home

FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

ZERO – ein „Lichtspiel-Theater“

Die ausgelaufene grosse ZERO-Schau „Die internationale Kunstbewegung der 50er und 60er Jahre“ im Berliner Martin-Gropius-Bau ist demnächst im Amsterdamer Stedelijk Museum zu sehen

Von Winfred Kaminski

Als 1963, also vor mehr als 50 Jahren, ZERO endlich auch in Frankfurt am Main Station machte, wagte man damals nicht, den national und international schon berühmten Namen im Ausstellungstitel zu führen, sondern die Frankfurter „Galerie d“ benannte ihr Projekt neutral „Europäische Avantgarde“. In einem Brief an Heinz Mack war die Rede vom „Widerstand“, auf den das Projekt vielerorts gestoßen sei – so nachzulesen im opulenten Katalog zur gerade beendeten grossen Berliner ZERO-Schau im Martin-Gropius-Bau (21. März bis 8. Juni 2015); sie wird ab Anfang Juli 2015 im Amsterdamer Stedelijk-Museum erneut zu sehen sein.

Die Berliner ZERO-Ausstellung ermöglichte einen doppelten Rückblick, zum einen auf die Entwicklung und Ausweitung des ZERO Projektes und zum anderen einen aufregenden Durchgang durch die zeitgenössische Rezeption. Der Countdown „4, 3, 2, 1 – ZERO“, den Heiz Mack, Otto Piene und Günther Uecker in Düsseldorf 1958 begonnen haben, fand schnell seine Ausweitung und Fortsetzung in anderen europäischen Ländern. Bald war ZERO ein „Wanderzirkus“, der Künstlerinnen und Künstler aus Italien, den Niederlanden, Frankreich, Spanien, selbst Südamerika verband. In den grossen Kunstjahrbüchern von ZERO veröffentlichten Lucio Fontana und Yves Klein sowie viele andere, mittlerweile klassisch gewordene Künstler.

OeaO0nAfzuswR2Xo0UBpcKSSwAELlqMgMMs_2MXORpU-500

↑ Stedelijk Museum Amsterdam 1962, Heinz Mack, Otto Piene und Günther Uecker anlässlich der Ausstellung NUL; Foto: Raoul Van den Boom, © ZERO foundation, Düsseldorf

Wie aber kam es dazu, dass aus einem Düsseldorfer Vorhaben ein internationaler Verbund werden konnte? Liest man in den ersten öffentlichen Stellungnahmen, so wurden die ZERO-Ideen nicht eben willkommen geheißen. Teilweise verwies man sie in den Bereich des Design oder gar des bloßen studentischen Klamauks, des höheren Unsinns. Pienes Lichtarbeiten, Macks Wüsten-Projekte und Ueckers frühe Nagelarbeiten schienen nicht integrierbar in das vorherrschende Bild von Kunst. ZERO war nicht weihevoll! ZERO war Aktion, war Strassenkunst oder – heutig gesprochen – Performance. ZERO fand nicht im musealen Raum oder in der Galerie statt, sondern auf der Straße unter und zwischen Menschen während des Düsseldorfer Karnevals. Manchen fiel es schwer, mit diesem Unernst zurechtzukommen.

Im Martin-Gropius-Bau waren über 200 Werke aus den Jahren 1957 bis 1967 von über 40 Künstlern aus 11 Ländern zu sehen, einiges davon ist überhaupt zum ersten Mal gezeigt worden. Der lange Weg von den Aktionen auf der Düsseldorfer Hunsrückenstraße bis zu dieser großartigen Schau hat sich gelohnt. Ohne Zweifel ist die Künstlergruppe ZERO mit großer Schubkraft gestartet und hat mit ihren Aktionen, Ausstellungen und Manifesten die künstlerische Entwicklung vorangetrieben. Dabei fällt auf, dass der Plan, die Welt von Null aufzubauen, darauf zielte, die Erschütterungen und Pessimismen der unmittelbaren Nachkriegszeit zu überwinden und eine optimistische, dem technischen Fortschritt vertrauende Weltsicht wiederzugewinnen. Deshalb auch arbeiteten Mack, Piene und Uecker mit neuartigen Materialien, die das Licht einfangen oder brechen sollten. Was auf den ersten Blick als „optimistische Entpolitisierung“ auftrat, bewirkte aber in der Folge eine „kritische Re-Kontextualisierung der Kunst im gesellschaftlichen Raum“.

Daniel Birnbaum, der ehemalige Rektor der Frankfurter Städelschule und heutige Direktor des Moderna Museet in Stockholm, formulierte in einem Gespräch mit Mathijs Visser: „Tief im Innersten steht die ZERO-Bewegung für eine Erkundung der Wahrnehmung, der Erfahrung und dessen, was Kunst sein kann, ja sogar für eine offenen Erkundung der Frage, welche Rolle ein Kunstwerk spielen kann.“ Und er erläuterte, dass die gegenwärtige Attraktivität der ZERO-Bewegung etwas „mit der interdisziplinären Natur ihrer Aktivitäten und mit ihrem Interesse an Technik und naturwissenschaftlicher Forschung zu tun“ habe. Wer die Berliner Schau nicht hat sehen können, hat die Chance, ZEROs „Lichtspiele“ bald in Amsterdam besuchen zu können.

Zero – Die internationale Kunstbewegung der 50er und 60er Jahre, Martin Gropius-Bau Berlin, bis 8. Juni 2015
Zero: Let Us Explore the Stars, ab 4. Juli 2015 im Stedelijk Museum Amsterdam

→ Günther Uecker im Düsseldorfer K20
 

Comments are closed.