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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Archiv für August, 2015

Der schroffe Norden der Bretagne − Das Pays de Léon mit seinen Kalvarienbergen

2015, August 10.

Impressionen von Petra Kammann

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Eine fast surreale Szene: An der Pointe St. Mathieu ragen über der Steilküste zwei unterschiedliche Leuchttürme aus einer Klosterruine. Das im 6. Jahrhundert gegründete Kloster war dem Hl. Tanguy geweiht

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Auch ein strahlend blauer Himmel im Sommer kann nicht darüber hinwegtäuschen. Die umtoste Westküste der Bretagne wie an der Pointe de St. Mathieu bei Le Conquet hat es in sich und das in jeglicher Hinsicht. Hier drohen Klippen, Riffs und Untiefen. Mit den Meeresströmungen des Atlantik, die sich mit einer Geschwindigkeit von bis zu 16 Stundenkilometern an den Inseln vorbeidrängen, gehört das Meer hier zu den gefährlichsten Gewässern der Welt. Während über hundert Leuchttürme Schiffer und Fischer auf die Gefahren aufmerksam machen, blühen im Hinterland die Legenden und der in Stein gemeißelte Glaube mit seinen Heiligengestalten in Kirchen, Kapellen und Kreuzen Weiterlesen

“Blickachsen 10″ in Bad Homburg und Rhein-Main (4)

2015, August 9.

Mobil – immobil
Nick Hullegie im Schlosspark, Peter Weidenbaum im Kurpark

Von Erhard Metz

Wir seien eine mobile Gesellschaft, hört und liest man immer wieder. Wir sind stolz darauf. Gemeint ist hier die materielle wie körperliche Mobilität, nicht eine geistige.

Mobilität beginnt im Kleinkindalter, an der Hand der Eltern, im heimischen Haus oder Garten auch im heute wohl eher verpönten Laufstall. Mobilität endet im Alter, am Gehwagen, dem Rollator, wenn man dafür noch „fit“ ist. Im weiten Feld dazwischen liegt unsere heissgeliebte Mobilität im sogenannten Kraftfahrzeug, vorzugsweise im PKW, dem, so scheint es, Alter ego vieler Menschen, die dem Faszinosum „freie Fahrt für freie Bürger“ (und damit oft genug dem vorzeitigen Unfalltod) erliegen. Im Gegensatz zu Laufstall und Rollator erfordert die PKW-Mobilität keine Beinarbeit, im Zeitalter der Getriebeautomatik findet sogar nur noch der rechte Fuss Beschäftigung – werden wir uns in der evolutionären Entwicklung den Kopffüsslern eines Horst Antes nähern?

Zwei Künstler – es mag Zufall sein und nur wir bringen sie in einen vielleicht gar ungewollten Zusammenhang – befassen sich im Rahmen der diesjährigen „Blickachsen“ mit der Mobilität: mit figurativen, Augen und Sinne ansprechenden Skulpturarbeiten.

Nick Hullegie, 1970 im niederländischen Epe geboren, baut einen kombinierten Laufstall-Rollator. Ein praktisches Gerät, sollte man zunächst meinen, gleichsam hilfreich und kostensparend für Jung und Alt. Aber Laufställe sind, wie bereits angedeutet, in der heutigen Kleinkindpädagogik kaum mehr gelitten. Und was ist mit dem Rollator-Anteil am Kunstwerk? Vier Räder sehen wir, die aber ebensowenig benötigt werden wie die zwei Handbremshebel links und rechts am starren Lenker, denn die ganze Konstruktion ist nun einmal ineinander verschränkt und – immobil!

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Nick Hullegie, Walking Frame, 2006, Stahl, Kunststoff, 90 x 180 x 180 cm Weiterlesen

Elias Wessel in der Frankfurter Galerie WOLFSTÆDTER

2015, August 7.

„In the end, though, nothing is lost“

Von Erhard Metz

Wer seine Schritte in die Frankfurter Galerie WOLFSTÆDTER lenkt – das Ligatur-„Ä“ trägt sie stolz im Markennamen – , weiss, dass er seine den schönen Künsten gewidmete Zeit an vergänglichem Leben nicht fehlinvestiert – mag auch der kunstaffine Automobilist noch so sehr über den notorischen Parkplatzmangel im galeristischen Umfeld klagen. Klein, aber fein ist sie, ein White Cube, schnörkellos-puristisch, kaum ein den Kunstgenuss störender Gegenstand befindet sich in dem Raum. Einzig der mit kleinen Kacheln in Schwarz und Weiss belegte Fussboden vermag das Auge abzulenken und gelegentlich vielleicht zu irritieren – erinnert er doch an pflegeleichte Böden etwa einer kleinen Molkerei oder Metzgerei längst vergangener Tage. Aber auch das hat seinen Charme.

