Trevor Paglen: „The Octopus“ im Frankfurter Kunstverein
Wer zum bevorstehenden Frankfurter Museumsuferfest unterwegs sein will – und das werden nicht wenige sein -, sollte keinesfalls die Doppelausstellung im Frankfurter Kunstverein versäumen, die am kommenden Sonntag, 30. August 2015, auslaufen wird.
Von Erhard Metz
Thomas Feuersteins opulentes Werk „ PSYCHOPROSA“ haben wir bereits vorgestellt. Heute werfen wir einen Blick auf die Parallelaustellung mit dem Werk „The Octopus“ des US-amerikanischen Künstlers Trevor Paglen.
Trevor Paglen, Bildnachweis: Frankfurter Kunstverein
„Trevor Paglen macht sichtbar, was nach Willen der NSA unsichtbar bleiben soll. Der Frankfurter Kunstverein zeigt sein jüngstes Werk … Die Paglen-Retrospektive … liefert ein sehr gutes Argument dafür, warum eine Stadt neben den grossen Museumstankern einen Kunstverein braucht.“ Julia Voss, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 19. Juni 2015
Trevor Paglens Bilder zeigen dokumentarisch geheime Orte der Macht, die nach den Interessen der die Macht Ausübenden verborgen bleiben sollten. Seine Kunst ist eine hoch politische, kann jedoch zugleich in einem gewissen, wohl eher zufällig sich ergebenden Kontext zu zwei anderen derzeit in Frankfurt gezeigten Ausstellungen gesehen werden, bei denen es ebenfalls um ein Verstecken, ein Verbergen, um ein Tarnen und „Unsichtbarmachen“ (wie es dem Tintenfisch, einer Oberart des Octopus, gelingt) geht: „Vom Verbergen“ – so bereits der Titel – im Museum Angewandte Kunst und – in einem weiteren Sinne – auch die Präsentation „Tuchfühlung – Kostas Murkudis und die Sammlung des MMK“ im MMK 2, bei der es unter anderem um ein lustbetontes textiles Verbergen des – weiblichen – Körpers geht. FeuilletonFrankfurt wird auf die Ausstellungen zurückkommen.
Die Ausstellung „Trevor Paglen: The Octopus“, ein Projekt des Frankfurter Kunstvereins, findet im Rahmen der RAY 2015 Fotografieprojekte Frankfurt Rhein/Main statt sowie in Kooperation mit dem Exzellenzcluster „Die Herausbildung normativer Ordnungen“ der Goethe-Universität Frankfurt am Main.
Geheime Überwachung und deren Techniken sowie die damit bezweckte politische Einflussnahme sind die Gegenstände von Paglens langjähriger künstlerischer Recherche- und Forschungspraxis. Zu sehen sind Landschaftsbilder im Zeitalter von Big Data, Bilderserien von militärischen Orten und geheimen Überwachungstechniken sowie Videoarbeiten, ferner entsprechende Materialien und Dokumente. Der Künstler möchte mit seiner Arbeit „Aktionen anstossen, die einen Einfluss auf die Gesellschaft nehmen und aus den institutionellen Räumen der Kunst in die reale Welt hinausreichen“.
„Der ‚Autonomy Cube‘ (2014) ist eine Skulptur, die von Trevor Paglen in Kooperation mit dem Internetaktivisten Jacob Appelbaum entwickelt wurde. Er enthält mehrere mit dem Internet verbundene mainboards (Hauptplatinen), die einen frei zugänglichen WiFi-Hotspot erzeugen. Besucher können das Netzwerk nutzen und darüber im Internet surfen. Die Skulptur leitet alle Datenströme über ‚Tor‘, ein Netzwerk zur Anonymisierung von Verbindungsdaten, das aus einem globalen Netz von tausenden freiwillig betriebenen Servern getragen wird. Der ‚Autonomy Cube‘ wird selber zu einem Relais, also eine Weiterleitung im Rahmen des Netzwerks, die anderen Nutzern weltweit dabei hilft, ihre Internetnutzung zu anonymisieren. Die Skulptur, der Kunstverein und der Besucher werden somit Teil einer Privatsphären-orientierten und freiwillig betriebenen Infrastruktur des Internets“ (Wandtext).
