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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Archiv für September, 2015

Edmond Goergen – Kämpfer für ein freies Luxemburg und für eine Kunst des Schönen

2015, September 15.

Von Andreas Pesch

Die Erinnerung an die Verbrechen des Dritten Reiches erscheint heute als selbstverständlicher Bestandteil der Gedenkkultur in Deutschland. Doch die Stimme der Zeitzeugen wird schwächer. Die Erinnerung an die Opfer, aber auch an die Menschen, die sich dem Nationalsozialismus mutig entgegen gestellt haben, lebendig zu erhalten, wird so zunehmend zu einer Herausforderung. In Frankfurt lebt heute die jüngere Tochter des Luxemburger Malers Edmond Goergen, einer der großen Widerstandskämpfer seines Landes. Goergen, der selbst die Schrecken der KZ-Haft durchgemacht hat, wäre im Dezember 2014 100 Jahre alt geworden. Es lohnt sich, diesen Maler neu zu entdecken – gerade auch im Hinblick auf die Konsequenzen, die er in seiner Kunst ebenso wie in seinem öffentlichen Wirken aus den KZ-Erlebnissen gezogen hat.

Wenig illustriert besser den Ehrgeiz und die Energie Edmond Goergens als der Beginn seiner Laufbahn als Maler. Goergen, der am 12. Dezember 1914 als zweites von vier Kindern geboren wurde, wuchs in einfachen sozialen Verhältnissen auf. Die finanziellen Mittel der Eltern reichten nicht für eine akademische Ausbildung. Zwar hegte Goergen schon früh den Wunsch, Maler zu werden. Doch die Umstände zwangen ihn dazu, für den Broterwerb zunächst einen technischen Beruf zu erlernen. Während er in den Jahren von 1930 bis 1934 in Luxemburg tagsüber eine Ausbildung am technischen Institut Émile Metz machte, besuchte er am Abend Kurse im Lyzeum für Kunsthandwerk. Sein Ziel, Maler zu werden, verlor er auch nicht aus den Augen, als er 1934 eine Stelle als Techniker bei Radio Luxemburg antrat. Noch im gleichen Jahr begann er ein Fernstudium an der École Universelle in Paris, das er allerdings 1943 wegen des Krieges unterbrechen musste. Er setzte das Studium 1945, unmittelbar nach Kriegsende, fort, machte einen Abschluss als professeur libre für Malerei und erreichte die Zulassung an die Pariser École Nationale Supérieure des Beaux Arts. Zur gleichen Zeit begann er eine Ausbildung an der Schule für Restauration des Louvre-Museums, dies mit dem Ziel, seiner Passion für die Malerei einen passenden Brotberuf hinzuzufügen. Der Leiter der Restaurationsabteilung im Louvre, Professor Jean Gabriel Goulinat, wurde sein Mentor.

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Edmond Goergen in seinem Atelier, Fotografie (Quelle unbekannt)

Ausbildung und Talent verschafften Edmond Goergen bereits 1948 eine Anstellung als Restaurator im Staatlichen Museum von Luxemburg, dessen Abteilung für Malerei und Restauration er ab 1960 leitete. Im Jahr 1968 wurde er Konservator im Service des Sites et Monuments Nationaux de Luxembourg Weiterlesen

„Blickachsen 10″ in Bad Homburg und Rhein-Main (8)

2015, September 13.

Kati Heck im Bad Homburger Kurpark:
Hier geht’s nicht nur um die Wurst

Von Erhard Metz

Darf Kunst witzig sein? Den „Kunstbetrieb“ kommentieren und karikieren? Darf Skulptur und Installation als Comic daherkommen? Aber ja!

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Kati Heck, Dabei sein ist alles, 2006, Polyester, Autolack, Installation mit variablen Massen, Sammlung Middelheimmuseum, Antwerpen

Nein, der in einem Baum am Schwanenteich aufgehängten Weisswurst aus dem bajuwarischen Freistaat scheint es gar nicht zu gefallen im nördlich des „Weisswurst-Äquators“ – will sagen der Main-Linie – gelegenen Kurpark der 1866 nach dem Tod Ferdinands an das Grossherzogtum Hessen gefallenen und wenig später von den „Sau-Preissn“ annektierten ehemaligen Landgrafschaft Hessen mit Residenz in Bad Homburg. Grimmig-traurig schaut es drein, das arme Weisswürschtl. Und wir erkennen: Kati Heck – eine Künstlerin, vor derem scharfen Blick man sich in Acht nehmen sollte – begleitet wieder einmal den „Kunstbetrieb“ mit ihrem intelligent-beissenden Spott. Natürlich denken wir sofort an Jeff Koons wurstsähnlich zusammengeschnürt-aufgeblähte, hochglanzpolierte „Kunst“Werke, die ihn, dem Kunstmarkt sei’s gedankt, zum Multimillionär machten. Kati Heck mit ihrem weitgespannten Œuvre wird diesen Vermögensstatus sicherlich nie erreichen. Ja, zur Kunst und zum grosskapitalistisch entarteten „Kunstbetrieb“ liesse sich so manches sagen … Aber wir wollen uns heuer die gute Stimmung nicht verderben. Weiterlesen

Holländische Impressionen (2)

2015, September 12.

