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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

25 Jahre Shakespeare-Festival: das Globe Theatre Neuss nach dem Vorbild des Londoner Shakespeare-Theaters

„Was ihr wollt“ und „Wie es euch gefällt“ … im rheinischen „Wooden O“
25 Jahre Shakespeare-Kosmos in einer der ältesten Städte Deutschlands, in Neuss. Das kommende Festival findet vom 28. Mai bis zum 27. Juni 2015 statt. Ein Bericht von

Petra Kammann

Auf Londons Southbank wurde die Rekonstruktion des Shakespearean Globe Theatre 1987 eröffnet. Dort kann man nicht nur einen herrlichen Blick auf die Themse genießen, sondern nebenbei noch etwas über Shakespeare und das elisabethanische London, in dem der Dichter lebte und arbeitete, erfahren. In einer Ausstellung wird dort Shakespeares Welt wieder zum Leben erweckt – und mit einer Reihe interaktiver Ausstellungsstücke und Live-Präsentationen bereichert.

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Shakespeare-Büste vor dem Globe in Neuss, Foto: Christoph Krey

Die Konstruktion des Globe, in Form eines hölzernen O („The wooden O“) war der Urform des antiken Amphitheaters nachempfunden, welche sich durch den unmittelbaren Kontakt von Schauspielern und Zuschauern auszeichnet. Der Begriff Globe sollte den neuen Weg, die Welt als Ganzes vorzustellen, dokumentieren. Von der Tribüne und den zwei übereinander gebauten Rängen ließ sich das Bühnengeschehen vom Publikum unmittelbar verfolgen ganz nach Shakespeares Maxime: „Die ganze Welt ist eine Bühne und alle Fraun und Männer nichts als Spieler“. Ganz „Wie es euch gefällt“.

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Das Globe Theatre in Neuss nach dem Vorbild des Londoner Shakespeare-Theaters, Foto: Christoph Krey

In elisabethanischer Zeit war das Themse-Ufer das Unterhaltungszentrum der Hauptstadt London mit seinen Spielhöllen, Bordellen, Bärenkämpfen und mit seinen fünf bis sechs Playhouses, den Theatern, geworden. Bei den Vorstellungen durfte und sollte gelacht und geweint, gegessen und getrunken und die Schauspieler beschimpft werden. Die Menschen strömten vor allem aber zu Shakespeares Dramen. Denn sein Werk lieferte den Stoff, aus dem die menschlichen Dramen gewebt und in die sie verstrickt sind.

Der Theatermacher Reinhard Schiele hatte sich von Shakespeares Globe inspirieren lassen und 1987 die Idee entwickelt, für seine Wandertruppe, das „Schlosstheater Overhagen“, eine mobile Bühne in Form einer Wanderbühne zu entwerfen. Das zwölfeckige Globe, das so 1988 für die Bundesgartenschau in Rheda-Wiedenbrück entstand, sollte – ähnlich seinem Vorbild – aus Holz aufgebaut werden, damit es auf jedem Markt- oder Kirmesplatz wieder auf- und abgebaut werden könnte. Die Feuerschutzbestimmungen führten jedoch zu einer aufwendigeren Holz-Stahl-Konstruktion, was zum heutigen Globe Theater führte. Denn diese Konstruktion war nicht mehr für eine mobile Wanderbühne geeignet und stand nach Ablauf der Gartenschau dann erst einmal zwei Jahre leer. Also suchte man einen neuen Standort für das etwa 600 Zuschauer fassende Theater.

So gelangte es 1991 in die alte rheinische Stadt Neuss auf das Gelände an der Rennbahn, wo seit nunmehr 25 Jahren ein alljährliches Shakespeare-Festival mit stetig wachsendem Erfolg stattfindet, bei dem international und national renommierte Truppen auftreten und wo das Shakespeare-Erbe in immer wieder neuer Form präsentiert wird. Auch in diesem „Wooden O“ liegt, wie im alten Londoner Globe, der Reiz in der unmittelbaren Nähe von Zuschauer und Schauspieler.

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Innenraum des Neusser Globe, Foto: Christoph Krey

So beträgt der Abstand der Zuschauer zum Bühnengeschehen maximal zehn Meter, so dass diese die Dramatik oder die Komik auf der Bühne hautnah erleben und Shakespeare-Inszenierungen aus der ganzen Welt genießen können, vor allem auch Aufführungen in der Originalsprache, die hier ganz unmittelbar ins Ohr gehen. Da werden die Stücke des elisabethanischen Meisters wieder zum Leben erweckt mit einem Programm, das sich sehen lassen kann.

