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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Die Pfalz

Wo Weingirlanden die Straßen überspannen

Von Elke Backert

Weinberge, so weit das Auge reicht. Ein sonnenverwöhntes Klima, das Feigen, Mandeln, Esskastanien und Kiwis wachsen lässt. Zum Greifen nah Deutschlands größte geschlossene Waldfläche, der Naturpark Pfälzer Wald. Sogar von der Autobahn erblickt man zu beiden Seiten unzählige Rebstöcke, sanfte Weinhänge, Obstplantagen und dahinter die hügeligen Ausläufer des Naturparks Pfälzer Wald. Die Rede ist von der Deutschen Weinstraße, der ältesten und bekanntesten Wein-Touristik-Route, die sich 85 Kilometer durch die Pfalz schlängelt. Von Bockenheim im Norden bis zur elsässischen Grenze in Schweigen-Rechtenbach im Süden.

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Wein, so weit das Auge reicht. Dafür ist die Pfalz berühmt

Doch hier sei allen Autofahrern geraten, die Autobahn zu verlassen und genüsslich durch die Weindörfer zu fahren. Weingirlanden überspannen die engen Straßen mit den schönsten vielfach mit Weinlaub berankten Fachwerkhäusern, mit herrschaftlichen Winzerhöfen und deren begrünten und blumengeschmückten Toreinfahrten inklusive eines Blicks in dekorative Innenhöfe.

Das Gimmeldinger Mandelblütenfest – Gimmeldingen ist ein Ortsteil von Neustadt – ist das älteste Fest seiner Art, läutet im Frühjahr an die 150 Weinfeste an der Weinstraße ein und eröffnet gleichzeitig die Wein-Festsaison in Deutschland.

Neustadt selbst sticht durch das Hambacher Schloss hervor, die Wiege der Deutschen Demokratie. Am 27. Mai 1832 hieß es „Hinauf, hinauf zum Schloss“, und die erste Demonstration für nationale Einheit, Freiheit und Demokratie war geboren. Sie ging als Hambacher Fest in die Geschichte ein. Dazu gibt es derzeit eine Ausstellung auf dem Schloss.

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Das Hambacher Schloss, Wiege der Deutschen Demokratie

Anfang bis Mitte Oktober feiert Neustadt das „Deutsche Weinlesefest“ mit dem größten Winzerfestumzug Deutschlands und der Krönung der Deutschen und Pfälzischen Weinkönigin.

In Ungstein, dem Ort, dem nachgesagt wird, er biete das schönste Weinfest an der Weinstraße, gibt es Zeichen zur Besiedlung bereits in Römerzeiten, Sicher aber sind Weinbau und Weinverarbeitung seit 1266 nachgewiesen. Wachenheim hat eine intakte Stadtmauer, noch dazu ein Schloss und die Villa Rustica, ein bei Ausgrabungen entdecktes römisches Hofgut aus dem 1. bis 5. Jahrhundert. Deidesheim wurde berühmt durch seine jährliche Geißbock-Versteigerung an Pfingst-Dienstag, ein altes Stadtfest in Form eines Historienspiels.

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Ein deftiges Pfälzer Picknick

Kallstadt, wohl ältester Ort der Weinstraße, feiert die „Saumagenkerwe“ am ersten Septemberwochenende, an dem man den Saumagen auf dem Teller und dank der Lage flüssig im Glas haben kann, und hat prominente Leute hervorgebracht, etwa den Vater des Firmengründers von Heinz Ketchup, Henry John Heinz, so wie die Vorfahren des US-Präsidenten-Bewerbers Donald Trump. Im 2014 gedrehten Film „Kings of Kallstadt“ von Simone Wendel erfahren Interessierte mehr.

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Mit einem Durchmesser von 13,5 Metern und einem Rauminhalt von 1,7 Millionen Litern war das Dürkheimer Riesenfass nie mit Wein gefüllt. Immer aber mit jenen, die einen guten Tropfen und gutes Essen zu schätzen wissen

Nicht zu vergessen Bad Dürkheim mit dem weltweit bekannten Denkmal, das der Winzer und Küfermeister Fritz Keller dem Wein und seiner Heimatstadt im Jahre 1934 setzte: das „Dürkheimer Riesenfass“ auf dem nicht minder berühmten „Wurstmarkt“-Gelände. Mit einem Durchmesser von 13,5 Metern und einem Rauminhalt von 1,7 Millionen Litern war es jedoch nie mit Wein gefüllt. Immer aber mit jenen, die einen guten Tropfen und gutes Essen zu schätzen wissen. 2016 begeht der Bad Dürkheimer Wurstmarkt 600-jähriges Jubiläum, er findet jährlich am zweiten und dritten Wochenende im September statt.