Haarlem

Von Juliane Adameit

Haarlem ist mit seinen ca. 150.000 Einwohnern nicht nur im Zusammenhang mit dem Blumencorso etwas fürs Auge. Haarlem ist vielmehr eine wahre Perle mittelalterlicher Stadtarchitektur.

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Das Amsterdamse Port vom Ende des 15. Jahrhunderts in Haarlem

Das gesamte Stadtbild ist noch erhalten und heute eine quirlige Fußgängerzone. Zwischen den Boutiquen lädt eine Vielzahl an Cafés und Kneipen den Besucher ein. Gut sitzt und ißt es sich dabei auf einer der Terrassen. Überall kann man dabei die bekannte holländische Spezialität, Bitterballen, testen: kleine frittierte Fleischteigbällchen, die mit Senf serviert werden. Dabei sollte man sich in eines der Cafés am Rathausplatz setzen: von hier aus hat man einen schönen Blick auf die „Grote Kerk“ St. Bavo.

Die Kirche ist ein Meisterbauwerk in Haarlem, Weiterlesen

Grimmiges aus Steinau an der Straße

2015, September 10.

Von Winfred Kaminski

Der kleine Ort Steinau an der Straße, ungefähr auf der Hälfte zwischen Frankfurt am Main und Fulda gelegen, hat dem Besucher einiges zu bieten. Denn er liegt an der Jahrhunderte alten, von Westen nach Osten führenden Handelsstraße nach Leipzig. Alte Reste dieser Straße können vor Ort noch bewundert werden. Und wenn man den Straßenbelag sieht, lässt sich gut vorstellen, wie beschwerlich Kutschfahrten damals waren.

Dann gibt es das aus dem 13. Jahrhundert stammende und den Ort überragende Schloss, ein eindrucksvoller Bau mit zahlreichen Renaissance-Resten, und darin zu finden eine Brüder-Grimm-Gedenkstätte, die noch in einer Sonderausstellung bis Mitte Oktober 2015 zeitgenössische Grimm-Illustrationen der Märchen der Brüder Grimm bietet. Wenn man dann den großen zentralen Platz des Ortes „Am Kumpen“ überquert, kommt man gegenüber vom historischen Rathaus an einem weiteren Highlight vorbei: dem Marionettentheater der Stadt Steinau, geleitet von Familie Magersuppe. Hier finden in den ersten beiden Oktoberwochen die 23. Steinauer Puppenspieltage statt.

1Turm des Steinauer Schlosses. Foto Winfred Kaminski

Turm des Steinauer Schlosses; Foto: Winfred Kaminski

Wenn man alles dieses aufgenommen hat, findet man sich plötzlich vor einem klug restaurierten und renovierten Gebäudekomplex wieder: der Steinauer Amtshofscheune und dem Amtshof (aus dem 16. Jahrhundert), in dem die Brüder Jacob (1785-1863) und Wilhelm Grimm (1786-1859) einen großen Teil ihrer Kindheit verbracht haben. Ihr Vater Philipp Wilhelm Grimm, selber in Steinau geboren, war Jurist und hatte ab 1791 in Steinau die Position eines landgräflichen Amtsmannes inne. Diese Gebäudeansammlung ist die einzige noch heute existierende, in der die Grimms tatsächlich gelebt haben, und hat damit unter allen Grimm-Stätten, ob nun in Hanau, Kassel, Göttingen oder Berlin, einen besonderen Rang. Weiterlesen

Holländische Impressionen (1)

2015, September 8.

Hillegom, Bloemendaal, Keukenhof und der Blumencorso

Von Juliane Adameit

Wieder einmal soll die Reise von Frankfurt aus per Bahn losgehen: wie zentral ist doch unsere Stadt am Main für Reiselustige gelegen! Holland ist in nur knapp drei bis vier Stunden ICE-Direktfahrt erreichbar. Man ist damit fast schneller an der holländischen Nordsee als an der deutschen Nordseeküste.

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Flächenmäßig ist Holland ein Land mit einer überschaubaren Größe. So lässt sich das Nachbarland bereits in einer Woche doch bestens kennenlernen. Amsterdam ist vielerorts bekannt und unzählig viele Male bereist, doch die anderen holländischen Städte sind ebenso reizvoll – fehlen erstaunlicherweise aber oftmals in den gängigen Reisekatalogen. Den Haag, Utrecht, Rotterdam, Haarlem, Maastricht und Delft sind Städte, die mit endlos vielen Schönheiten bezaubern und voller Charme auf eine Entdeckung zu jeder Jahreszeit einladen.

Kennen Sie das Land, in dem die Blumen blühen? Kenner wissen, dass die Tulpenblüte das Land berühmt gemacht hat. Hier zelebriert man die Blumenzwiebel bzw. Tulpenzwiebel seit mehreren Jahrhunderten und lässt sie zu einem prachtvollen Farbenmeer inszeniert erblühen. Ringsherum leuchten die Felder im Frühling in Holland.