Kulturreferent Rainer Wiertz, von Anfang an künstlerischer Leiter und Programmplaner der Festspiele, stellt sie Jahr für Jahr so kenntnis- wie abwechslungsreich zusammen. Zum 25-jährigen Jubiläum des Neusser Globe hat er befreundete Regisseure zu ganz speziellen Geburtstagseinlagen eingeladen und damit sogar eine so große Resonanz gefunden, dass einige der Produktionsvorschläge ins kommende Jahr geschoben werden mussten.

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Eat a Crocodile, Foto Bob Goody/THE DUKE © Eat a Crocodile

Allein aus England kommen in diesem Festivaljahr drei deutsche Erstaufführungen wie „Macbeth“ von Piper Productions mit Thea Beylefeld als Lady Macbeth, eine Auftragsproduktion der so selten aufgeführten Komödie Shakespeares „Maß für Maß“ („Measure for Measure“). Das Festival konnte mit Unterstützung des NRW-Kultusministeriums sogar eine Wunschproduktion an Dan Jemmett und dessen englischsprachiger Company „Eat a Crocodile“ in Auftrag geben. Dieser war bereits mehrfach mit verschiedenen schrägen Produktionen des Théâtre Vidy und der Compagnie des Petites Heures im Globe zu Gast. Seine skurril-humorige Auffassung des Lustspiels („Measure for Measure“) steht daher in der Reihe anderer Erfolge, die der Theatermann mit seinen Arbeiten „Dogface“ und „Shake“, mit der hinreißenden „Comédie des Erreurs“ und den phänomenalen „Trois Richards“ errungen hat.

Diesmal wird er die Geschichte des Herzogs von Wien auf die Bühne bringen, der seine Position einem hart durchgreifenden Regenten überlässt, damit er sich selber nicht die Hände schmutzig machen muss. Doch als Strippenzieher bleibt dieser im Hintergrund und beobachtet, wie sein Moralapostel-Stellvertreter eine junge Nonne erpresserisch über die Couch ziehen will, um das Todesurteil ihres Bruders abzuwenden. Jemmett will das Geschehen eines der frühesten Tragikomödien der Theatergeschichte in einem runtergekommenen Beerdigungsinstitut ansiedeln, um uns damit den moralisch zweifelhaften Operettenstaat, den Shakespeare wohl im Visier hatte, vor Augen zu führen.

Aus Bristol kommt der Klassiker „Romeo und Juliet“ mit der „Shakespeare at the Tobacco Factory (SATTF)“. Offiziell wird das Festival am 28. Mai 2015 mit dieser Produktion „Romeo and Juliet“ eröffnet. Mit Polina Kalinina hat SATTF eine ganz junge Regisseurin ins Boot geholt, die sich in England aber bereits einen Namen gemacht hat.

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Schauspielhaus und Kunstuniversität Graz, Der Widerspenstigen Zähmung, Foto: Lupi Spuma

Darüberhinaus kann man ein katalanisches „Was ihr wollt“ in einer brandneuen Inszenierung, entstanden im Auftrag des Festival Shakespeare Barcelona, sowie eine schillernd-schräge Komödie „Zähmung der Widerspenstigen“ aus Österreich, die in Kooperation mit der Kunstuniversität Graz entstand, im Globe erleben, während der „Hamlet“ in brasilianischem Portugiesisch mit englischer Übertitelung aus Rio de Janeiro als „Trans Hamlet Formation – aus der Favela in die Welt“ im Neusser Globe auf die Bühne kommt. Das Neuartige daran: Das Stück beleuchtet die Verhältnisse in Brasilien und stellt sie in den lateinamerikanischen Kontext der Favelas. So repräsentiert Hamlets Mutter Gertrude Lateinamerika, während Claudius für die Korruption steht und Prinz Hamlet für den Zustand des ewigen Zweifels.

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bremer shakespeare company, Foto: Marianne Menke

Mit einer besonderen Produktion reist auch die renommierte und experimentierfreudige bremer shakespeare company, die von Anfang an dabei war, mit „Shakespeares Könige – Mord, Macht, Tod nach William Shakespeare“ an. In diesem Stück, einer Art politischem Skelett der Königsdramen, fassen Johanna Schall und Grit van Dyk Shakespeares Historien über Richard den Zweiten und die Heinrichs IV bis VI in einem Stück zusammen und versuchen, Licht in das Dunkel der Verstrickungen der bekannten Königsdramen zu bringen.

