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FeuilletonFrankfurt

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PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Reisebilder aus dem Rheingau (3)

Schlösser zwischen Rhein und Reben: Schloss Vollrads

Von Petra Kammann

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↑ Das Eingangstor zu Schloss Vollrads mit dem Familienwappen der Greiffenclaus
↓ Schloss Vollrads in der hügeligen lieblichen Rheingaulandschaft. Von weitem schon sieht man den Turm von Schloss Vollrads emporragen

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Nicht weit entfernt von Johannisberg, oberhalb von Oestrich-Winkel, liegt inmitten der reizvollen Kulturlandschaft Rheingau ein weiteres Kleinod: das Schloss Vollrads. Rundherum laden Wanderwege ein, den anmutigen Rheingau, die Toskana Deutschlands, zu erkunden. Durch das Vollradser Wäldchen im Norden führt ein beliebter Naturlehrpfad, der idyllische Flötenweg, durch die Weinberge, direkt an Vollrads vorbei sowie um das gesamte Anwesen herum. So kann man es von allen Seiten aus wahrnehmen. Mit seiner über 800-jährigen Geschichte ist Schloss Vollrads nämlich nicht nur eines der ältesten Weingüter Deutschlands, sondern auch ein Kulturdenkmal.

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Das Tor zum Weiher

Gleich, ob man sich dem Schloss zu Fuß, per Rad oder per Auto nähert: Der Wohnturm, Wahrzeichen des Riesling-Weinguts Schloss Vollrads, ragt schon von weitem aus den Weinbergen und dem Gebäudeensemble hervor. Hier hatte einst das Geschlecht der Reichsfreiherren von Greiffenclau, einer alten Adelsfamilie aus Lothringen, mit dem Anbau und Handel seiner Weine begonnen und jahrhundertelang den 1330 errichteten Turm bewohnt. Der wiederum ruht inmitten eines quadratischen Weihers und ist nur über eine Brücke zu erreichen.

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Das Herrenhaus von Schloss Vollrads

1684 ließ Georg-Philipp von Greiffenclau dann das eigentliche Herrenhaus bauen, das sein Sohn im Laufe der Jahre für die Familie durch zusätzliche Gebäude erweiterte.

1997 markiert schließlich das Ende der rund 800-jährigen Familiengeschichte der Greiffenclaus auf Schloss Vollrads. Am frühen Morgen des 19. August nahm sich Erwein Graf Matuschka-Greiffenclau, der die Rieslingtradition und die dazugehörigen Rheingauer Spezialitäten wieder in den Fokus gerückt hatte, auf einem Hügel oberhalb des Schlosses das Leben. Er sah keinen Ausweg mehr, nachdem seine Bank für Schloss Vollrads einen Insolvenzantrag gestellt hatte, weil er die Kredite nicht zurückzahlen konnte. Die Sanierung von Turm und Herrenhaus, die er sich vorgenommen hatte, hat über Jahrzehnte Millionen verschlungen, Geld, das allein mit dem Weinbau wohl nicht mehr zu verdienen war.

Nach dem Schock über seinen jähen Tod hat sich die Bank, das regionale Kreditinstitut in Wiesbaden, mit dem Rheingau-Taunus-Kreis zusammengetan und um die weitere Sanierung gekümmert. 1999 stellten sie den Oenologen Rowald Hepp als Gutsdirektor ein. Nach dem Tod des Grafen gehört er mit seinen Winzerkollegen Wilhelm Weil aus Kiedrich und Richard Nägler aus Oestrich-Winkel nämlich zu dem Fachbeirat, der sich um den Weinbau kümmerte und der aus früherer Zusammenarbeit die Philosophie des Grafen kannte. Er setzte auch weiterhin auf die Besonderheit des dort angebauten Rieslings.