Jürgen Georg Wolfstädter ist ein engagierter Galerist, der Blick auf die Liste der ausgestellten Künstlerinnen und Künstler belegt sein hohes Qualitätsbewusstsein. Er hatte – wir möchten gern daran erinnern – als einer der wenigen heimischen Galeristen den Mut, auf der (wenn auch vielleicht nur versuchsweise) wiederbelebten Kunstmesse Frankfurt im Frühjahr 2015 mit einer überzeugenden Präsentation anzutreten. Die Kunstlandschaft in Frankfurt und Rhein-Main bereichern hunderte und mehr, zumeist an den hiesigen Hochschulen in Frankfurt, Offenbach und Mainz ausgebildete Künstlerinnen und Künstler, auf die Wolfstädter ein beobachtendes Auge hat, wiewohl er zugleich auch über den Tellerrand hinausblickt – in diesem Fall nach New York. So hat er für seine aktuelle Ausstellung Elias Wessel ausgeguckt und wieder einmal einen Glücksgriff getan.

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“Blickachsen 10″ in Bad Homburg und Rhein-Main (3)

2015, August 6.

Arie Van Selm: Die Krähe – schreitend und sitzend

Von Erhard Metz

Ende 2014 berichtete „SPIEGEL online“ – unter Verweis auf die Fachzeitschrift „Current Biology“ – über Forschungsergebnisse in Russland und den USA, nach denen Krähen sozusagen geistige Leistungen erbringen können, wie sie im Tierreich bislang nur bei Affen nachgewiesen werden konnten. In den Versuchen ordneten die Krähen mit Symbolen versehene Spielkarten gemäss deren Zusammengehörigkeit und darüber hinaus sogar nach abstrakten Kategorien.

Im März dieses Jahres stellte das Magazin „stern.de“ ein Mädchen in Seattle vor, das im häuslichen Garten regelmässig Krähen fütterte, worauf diese dem Mädchen ebenso regelmässig jede Menge – durchaus von weiter her herbeigeschaffte – kleine, zumeist bunte und glitzernde Geschenke brachten: Knöpfe, Steine, Glasstückchen, Metallenes, Lego-Bausteine und so weiter. Das Kind hat bereits eine umfangreiche Sammlung dieser Mitbringsel angelegt.

Mit den Raben und Dohlen gehören die Krähen zur Familie der Rabenvögel. In zahlreichen wissenschaftlichen Beobachtungen und Experimenten wurden ihre ausgeprägte Merk- und Lernfähigkeit sowie die Fähigkeit zu komplexen Handlungsabläufen nachgewiesen. In Märchen und Mythen sowie im Volksglauben spielen Raben und Krähen seit alters her eine Rolle.

Kein Wunder also, dass sich auch Künstler wie der 1950 in Utrecht geborene Maler und Bildhauer Arie Van Selm mit den als „intelligent“ angesehenen Vögeln auseinandersetzen.

Zu den „Blickachsen 10“ sind zwei seiner Krähen-Skulpturen – im Bad Homburger Kurpark sowie auf dem Vorplatz der Kunsthalle Darmstadt – zu sehen.

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Die Krähe (schreitend), 2010, Bronzeguss, schwarz patiniert, Ex. 6/9, 207 x 102 x 287 cm, Sammlung Sander; Fotos: Erhard Metz Weiterlesen

Das Städel präsentiert „Die 80er. Figurative Malerei in der BRD“

2015, August 5.

Mit breitem Pinselstrich und knalligen Bildern die Kunstszene aufgemischt

Von Hans-Bernd Heier

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Friedhelm Hütte, Global Head of Art Deutsche Bank, Städel-Direktor Max Hollein und Franziska Leuthäußer, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Abteilung Gegenwartskunst, in der Pressekonferenz; Foto: FeuilletonFrankfurt

