Reisebilder aus dem Rheingau (2)
Schlösser zwischen Rhein und Reben: Schloss Johannisberg
Von Petra Kammann
Schon 1827 schrieb der im Rheinland geborene Dichter Heinrich Heine in seinen „Reisebildern“: „Mon Dieu! Wenn ich doch so viel Glauben in mir hätte, daß ich Berge versetzen könnte! Der Johannisberg wäre just der Berg, den ich mir überall nachkommen ließe! … Oh, da ist ein schönes Land, voll Lieblichkeit und Sonnenschein. Im blauen Strome spiegeln sich die Bergesufer mit ihren Burgruinen und Waldungen und altertümlichen Städten.“
Die majestätische Schlossanlage in Maria-Theresien-gelb war 1815 ein Geschenk des Wiener Kongresses an den Fürsten Metternich. Bis 2006 lebte hier noch die Fürstin Tatiana Metternich-Winneberg
Blick von der Terrasse auf das Rheintal; besonders idyllisch sind die Laubengänge auf dem Johannisberg
Viel Wasser ist seither den Rhein heruntergeflossen. Die vom Loreley-Poeten und Essayisten Heinrich Heine beschriebene Idylle des auf dem 50. Breitengrad nach Süden ausgerichteten Weinbergs fasziniert bis heute. Und doch hatte auch der Johannisberg gar manches Übel zu verkraften wie zum Beispiel am 13. August 1942, als er durch einen Notabwurf britischer Fliegerbomben nach einem schweren Angriff auf Mainz in Flammen stand und daraufhin Schloss und Kirche in Schutt und Asche lagen.
Glücklicherweise gab es aber so mutige und zupackende Menschen wie die Fürstin Tatiana von Metternich-Winneberg und ihren Mann Paul, den Urenkel von Kanzler Clemens Metternich. Sie flüchteten aus ihrem böhmischen Schloss Königswart und erreichten nach viel Mühen in einer Odyssee mit dem Pferdefuhrwerk die Reste des Schlosses Johannisberg. Und bauten es mit Hilfe der dortigen Bevölkerung nach und nach wieder auf bis ins Jahr 1976.
Nicht nur das Schloss, einst Spielball der europäischen Politik, das der habsburgische Fürst Metternich 1815 für seine Verdienste beim Wiener Kongress von Napoleon geschenkt bekommen hatte, sondern auch die daneben liegende romanische Kirche, deren Grundriss Züge des karolingischen Mutterklosters des Stifts St. Alban in Mainz trägt, wurde nach dem Krieg authentisch streng, romanischen Formen aufgreifend, vom rheinischen Kirchenbauer Rudolf Schwarz wieder aufgebaut. Der legte die über die im Laufe der Zeit durch religiöse und politische Wirren verschütteten Pfeilerbasen wieder frei, setzte die Seitenapsiden im Querhaus wieder an, ergänzte einen Vierungsturm und eine Taufkapelle am nördlichen Seitenschiff.
Die romanische Kirche neben Schloss Johannisberg geht auf eine Benedektinerabtei zurück; für das schlichte Interieur der heutigen Kirche war der Kirchenbauer Rudolf Schwarz zuständig
Seither dient die Kirche als Pfarrkirche für Johannisberg. Sie ist auch ein Raum für geistliche Konzerte von lokalen Gruppen und Konzerte des Rheingau Musik Festivals.
Der Legende nach ist die Anlage sogar auf Karl den Großen zurückzuführen, der angeblich von seiner Pfalz in Ingelheim sehen konnte, dass die Schneeschmelze auf dem Johannisberg (der später u.a. für seinen Eiswein berühmt werden sollte) besonders früh einsetzte. Die unter Metternichs Ägide angelegte Schlossterrasse mit den Wein-Laubengängen, Feigen-Spalieren und der Esskastanien-Allee wurde zu Beginn des 19. Jahrhunderts ein attraktives Ziel des aufkeimenden Rheintourismus, der auch heute im Rhein-Main-Gebiet wieder blüht.
In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hatte die kunstliebende und -ausübende Tatiana von Metternich-Winneburg den Geist der Zeit erkannt: Sie baute den Ostflügel des Schlosses, der vorübergehend als Tennishalle genutzt worden war, zu einem Konzertsaal um. Bereits in der ersten Saison des Rheingau Musik Festivals im Jahr 1988 fanden dort 10 von 19 Konzerten statt, denen alljährlich viele Kammerkonzerte folgten.
Sitz der Gutsverwaltung: Heute gehört das Anwesen der Oetker-Gruppe
Nach dem Tod ihres Mannes Paul wurde der Raum Fürst-von-Metternich-Saal genannt. Tatiana von Metternich, die letzte Vertreterin des Hauses Metternich-Winneburg, war bis zu ihrem Tod 2006 Vorsitzende des Kuratoriums. Die Tradition wird von den heutigen Besitzern, der Oetker-Gruppe, nach wie vor weitergeführt.
So wird etwa alljährlich im Fürst-von-Metternich-Saal mit seinen rund 600 Sitzplätzen Kammermusik auf höchstem Niveau zum Erklingen gebracht. In dieser Atmosphäre ist für die Kammermusik sowohl Hörgenuss als auch Intimität gewährleistet.
Natürlich zieht es auch namhafte Künstler aus der ganzen Welt immer wieder in das wunderschöne klassizistisch und symmetrisch angelegte Maria-Theresien-gelbe Schloss hoch über dem Rheintal, das einen der schönsten Ausblicke im Rheingau bietet, die schon Dichter wie Heine und Goethe inspirierten. Herrlich ist es auch für genussfreudige Besucher, an einem sonnigen Tag trotz zu erwartender Menschenmengen nach einem Spaziergang durch Weinberge von dort aus die Aussicht zu genießen und den Blick von der Terrasse des Gutsrestaurants aus auf die Rheinebene schweifen zu lassen.
Müßiggang beim Ausblick von der Terrasse auf das Rheintal; der Ausblick stimmt selbst heutige junge Liebespaare „romantisch“
Fürstin Metternich hatte die besondere Atmosphäre des Rheingaus an dieser Stelle verinnerlicht. Sie aquarellierte von ihrer Terrasse aus die besonnte Landschaft nicht nur in den nuanciertesten Tönen, sie beschrieb auch deren Besonderheiten zu allen Jahreszeiten: „An Frühlingsabenden, nach windverwehtem Tag, verschmelzen die sanften, blütenbedeckten Hügel mit den niedrig ziehenden Wolken. Im Sommer taucht die Sonne in Gold und Safran unter, während der herbstliche Himmel vor herannahenden Stürmen in dramatischen Farben explodiert. Am ersten Frosttag des Winters raucht der noch warme Rhein hell rosa in der aufgehenden Sonne.“
Auch im Weinkeller mit seinen historischen Holzfässern aus dem 18. Jahrhundert, in dem immer noch der Johannisberger Riesling abgefüllt wird, schlummern ganz eigene Geschichten.
Der Keller schließt Geheimnisse ein
Schloss Johannisberg, Geisenheim; Rheingau Musik Festival
Fotos: Petra Kammann
Reisebilder aus dem Rheingau:
→ Burgund im Rheingau: Das Kloster Eberbach
→ Schlösser zwischen Rhein und Reben: Schloss Vollrads