“kunstansichten” 2015 in Offenbach (3)
Von Erhard Metz
Zu einer festen Grösse in der Kunst- und Kulturszene Rhein-Main haben sich die Offenbacher “kunstansichten” entwickelt, zu einem “Festival der Kunst”, wie es der Magistrat der Stadt Offenbach am Main als Veranstalter selbstbewusst formulierte. Über die Momentaufnahme eines Eröffnungsabends und hernach lediglich zweier halber Ausstellungstage hinaus soll hier wenigstens ein Ausschnitt aus dem breitgefächerten künstlerischen Angebot festgehalten werden, der zugleich Appetit auf ein künftiges „Mehr“ wecken soll.
In den beiden vorangegangenen Folgen stellten wir Positionen einiger Kunstschaffender in den “Zollamt Studios”, im Atelierhaus B 71 in der Bettinastrasse, in der Ateliergemeinschaft Rathenaustrasse und im Kunstverein Offenbach im KOMM-Center vor. Weiter geht es zum
Atelierhaus Luise 63
Ein besonderes Augenmerk wird man auf die Kunstschaffenden der „Luise 63“ zu richten haben: Unter dem Titel „9/6“ stellten zu den „kunstansichten“ drei begabte Stamm- und sechs Gastkünstlerinnen und -künstler sehr beachtliche Arbeiten aus: Fiona Balbach, Felix Becker, Freht Berger, Marlene Friese, Florian Friesenhahn, Tillmann Hanel, Maria Mpliatis, Moritz Schlegelmilch und Martin Stoya.
↑ Felix Becker, ohne Titel (der Strom), 2013, Öl auf Leinwand, 140 x 200 cm; Foto: Felix Becker
↓ Freht Berger, Die große Party, 2015, Öl auf Leinwand, 200 x 300 cm; Foto: Freht Berger
Was uns noch gefallen hat: Im „Atelier Neue Luise“ errichtete Gabriele Nippel eine wunderbare installativ-skulpturale Arbeit mit dem Titel „Elysisches Feld“:
Gabriele Nippel, „Elysisches Feld“, Installationsansichten
In einem abgedunkelten Raum hängte sie wir-haben-nicht-gezählt-wieviele Paar Damenschühchen an hauchdünnen, allenfalls im Licht eines kleinen Scheinwerfers sichtbaren Nylonfäden leicht schwebend auf. Feines Schuhwerk feiner dahertrippelnder Damen auf den Pariser Champs Élysées? Eine Wahrnehmung, ein kritisches Bild des weiblichen Teils unserer High Society- und Überflussgesellschaft? Wenn „Madonna“ oder die „Queen“ mit 50 oder 100 oder mehr Paar Schuhen durch die Welt reisen, feiert es der Boulevard – wer regt sich schon darüber auf?
Gabriele Juvan vom „Büro Gabriele Juvan“ – immer noch unter der Adresse Luisenstrasse 63 – zeigte im Innenhof des Gebäudekomplexes eine Installation „Nest“ – auf Kartons und allerlei Textilschnipseln weich gebettet konnten die Besucher eine kleine Siesta halten oder sich auch wie ein Vogel nach getaner Nestbauarbeit geborgen fühlen. Aber die Sache hatte einen Haken: Ringsherum war verdorrtes, totes Gesträuch platziert; Vögel waren darin nicht zu entdecken, sondern lediglich Fotografien der Künstler Timo Leppäharju und Hung Lin von Vögeln aufgehängt. Erschreckend: Sieht so unsere Natur und Umwelt – das ehemals Lebendige nur noch als Dokumentation überliefert – in vielleicht schon 100 Jahren aus?
Gabriele Juvan, „Nest (& bird dialogue)“, Installationsansichten
Stadtkirche
In der – temporär für Kunstausstellungen genutzten – Stadtkirche Offenbach, einer evangelischen Gemeindekirche, zeigte Barbara Greul Aschanta – sie studierte an der Kunstakademie Düsseldorf als Meisterschülerin bei Professor K. O. (Karl-Otto) Götz – ihre Installation „Jericho Shalom Salam“. Eine „Installationsfriedensreise“ absolvierte die Künstlerin mit diesem Werk „und einem Rucksack voller Frieden“; die Arbeit aus einem Oval von Schriftbahnen und beschrifteten Stühlen vor Altar und Kanzel der Kirche war bereits in Frankfurt am Main und Düsseldorf sowie an fünf Orten in Israel sowie auch in Ägypten zu sehen.
Barbara Greul Aschanta, „Jericho Shalom Salam“, Installationsansichten in der Stadtkirche Offenbach, © VG Bild-Kunst, Bonn
Creativ-Haus Offenbach
Überraschende Einblicke in ein Spannungsfeld zwischen Wohnkultur/Design und bildender Kunst gewährte das Creativ-Haus Offenbach, mit dem wir uns noch näher befassen werden.
Ina Pause-Noack, „Befreiung“ 10/2013, Öl, Wolle, Asche, 80 x 100 cm; Foto: die Künstlerin
Ina Pause-Noacks hochsensible Arbeiten bewegen sich zwischen Malerei und Relief; sie verwendet unter anderem Asche. Es handelt sich um Holzasche, in ihren „spirituellen Porträts“ im Auftrag der betreffenden Familie auch um Asche eines Verstorbenen.
Josef Krzyzanek präsentiert einen Betonstuhl: Man kann die Rückseite herausziehen, sich hineinsetzen und sich einsperren lassen – nur der Kopf, die Fussspitzen und die Arme mit den Händen ragen noch ins Freie. Doch wohin können diese Hände greifen? Nach dem Joystick einer Spielekonsole die rechte, nach Hammer und Meissel die linke. Das Werkzeug zur Befreiung aus dem Betonklotz ist quälend sichtbar, aber für beide Hände zusammen unerreichbar. Und dort, wo das Herz des Eingesperrten rot angedeutet ist, führt direkt der USB-Anschluss der Konsole hinein. Beissende Kritik an der Internet- und Spielesucht so vieler Menschen im digitalen Zeitalter.
Abgebildete Werke © jeweilige Künstlerinnen und Künstler; Fotos (soweit nicht anders bezeichnet): Erhard Metz
→ “kunstansichten” 2015 in Offenbach (1)
→ “kunstansichten” 2015 in Offenbach (2)