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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

„… und rinnt ein Gelb“ – Bärbel Holtkamp im Frankfurter Künstlerclub

Abstrakt-expressionistische Mischtechnik auf Papier und Leinwand

Von Andrea Wolf
Einführung zur Ausstellungseröffnung

Bärbel Holtkamp ist seit vielen Jahren Mitglied des Frankfurter Künstlerclubs – 2007 wurde sie als Malerin mit unserem Kunstpreis ausgezeichnet – , sie ist Mitglied des BBK, des Berufsverbands Bildender Künstlerinnen und Künstler und mit Einzel-und Gemeinschaftsausstellungen in Frankfurt und hessenweit präsent. Ursprünglich stammt sie jedoch aus Berlin, hat dort freie und angewandte Kunst studiert; danach zog es sie nach Frankfurt am Main. Hier ließ sie sich in verschiedene Richtungen weiter ausbilden zur Werbegrafikerin und technischen Zeichnerin und als Lehrerin in der Erwachsenenbildung. Sie lebt und arbeitet in Frankfurt.

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↑ „Ach so“
↓ „Schuhu“

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Nun aber möchte ich Sie einladen in die abstrakte Phantasie- und Bilderwelt von Bärbel Holtkamp.

Abstrakt? Was heißt Abstrakt? Alles, was nicht gegenständlich ist? Was sich nicht auf den ersten Blick erschließt? Um dies zu beantworten und natürlich auch eine Brücke zur Malerei von Bärbel Holtkamp zu spannen, lassen Sie mich kurz ausholen:

Ausgehend vom reinen Abbilden der realen Welt, das bis ins 19. Jahrhundert der Inbegriff von Können und Ziel der Künstler war, wurde dieses Verständnis durch die Entwicklung der Fotografie, die diese Rolle in Zukunft übernahm, entscheidend verändert. Einflüsse verschiedenster Kunstrichtungen prägten die Künstler im Laufe der Zeit, und es war ein langer Weg, bis der Künstler innere Prozesse, Gefühle und Deutungen seiner Realität bildhaft umsetzen konnte.

Die „Konkrete Kunst“ zum Beispiel, 1930 von der Gruppe „Art concret“ gegründet, beruhte im Wesentlichen auf mathematisch-geometrischen Grundlagen. Die Bildinhalte wurden in streng geometrische Formen, Punkte, Linien oder Farbflächen zergliedert, es gab keinerlei symbolische Bedeutung, es wurde nichts Vorhandenes abstrahiert, sondern der Versuch unternommen, Geistiges zu materialisieren. Die „Geometrische Abstraktion“ indes verzichtete von vornherein auf jedwede gegenständliche Inhalte.

Im Europa der Nachkriegszeit entwickelnde sich dann die Kunstrichtung „l’informel“, die das klassische Form- und Kompositionsprinzip ebenso ablehnte wie die Geometrische Abstraktion – insofern also gerade die Formlosigkeit und Spontaneität in der künstlerischen Produktion suchte und den Prozessen des Unterbewussten folgte. Dies und der parallel in den USA sich durchsetzende abstrakte Expressionismus, gipfelnd im „Action painting“ – und vielleicht auch die wiederentdeckte Psychoanalyse Sigmund Freuds – all diese Einflüsse und sicher andere mehr bewirkten, dass der Künstler frei und aus sich heraus agieren konnte, frei in seiner dynamischen Komposition der Farben, frei in Materialien, Formen und Methoden.

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„Mit weißem Flug ins Anderswo“

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↑ „Tanz mit rotem Band“
↓ „Nach dem Regen“

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Der Titel der Ausstellung Bärbel Holtkamps „…und rinnt ein Gelb“ beschreibt den expressiv-dynamischen Malprozess, den die Künstlerin während ihrer Arbeit durchläuft, sehr bildhaft.