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Verena Friedrich: „The Long Now“ im 1822-Forum

2015, September 5.

Von der Unberechenbarkeit der Seifenblase und des Lebens

Von Erhard Metz

„Unser Leben währet siebzig Jahre, und wenn’s hoch kommt, so sind’s achtzig“; Psalm 90
„Mors certa hora incerta“ (der Tod ist gewiss, ungewiss die Stunde); wohl aus dem Gedanken der cluniazensischen Liturgie entnommener Sinnspruch, u.a. an der Leipziger Rathausuhr

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Was sehen wir? Einen Labortisch mit einer apparativen Anordnung: zuunterst ein einfacher Staubsauger, auf einem Zwischenfach eine selbstgebastelte, recht komplexe Vorgänge steuernde Platine nebst Schalteinrichtungen, auf dem Tisch ein Plexiglaswürfel mit einigen kleineren, aber höchst wichtigen, mechanischen Verrichtungen dienenden Aufbauten, in welchem sich wissenschaftlich Begründbares wie zugleich scheinbar Erstaunliches, metaphysisch aufgeladen, ereignet.

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Unter Laborbedingungen entsteht – ansonsten ein Spass für Kinder, als Pustefix-Röhrchen in Spielzeugläden und auf Jahrmärkten überall erwerbbar – ein so banales Etwas wie eine für gewöhnlich nur wenige Sekunden „lebende“ Seifenblase.

Statt einfach Pustefix zu nehmen – so viel Aufwand für eine Seifenblase? Weiterlesen

Wochenmärkte im Morbihan

2015, September 4.

Eindrücke von Petra Kammann

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Der Wochenmarkt in Vannes, der 2000 Jahre alten Stadt gallo-romanischen Ursprungs und eine der ersten Bischofsstädte der Bretagne

Märkte in der Bretagne sind traditionelle Wochenmärkte, Fischmärkte und Handwerkermärkte, Flohmärkte, Antiquitätenmärkte, Töpfermärkte … Angeboten werden auf den Wochenmärkten in der Bretagne die regionaltypischen Produkte der heimischen Landwirtschaft: Milch und Käse aus der Bretagne, Eier und Geflügel, fangfrische Fische, Muscheln, namentlich Austern, und Meeresfrüchte und vor allem knackig frisches Gemüse. In manchen Städten gibt es neben dem Obst- und Gemüsemarkt die Criée, die Fischhalle, wo all diese Meeresköstlichkeiten unter einem Dach zusammen präsentiert werden wie in den nostalgischen Fischhallen in Vannes , Auray oder in La Trinité-sur-Mer.

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Die Criée von Vannes: Quicklebendig geht es hier in jeder Hinsicht zu. Crier heißt schreien. In der Bretagne ist die Criée die Fischhalle am Hafen, in welcher der frische Fang meist morgens verkauft wird Weiterlesen

18. Skulpturenausstellung 2015 in Mörfelden-Walldorf (3)

2015, September 2.

Yoonsun Kim: Stille Momente im Park

Von Erhard Metz

Wäre da nicht der Lärm des nahe gelegenen Frankfurter Flughafens, insbesondere der dort startenden Maschinen, so könnte man die beiden Skulpturen der HfG-Studentin Yoonsun Kim im Bürgerpark Mörfelden und die von ihnen ausgehende statische Ruhe und „Gelassenheit“ – so auch der Titel der einen Arbeit – noch sehr viel besser geniessen.

Etwas über Menschengrösse empor ragt eine stelenartige Komposition aus Beton, Stein und einer Platte, über deren Materialität uns Künstlerin und Kuratorin im Unklaren lassen. Die Materialien gestaltet Kim zu Formen, die zueinander in einer engen – und nicht zuletzt funktionalen – Beziehung stehen: der Beton trägt den Stein, an den sich jene „Platte“ anzulehnen scheint. Allein letztere trägt Farben, ein gedecktes Grau und ein unaggressives Rosa-Rot. Ihr halbkreisförmiger Einschnitt verleiht dem Ensemble etwas Figuratives, etwas wie durch einen grossen Mund in den Raum hinein Kommunizierendes.

„In der Arbeit, die keinen Titel trägt“, schreibt die Künstlerstudentin, „inszeniere ich die Verbindung der Darstellungen. Hier hinterfragt die gesamte Skulptur die Authentizität der künstlichen Darstellung im natürlichen Material. Man findet drei Objekte: Betonschicht, Stein und eine Platte, in die eine halbierte runde Öffnung eingefügt wurde“. Der Betrachter indes ist geneigt, die Skulptur in einen Bedeutungszusammenhang zu stellen, wobei ihm der freie Lauf der Fantasie keinerlei Beschränkungen auferlegen wird.

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Ohne Titel, 2015, diverse Materialien, ca. 190 x 30 x 70 cm Weiterlesen