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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Reisebilder aus dem Rheingau (1)

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Burgund im Rheingau: Das Kloster Eberbach

Umrahmt von Wald und Reben und abseits lärmender Verkehrswege in einem landschaftlich reizvollen Seitental des Rheingaus in der Nähe von Kiedrich liegt seit 1136 das Kloster Eberbach. Heute wird es von einer Stiftung verwaltet, die das Kulturerbe erhalten will

Von Petra Kammann

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Mit den strengen romanischen Räumlichkeiten wurde Kloster Eberbach auch zur beliebtesten Spielstätte des Rheingauer Konzertpublikums, sei es beim Rheingau-Festival, sei es bei Konzerten mit den gregorianischen Gesängen

Bestechend ist die schlichte Schönheit der monumentalen romanischen Klosterkirche im Zentrum der Klosteranlage, die Natürlichkeit des einströmenden Lichtes sowie die besondere Stille und Akustik, welche die Zisterzienserklöster so anziehend machen. In ihnen wurden die benediktinischen Regeln „ora, labora et studia“ (Bete, arbeite, und studiere) wörtlich und asketisch ausgelegt. Hier wurde gearbeitet, meditiert und fleißig gelesen und gesungen. Der Reformmönch Bernhard von Clairvaux (1091 – 1153) aus Burgund setzte sich außerdem für die Stilreinheit in der Musik und Architektur ein und beeinflusste damit die abendländische Baugeschichte. Die Kirchenbauten der Zisterzienser sollten mit ihren „Glaubensfilialen“ oder besser „Tochterabteien“ in ganz Europa mit denselben Dimensionen gegründet werden. Angesiedelt wurden die zisterziensischen Klosteranlagen in abgeschiedenen Tälern in der Nähe einer Quelle und inmitten von Weinbergen. Atmosphärisch ähneln daher die Klöster in Burgund oder in der Provence einanderund eben auch das Kloster Eberbach, wo sich 1136 unter Führung des Abtes Ruthard eine Gruppe von 13 Mönchen des Zisterzienserordens im Rheingau niedergelassen hatte.

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Typisch für die Zistzienserabteien: Der Brunnen inmitten des Kreuzgangs

Die aus Clairvaux im französischen Burgund eintreffenden Mönche fanden an ihrem neuen Standort eine seit etwa 20 Jahren bestehende Ansiedlung vor, die zunächst von Augustiner-Chorherren und ab 1131 von Benediktinern besiedelt worden war.

Zwischen 1136 und 1803 blieb Kloster Eberbach eine Abtei des Zisterzienserordens, wenn auch nicht in der anfänglichen Strenge. Denn natürlich ist die Geschichte von Kloster Eberbach auch ein Spiegel der wechselvollen Erfahrungen der abendländischen Geschichte. Das 17. Jahrhundert hinterließ Spuren der zeittypischen Barockisierung, was noch heute an einigen neuen Bauwerken und Umbauten erkennbar ist. Das Denken der Aufklärung hatte nämlich den Boden für die Säkularisation vieler Zisterzienserklöster bereitet. Im Zuge der französischen Revolution und unter dem Einfluss Napoleons führte dies zur Aufhebung und häufig zum Abriss und Verfall etlicher Abteien. Das Kloster Eberbach hatte daher in dieser Zeit etwa den Abbruch von Kreuzgangflügeln für profane Verwendungen hinzunehmen.

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Teilweise sind auch die absolutistischen Einflüsse der Barockzeit noch sichtbar

Das Kloster befindet sich seit nunmehr 200 Jahren in weltlichem Besitz.

Dennoch ist es ein großes Glück und grenzt an ein Wunder, dass die Klosteranlage die Zeitläufe im Wesentlichen unzerstört überstanden hat. So ist die Entwicklung der Abtei bis heute an den Baukörpern abzulesen. Die Bau- und Nutzungsgeschichte des 20. Jahrhunderts indes war durch die Wirrnisse der Kriegs- und der Nachkriegszeit geprägt, als große Teile der Abteianlage Flüchtlingsfamilien als Wohnstätte zur Verfügung gestellt wurden.

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Das Laiendormitorium: Der zweischiffige Saal mit seiner klaren rhythmische Gliederung in Form von Gewölben, Säulen und Gurtbögen umfasst 13 kreuzgratgewölbte Doppeljoche, die auf einfachen gedrungenen Säulen ruhen, und verleiht dem Dormitorium eine würdevolle Festlichkeit

1986 konnte die Anlage dann endlich einer Generalsanierung unterzogen werden, verbunden mit dem Ziel, die Bausubstanz zu erhalten und historische Raumsituationen wiederherzustellen. Gleichzeitig wurden verträgliche Gebäudenutzungen verfolgt. So wurde 1998 das Kloster Eberbach schließlich Eigentum einer gemeinnützigen Stiftung öffentlichen Rechts, der „Stiftung Kloster Eberbach“, welche das Kloster langfristig sichern und nutzen sollte. Ein Großteil ist auch sicher gelungen, sonst wäre es 2010 nicht in die „Charte européenne des Abbeyes et Sites Cisterciens“ aufgenommen worden.

