 unter dem Titel „Er nannte sich Alastair. Der unbekannte Meister“)