In den späten 1970er und frühen 80er Jahren trat eine neue Generation von Künstlern auf: Mit ihrer heftigen und knalligen Malerei sorgten junge Malerinnen und Maler für große Aufmerksamkeit und Furore auf den Kunstmärkten. Aus ganz unterschiedlichen Motivationen heraus begannen die sämtlich um 1950 Geborenen in einem neuen, expressiven Stil zu arbeiten. Sie malten mit raschen, breiten Pinselstrichen sehr farbkräftige Bilder mit trivialen Motiven, die für die damalige Zeit prägend waren. Ihre figurativen, mit großer Intensität und Dynamik geschaffenen Bilder stellten innerhalb weniger Jahre den Kunstbetrieb auf den Kopf. Wegen ihrer heftigen, teilweise auch als neo-expressionistisch eingestuften Malweise wurden sie als „Junge Wilde“ oder „Neue Wilde“ bezeichnet, die mit ihren provokanten, schwungvoll hingehauenen und teilweise obszönen Motiven großen Erfolg hatten, auch finanziellen. Denn sie stiegen schnell zu hochdotierten Stars des nationalen wie internationalen Kunstgeschäfts auf. Dem schnellen Aufstieg folgte allerdings auch ein rascher Abstieg. Weiterlesen

18. Skulpturenausstellung 2015 in Mörfelden-Walldorf (1)

2015, August 3.

Dampflokomotive oder U-Boot: „Stuttgart 21“ inspiriert Thomas Putze

Von Erhard Metz

Nicht wenige Ausstellungsbesucher, die sich allzu nahe und allzu lange an Thomas Putzes skulpturaler Installation „Dampfgetriebenes U-Boot ‚freie bahn‘ “ aufhielten, werden nach Heimkehr erst einmal ihre von dicken Rauchwolken verräucherte Garderobe gewechselt haben. Die witzig-skurrile, zugleich jedoch – entgegen dem ersten Anschein – überaus ernste wie hintergründige Arbeit war der „Aufreger“ und „Hingucker“ des Eröffnungsvormittags.

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Die Skulptur-Installation, eine „politische“ Arbeit: mehrere Meter Stamm eines mächtigen, alten Baumes, gefällt im Schlosspark Stuttgart zugunsten des Mega-Projekts „Stuttgart 21“ einer von Grössen- und Wachstumswahn getriebenen Gesellschaft und ihrer Politiker. Eingebaut je ein Heizkessel, Dampfkessel, Überdruckventil, Dampfpfeife und Turbine. Die Handlung: Der Künstler und ein Helfer schlagen mit kräftigen Axthieben Holzschnitzen aus dem Stamm, mit denen der Heizkessel befeuert wird; dieser erzeugt Dampf, der die Turbine mit dem Propeller antreibt, der an einem Ende in den Baumstamm eingebaut ist. Am anderen Ende ist eine Platte ähnlich der Rauchkammertür einer Dampflokomotive montiert, mit zwei Rohröffnungen, wir assoziieren zwei Puffer, Dampfzylinder oder auch Scheinwerfer. Wie überhaupt das Ganze an das Zeitalter dieser riesige Dampfwolken ausstossenden Zugmaschinen erinnert. Also die Eisenbahn ist konnotiert: das gutmütige Stampfen, Zuckeln und Zischen dieser Uralt-Lokomotiven zum einen, zum anderen eben das jede Minute und Sekunde an Reisezeit einsparen wollende „Stuttgart 21“. Stets und immer noch ist Be- statt der längst notwendigen Entschleunigung angesagt. Und dann noch der beziehungsreiche Werktitel „freie bahn“!

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Thomas Putze in Aktion: Dampfgetriebenes U-Boot „freie Bahn“, eingebauter Heizkessel, Dampfkessel, Überdruckventil, Dampfpfeife und Turbine, 2014 Weiterlesen

Friaul-Julisch Venetien (2)

2015, August 2.

Kreativ puzzeln wie Römer und Byzantiner: Die Mosaikschule in Spilimbergo zeigt die Kunst der Mosaiktechnik
Mosaiken in Aquileia

Von Elke Backert

Es soll Leute geben, die gern puzzeln. Sie verbringen Stunden, Tage, Wochen, ja Monate damit, Hunderte von bunten Pappkarton-Teilchen nach einer Bildvorlage zusammenzufügen. Vielleicht wird es ihnen manchmal langweilig, und sie würden lieber selbst etwas Eigenes erschaffen. Diesen Menschen kann geholfen werden. Es gibt eine künstlerische Alternative für den, der Geschick und Einfühlungsvermögen besitzt und noch dazu Zeit investieren will. Wer seine künstlerische Ader spielen lassen möchte, könnte es beispielsweise mit der Herstellung eines Mosaiks versuchen.

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Ein Schüler der Mosaikschule demonstriert das Zerkleinern des Materials zu Steinchen

Zugegeben, es gehört mehr dazu, als nur die passenden Teile aneinander zu kleben. Darüber informiert die international renommierte Mosaikschule in Spilimbergo, einem kleinen Dorf in Friaul-Julisch Venetien im Nordosten Italiens Weiterlesen