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Einziger Schmuck waren die Kirchenfenster, die jedoch nicht die biblische Geschichte nacherzählten, sondern lediglich fein das Licht filtrierten, und deren ornamentale Struktur auf das Netzwerk der Mönche verwies

Im Kern hat sich der Ort den ursprünglichen Ideen des Bernhard von Clairvaux wieder angenähert, weil ihm Respekt entgegengebracht wurde, was analog eines der zahlreichen Aphorismen Bernhards illustriert: „Den Garten des Paradieses betritt man nicht mit den Füßen, sondern mit dem Herzen.“ Neben den einträglichen Aktivitäten („labora“) wie Weinproben und Weinverkauf, Tagungsbetrieb, Vermietung und Hochzeitsfeiern können an diesem paradiesisch-klösterlichen Ort die Menschen wieder für eine Weile zu sich kommen, wenn sie die Klosterkirche oder das klar strukturierte Dormitorium der Mönche betreten und nur Raum und Licht auf sich wirken lassen. Oder aber sie können auch die besondere Musik erleben, wie sie beim hochkarätigen, alljährlich zwischen Mai/Juni bis September dargebotenen Rheingau Musikfestival erklingt. Den eindrucksvollsten Rahmen für große chorsinfonische Werke unterschiedlicher Epochen ebenso wie für instrumentale und vokale Meisterwerke des Barocks hat das Rheingau Musik Festival seit seiner Gründung in der Basilika von Kloster Eberbach gefunden. Auch mit dem Kreuzgang, dem Laiendormitorium und anderen der einzigartigen romanischen Räumlichkeiten wurde das Kloster zur beliebtesten Spielstätte des Rheingauer Konzertpublikums. Dort finden nicht nur die Eröffnungskonzerte des Festivals sowie die Abschlusskonzerte statt, auch während der Spielzeit stehen zahlreiche Konzerte auf dem Programm.

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Auch Landwirtschaft und Weinbau gehörten zu den Aufgaben der Zisterziensermönche. In Kloster Eberbach sind noch besonders alte Pressen erhalten

Eine zweite Säule des Eberbacher Kulturlebens liegt in der Ausrichtung wechselnder Kunstausstellungen in den verschiedenen Räumlichkeiten sowie im Außenbereich der Klosteranlage. Schließlich werden in Eberbach regelmäßig Vorträge, Symposien und Seminare zu naturwissenschaftlichen, kulturellen und theologischen Themen angeboten. Ein Schwerpunkt liegt dabei in Vorträgen zur Geschichte des Ordens und der Abtei, die vom Freundeskreis Kloster Eberbach e. V. ausgerichtet werden.

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Fässer der Rheingauer Rieslingsorten der näheren Umgebung. Besonders bekannt ist der Steinberger

Neben den wundervollen Konzerten, wie denen des Rheingau Musik Festivals oder den gregorianischen Gesangsoratorien, ist es für die Besucher ein besonderes Erlebnis, einen Blick in den historischen Cabinet-Keller mit seinen uralten Weinpressen und Fässern zu werfen und sich im Mönchsdormitorium auf die Spuren des Films „Der Name der Rose“, der 1986 hier gedreht wurde, zu begeben. Über 700 Jahre kultivierten die Zisterziensermönche hier intensiven Weinbau. Im Mittelalter galt Kloster Eberbach sogar als das florierendste Weinhandelsunternehmen der Welt. Und heute locken wieder die Spitzenweine des Rheingaus in der Vinothek der Hessischen Staatsweingüter … „Porta patet, cor magis“. „Die Tür steht offen, mehr noch das Herz“ – so lautet ein überlieferter Wahlspruch der Zisterziensermönche. Und kaum treffender könnte man wohl zum Ausdruck bringen, was die Besucher in Kloster Eberbach erwartet: Eine altehrwürdige Abtei, deren Portale weit geöffnet sind. Da kann einem wirklich das Herz aufgehen …

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Kloster Eberbach, Eltville, eine Spielstätte des jährlichen Rheingau Musik Festivals

Fotos: Petra Kammann

Reisebilder aus dem Rheingau:
→ Schlösser zwischen Rhein und Reben: Schloss Johannisberg
→ Schlösser zwischen Rhein und Reben: Schloss Vollrads

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