Trevor Paglen und Jacob Appelbaum, „Autonomy Cube“, 2014, Mischtechnik, 34,3 x 34,3 x 34,3 cm; Courtesy the artists und Altman Siegel, San Francisco; Metro Pictures, New York; Galerie Thomas Zander, Köln. Im Hintergrund: „The Fence (Lake Kickapoo, Texas)“, 2010, C-print, 127 x 101,6 cm; © the artist, Courtesy Privatsammlung; Fotos: Erhard Metz
„National Geospatial-Intelligence Agency, Springfield, Virginia; National Security Agency, Ft. Meade, Maryland; National Reconnaissance Office, Chantilly, Virginia (2013): Das Triptychon von nächtlichen Luftaufnahmen zeigt Orte, von denen aus die Geheimdienste der amerikanischen Regierung agieren. Die Grösse der Anlagen lassen den enormen Umfang der von ihnen gesteuerten Überwachung erahnen. Paglen wählt bei der Abbildung des Hauptsitzes der National Security Agency (NSA) in Fort Meade bewusst jene Perspektive eines Fotos aus den 1970er Jahren, welches die Behörde nach wie vor für ihre öffentliche Darstellung nutzt“ (Wandtext).
„National Geospatial-Intelligence Agency, Springfield, Virginia; National Security Agency, Ft. Meade, Maryland; National Reconnaissance Office, Chantilly, Virginia, 2013 (Triptychon) (rechts) und Bildgruppe „Untitled (Reaper Drone)“ (links), Ausstellungsansicht Frankfurter Kunstverein; Foto: Norbert Miguletz, © Frankfurter Kunstverein
↑ ↓↓“National Geospatial-Intelligence Agency, Springfield, Virginia; National Security Agency, Ft. Meade, Maryland; National Reconnaissance Office, Chantilly, Virginia, 2013; 3 C-prints (Triptychon), jeweils 45,7 x 68,6 cm; © the artist, Courtesy Galerie Thomas Zander, Köln
„Die Fotografie ‚They Watch the Moon‘ ist unter Langzeitbelichtung bei Mondlicht in den Wäldern von West Virginia entstanden. Dort liegt eine Abhörstation, die von dem sogenannten ‚Moonbounce‘-Phänomen profitiert. Sie fängt Kommunikations- und Fernmesssignale von der ganzen Welt ab, die in das Weltall entweichen und vom Mond zurück zur Erde reflektiert werden. Dazu wurde eine ‚National Radio Quiet Zone‘ von 34.000 Quadratkilometern eingerichtet, innerhalb derer Radio-Übertragungen und Internetverbindungen fast vollständig verboten sind“ (Wandtext).
„They Watch the Moon“, 2010, C-print, 91,44 x 121,92 cm; © the artist, Courtesy Galerie Thomas Zander, Köln; Foto: Erhard Metz
Ein weiterer Teil der Ausstellung sind die Ergebnisse eines Fotowettbewerb „Eagle-Eye Photo Contest: Landschaften der Überwachung“. Gezeigt werden von einer Jury (Trevor Paglen, Kunstvereinsdirektorin Franziska Nori, Ditmar Schädel, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Photograhie, Nils Bremer, Chefredakteur „Journal Frankfurt“ und Luminita Sabau, vormals Leiterin der DZ Bank-Kunstsammlung und Sprecherin der RAY Fotografieprojekte) prämierte Aufnahmen von Florian Freier, Kerstin Matijasevic, Alessandra Schellnegger, Dieter Schwer und Julian Slagman. Sie zeigen unter anderem Basisstationen der amerikanischen NSA und des BND in Deutschland. Alle weiteren Beiträge werden in Form eines Dossiers in der Ausstellung präsentiert.
Trevor Paglen, 1974 in Camp Springs, Maryland, geboren, studierte an der University of California in Berkeley mit dem B. A.-Abschluss in Religionswissenschaft, an der School of the Art Institute of Chicago mit dem Abschluss Master of Fine Arts in Kunst und Technologie sowie anschliessend wieder an der University of California in Berkeley Geografie (Schwerpunkt Neue Medien) mit dem Abschluss Ph.D. Der Künstler lebt und arbeitet in New York.
„Thomas Feuerstein: PSYCHOPROSA“ und „Trevor Paglen: The Octopus“, Frankfurter Kunstverein, nur noch bis 30. August 2015