Mit 333 Metern ist das Bad Dürkheimer Gradierwerk eins der längsten in Deutschland und Teil der Kuranlagen, Solewasser rieselt über mehr als 250.000 Reisigbündel, verdunstet und ersetzt den Menschen die salzige Meeresluft.

Ende August bis Ende Oktober ist überall die Zeit des Neuen Weins, der auch Bitzler genannt wird. Dann öffnen Winzerbetriebe ihre Hoftore, Straußwirtschaften stellen ihre Tische ins Freie.

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Weinberanktes Haus und Weingirlanden in Asselheim

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Weintreterin in Asselheim

Grünstadt-Asselheim hat etwas ganz Besonderes zu bieten: Segway-Touren durch die Weinberge. Nach Einführung mit Übungsphase beginnt am Winzerhof Eibel ein etwa zweistündiger unvergesslicher Fahrspaß mit besten Ausblicken über die Rheinebene. In Asselheim könnte man auch gut übernachten, etwa im Pfalzhotel Asselheim, das auch seinen Gästen die Segway-Touren anbietet und begleitet. Hier ist aber auch der Gourmet gut aufgehoben, noch dazu, wenn er Weinbergschnecken mag. Denn das Hotel besitzt in der „Pfalzschnecke“ eine Zuchtfarm, die Gäste gern mit dem Segway besuchen. So kommt es nicht von ungefähr, dass im ganzen Haus die lustigsten Schnecken-Objekte zu finden sind, aber auch nicht alltägliche Stehlampen.

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Auf der Pfalzschnecken-Farm tummeln sich 50.000 Exemplare der Sorte Helix aspersa oder gefleckte Weinbergschnecke (rechts) und 10.000 Exemplare der Sorte Helix pomatia oder Burgunderschnecke (links)

Ein zum Schneckenpfännchen passender Wein darf nicht fehlen, etwa die Asselheimer St. Stephan Pfalzschnecken-Cuvée. Als Aperitif probiere man den Schnecken-Secco aus Scheurebe, Riesling und Spätburgunder. Beide Weine aus dem Asselheimer Weingut Gaul-Triebel. Was Wunder, dass auch das „Palavita Spa“ seine Wellness-Anwendungen auf Wein, ja sogar auf Schnecken aufbaut, etwa die Schneckenhaus-Massage mit erwärmtem Traubenkern-Öl.

Weinverkostungen offeriert das herrlich gelegene Weingut Gies-Dippel in Birkweiler bei Landau an der Südlichen Weinstraße. Birkweiler liegt am Fuße des 556 Meter aufragenden Hohenbergs mit einem Aussichtsturm. Weißweine sind hier stark, etwa Rieslinge, Lagen, die auf verschiedenem Terroir wachsen, Schiefer, Granit, Rotem Sandstein und Kalkstein. Interessant, den Unterschied zu schmecken.

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Nach 164 Stufen bietet der Luitpoldturm grandiose Aussicht über den Pfälzer Wald, die Rheinebene, den Schwarzwald und die Vogesen

Grandiose Aussicht über den Pfälzer Wald, die Rheinebene, den Schwarzwald und die Vogesen bietet der Luitpoldturm aus dem Jahre 1908 auf dem Weißenberg im Wilgartswiesener Ortsteil Hermersbergerhof, dem ältesten Luftkurort und der mit 550 Metern höchstgelegenen Siedlung der Pfalz, hat man erst einmal die 164-stufige Wendeltreppe bezwungen – und den steinigen Wanderweg dorthin.

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Die Doppelturm-Fassade der neoromanischen Kirche von Wilgartswiesen ist einzigartig für die Region; der Teufelstisch, Wahrzeichen der Region Pfälzer Wald

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Entspannung könnte danach das Logis-Hotel „Landhaus am Hirschhorn“ in Wilgartswiesen bringen. Es liegt idyllisch in der waldreichsten Ecke des Pfälzer Walds und rühmt sich, die größte Champagner-Karte der Pfalz zu haben, aber auch über 200 edle Tropfen, davon 80 Prozent Pfälzer Weine. Passend zur feinen „Cross-Over-Küche“. Man darf sich überraschen lassen. Ebenfalls von den Zimmern, keines gleicht dem anderen.

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Fotos: Elke Backert

 

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