Bärbel Holtkamp arbeitet seriell, meist auf mehreren auf dem Boden liegenden Papieren oder Leinwänden gleichzeitig, in Bewegung und Tanz zu lautstarker rhythmischer Musik. Ihr Prozess des „Sich-Treiben-Lassens“, der spontanen Intuition, führt zu dynamischem Farbauftrag, zu Farbüberlagerungen, ja zu einem sie geradezu elektrisierenden Gefühl, das sie beschreibt mit „es malt“!

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↑ „Ins kleine Grün“
↓ „Stumme Litanei“

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Über ihre Bilder gebeugt schüttet, spachtelt, kratzt, reißt, zerschneidet und collagiert sie, nimmt Abstand, oftmals mehrere Wochen oder Monate lang, übermalt neu. Dann lassen zarte Lasuren darunter liegende Strukturen vielleicht noch erkennen, Tusche, Kohle, Kreide, intuitiv als Linien gesetzt, verweben einzelne Farbflächen miteinander. Hineingestreuter Sand, mitgebracht von Reisen aus unterschiedlichsten Ländern, verbindet sie mit der Farbe oder begrenzt sie, schriftähnliche Zeichen, Punkte, „Krakelees“ suggerieren geheime Botschaften. Durch diesen Prozess des ständigen Suchens, Experimentierens und Hinterfragens findet das Bild schließlich seine Form und seinen Ausdruck und hat für Bärbel Holtkamp für einen Moment und manchmal auch länger Bestand. „Panta rhei“- alles fließt und verändert sich – immer wieder!

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↑ „Die kleine Zauberin“
↓ „Gelbes Spiel mit Blau“

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Wenn ich zu Anfang von Bärbel Holtkamps Phantasie und Bilderwelt sprach, möchte ich Sie nun auf eine kleine Reise zu einigen ihrer Bilder mitnehmen. Auffällig bunt und sehr farbenfroh begegnet uns ihre Welt, fast als würden wir eintauchen in die Geschichten ihrer Kindheit … Da tanzen Derwische im heißen Sand und die Sonne selbst versucht sich an der ausgelassenen Bewegung. Da steht ein „WA“ mit gespitztem Mund an roter Wand, unbeeindruckt von den Liebesbotschaften der blassen „P“ … Da ist die Stadt der vielen Geschichten und Brücken und Leitern, die am Meer liegt und doch hoch hinaus will (von Bärbel Holtkamp betitelt „Am Hang“ – also kein Meer, sondern Hortensien, und Sie werden noch Ihre ganz eigenen Assoziationen finden). Da duftet anziehend ein Mohnfeld zu uns herüber – halten Sie sich fest, dass sie dem Sog nicht erliegen. Und wenn die roten Tiere des Farbwalds sich treffen und ihre Beine zählen … Oder ein rosa Badeanzug, aufgehängt im Wald, zum Auslöser eines Kampfes wird (betitelt mit „Kleines Monster“, das heisst auch ein Badeanzug kann ein Monster sein!). Dann stiebt ein großes heiteres Luftschiff durch die See – nein, durch den Schnee, leicht und schwerelos, mit Südwind … und nimmt Sie auf die Reise mit.

Lassen Sie sich nun also auf Bärbel Holtkamps Bilder ein, mit lautmalerischen Titeln wie: „Mittagsfeld“, „Mit weißem Flug ins Anderswo“ oder „Tanz mit rotem Band“, und erforschen und hinterfragen Sie sich, was sie bei Ihnen auslösen.

Abgebildete Arbeiten in Mischtechnik bzw. Acryl, Kreide, Graphit, Sand, Tusche, teilweise mit Seidenpapier und Stofffasern, auf Leinwand

Bärbel Holtkamp, „… und rinnt ein Gelb“, Frankfurter Künstlerclub im Nebbienschen Gartenhaus, bis 31. Oktober 2015

Werke © Bärbel Holtkamp; Fotos Luzy Braun/Luzy-fotoart.de

→ Bärbel Holtkamp, Malerei, und Andreas Elliesen, Glasplastik: „Bewegung und Ruhe“

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