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Das Gutsrestaurant mit der gehobeneren Küche

Heute werden in dem traditionsreichen Weingut 80 ha Weinberge immer noch ausschließlich mit Riesling bewirtschaftet. Und das traditionsgemäß seit 1211. Dank der heutigen weitsichtigen und langfristigen Strategie aber wurde das Ensemble von Schloss Vollrads ein modernes, offenes Weingut und die zuständige Bank wohl zur einzigen Bank mit Weingut. Man kann nur hoffen, dass diese auch auf Dauer den Verlockungen eines rentablen Verkaufs eines solch traditionellen Weinguts an reiche Russen oder Chinesen – wie teils im Nachbarland Frankreich geschehen – widersteht. Die gezielte Ausfächerung des Angebots in der Anlage gibt Hoffnung, dass mit einem gesunden Mischkonzept eine Auslastung auf Dauer gelingen kann.

Hinter den Toren der Wirtschaftsgebäude befinden sich heute die Pressen, Gärkeller und Füllanlagen nach dem neuesten Standard. Im ehemaligen Kutscherhaus ist eine Vinothek mit Probiermöglichkeit beherbergt, im Kavaliershaus und der Orangerie das teurere Gutsrestaurant zum Genießen und Entspannen. Während man in der Vinothek täglich Wein einkaufen kann, bieten die Privaträume des Herrenhauses einen außergewöhnlichen Rahmen für Veranstaltungen. An Sommerwochenenden werden auf der Hofterrasse die Gutsweine zu Flammkuchen für nicht ganz so Finanzkräftige ausgeschenkt. Und im Herbst erfährt das Publikum, was Weinlese bedeutet.

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Der ehemalige Wohnturm des Wasserschlosses

Wer heute in der großen Halle des Herrenhauses steht, kann vom oberen Ende der Treppe einen Blick in die Familiengeschichte werfen: Gemälde an Gemälde hängt hier mit Gesichtern von Menschen, die vor Jahrhunderten hier und im Turm nebenan gewohnt haben. Das berühmte Ledertapetenzimmer mit der kostbaren Wandbekleidung aus dem 17. Jahrhundert ist zwischenzeitlich dank des Fördervereins renoviert worden. Archiv und Bibliothek werden bestens gepflegt. Dort fand schon in seinen Anfangszeiten das Rheingau Literatur Festival statt. Und die Turmuhr – Wahrzeichen in der langen Schlossgeschichte – wurde repariert und mahnt, dass man die Zeit nicht aus dem Auge verlieren soll, wenn man das Beste gewinnen will.

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Natursteinmauer, dahinter die Weinberge

Seitdem im Jahr 1211 Mitglieder der Familie Greiffenclau das erste Mal Wein an das St. Viktorstift in Mainz verkauft haben, hat sich der Anbau von Riesling in den Weinbergen von Schloss Vollrads stetig weiterentwickelt. Als 800 Jahre später, 2011, sowohl die weltweiten Importeure wie auch die Partner aus Handel und Gastronomie in den Rheingau zur Jubiläumsfeier kamen, um in der ehemaligen Gärtnerei im „Clos du Jardin“ jeweils eine Riesling-Rebe zu pflanzen, war die symbolische Grundlage für die weitere positive Entwicklung von Schloss Vollrads gelegt und es wurde deutlich gemacht: Neue Zeiten haben begonnen. Eine Webcam, welche die Entwicklung der Riesling-Reben verfolgt, aktualisiert sich inzwischen minütlich. Die Arbeit aber im „Weinberg des Herrn“ ist immer mit erheblichen Anstrengungen verbunden. Den guten Tropfen, der auf diese Weise entsteht, kann man sich besonders auf der Zunge zergehen lassen und genießen. Da schmeckt man die herrliche hügelige Landschaft mit dem Gemisch aus Lößboden und Quarzgestein dann auch gleich mit.

Schloss Vollrads, Oestrich-Winkel; Rheingau Musik Festival

Fotos: Petra Kammann

Reisebilder aus dem Rheingau:
→ Burgund im Rheingau: Das Kloster Eberbach
→ Schlösser zwischen Rhein und Reben: Schloss Johannisberg

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