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Dominique Horwitz (Foto: Ralf Brinkhoff) und die Lautten Compagney Berlin Dominique Horwitz (Foto: Ida Zenner)

Aber auch das musikalische Programm hat in Neuss Tradition. Denn Musik war seit dem 17. Jahrhundert unverzichtbarer Bestandteil von Shakespeare-Aufführungen. So laden der medienkompatible Sänger und Schauspieler Dominique Horwitz und die Lautten Compagney Berlin mit ihren aufregenden musikalischen Brückenschlägen zum „Sommernachtstraum“ ein. Sie verwandelt ihn in eine musikalische Revue, während der Rundfunkchor des WDR unter Leitung von Stefan Parkman A-cappella-Vertonungen – mit von Schauspieler Gustav Peter Wöhler vorgetragenen Shakespeareschen Texten – präsentiert, u.a. aus „Macbeth“, „Der Sturm“, „Was ihr wollt“. Dem Globe-Publikum ist er sicher noch aus dem letzten Jahr in seiner Rolle als Samuel Pepys bestens in Erinnerung.

Erstaunlich, dass vor 25 Jahren bei der Gründung die bremer shakespeare company unter Leitung von Norbert Kentrup auf dem Shakespeare-Festival im Globe Neuss das einzige Ensemble war. Seitdem wurden 250 verschiedene Produktionen gezeigt, und in diesem Jahr wird die sechshundertste Vorstellung gegeben. Dass das beliebte Festival seit Jahren eine Auslastung hat, die bei über 90 Prozent liegt, beweisen nicht allein die rund 250.000 Zuschauer, die im Neusser Globe zu Gast waren. Das schafft das kleine Festival nur, weil es hier auch Spaß macht und komödiantische Inszenierungen gezeigt werden – übrigens durchaus im Sinne von Shakespeare selbst. Darüber hinaus haben die Festival-Macher in Neuss seit vielen Jahren einen wirklich künstlerischen Anspruch. Sie reisen mit offenen Augen durch die Welt und holen Gruppen, die sonst überhaupt nicht in Deutschland zu sehen sind. Und genau diese Mischung ist es, die den Rang dieses kleinen Festivals ausmacht.

Shakespeare Festival im Globe Neuss vom 28. Mai bis 27. Juni 2015

Termine 2015

28. – 30.05., 20 Uhr und 30. + 31.05., 15 Uhr
Romeo and Juliet, Shakespeare at the Tobacco Factory, Bristol

01. – 03.06., 20 Uhr
Wie es euch gefällt, Shakespeare und Partner

04.06., 20 Uhr
Trans Hamlet Formation - aus der Favela in die Welt , Cia Completa Mente Solta, Rio de Janeiro

05. + 06.06., 20 Uhr + 07.06., 15 + 20 Uhr
Macbeth, Piper Productions, London

08.06., 20 Uhr
Der Widerspenstigen Zähmung, Schauspielhaus und Kunstuniversität Graz

09.06., 20 Uhr
Nit de Reis (Was ihr Wollt), Els Pirates Teatre, Barcelona

10.06., 20 Uhr
La Triviata, die Impro-Oper, München

11.-14.06., 20 Uhr
Shakespeares Könige. Mord Macht Tod nach William Shakespeare, bremer shakespeare company

16. + 17.06., 20 Uhr + 18.06., 15 + 20 Uhr
Measure for Measure, Eat a Crocodile

19.+20.06., 20 Uhr + 21.06., 15 + 20 Uhr
Die lustigen Weiber von Windsor, die theaterachse, Salzburg

22.06., 20 Uhr
SOMMERNACHTSTRAUM!
Eine Shakespeare-Revue, Dominique Horwitz und die Lautten Compagney Berlin

23.06., 20 Uhr
Shakespearetheater a cappella mit Gustav Peter Wöhler und dem WDR Rundfunkchor

25. + 26.06., 20 Uhr + 27.06., 15 + 20 Uhr
Love’s Labour’s Lost, Mountview Productions, London

s. a.: →“Anonymus” – ein Film von Roland Emmerich

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